“Schweizer Tage für neue Kammermusik an der Ruhr”

Vom 6. bis 8. Mai stehen an den Wittener Tagen für neue Kammermusik Arbeiten von Komponist:innen aus 17 Nationen auf dem Programm. Beinahe ein Drittel der Stücke stammen aus der Hand von Schweizer Komponierenden.

Peter Révai
Die Wittener Tage für neue Kammermusik gelten landauf landab als das renommierteste Festival für avanciertes Musikschaffen. Wer den aktuellen Stand der Dinge in Sachen zeitgenössisches Musikdenken erfahren respektive sich anhören will, reist wie vor der Pandemie für ein Frühlingswochenende in den Südosten des Ruhrgebietes im Land Nordrhein-Westfalen. Das Festival wird seit 1969 von der Stadt Witten und dem Westdeutschen Rundfunk WDR gemeinsam veranstaltet. Sein Renommee hat es dem WDR-Musikredaktor Harry Vogt zu verdanken.  Künstlerischer Leiter seit 1990, ist es ihm stets gelungen, durch seine kenntnisreiche Auswahl die Spreu vom Weizen zu trennen und das Relevanteste des aktuellen Musikgeschehens vorzuführen. Die Pointe daran ist, dass es sich bei den Stücken meistens um Auftragswerke handelt, die weltweit erteilt werden, hier zu Ihrer Uraufführung gelangen und in der Regel von ständigen Sprengungen der Sparte Kammermusik zeugen, indem bisherige Regeln radikal gebrochen werden. Eine weitere Spezialität von Vogt: Er lässt die Stücke jeweils von den bestmöglichen InterpretInnen spielen. Zum grossen Bedauern der Szene gibt Vogt mit der diesjährigen Ausgabe die Leitung altershalber ab.

 

Portrait Harry Vogt © WDR / Claus Langer

 

Helvetier ante portas

Zum hohen Anteil an Beteiligten aus der Schweiz an dieser Ausgabe lässt Vogt den Spruch fallen, dass das diesjährige Festival fast schon als »Schweizer Tage für neue Kammermusik an der fernen Ruhr durchginge«. Auch in der Schweiz als Dozierende wirkende Musiker:innen mit ausländischem Hintergrund sind diesmal zahlreich vertreten wie etwa der E-Gitarrist Yaron Deutsch, der ab Herbst an der Basler Musikhochschule den Bereich zeitgenössische Musik leiten wird, die ebenfalls dort unterrichtende Sopranistin Sarah Maria Sun oder die in Lugano geborene Dirigentin und Arturo-Tamayo-Schülerin Elena Schwarz. Sie absolviert als Leiterin des Ensemble Moderne ein Monsterprogramm mit drei Konzerten mit Werken u.a. des Altmeisters Georges Aperghis oder der als Composer-in-Residence eingeladenen 38 Jahre alten Serbin Milica Djordjevic. Sie lebt in Berlin, ist u.a. Schülerin von Kyburz gewesen, und sorgte erstmals in Witten 2017 mit quirlliger Klangbehandlung in ihrem verdoppelten Streichquartett für Furore.

 

Portrait Elena Schwarz, Luzern, 19.03.2016 ©: Elena Schwarz/ Priska Ketterer

 

Daneben hat auch der in Biel lehrende Teodoro Anzelotti einen Spezialauftritt. Für Witten hat er, für den mehr als 300 Solostücke entstanden sind, sich nun auch ein wegen den Covid-19-Massnahmen längst überfälliges Solo-Akkordeon-Stück des in Berlin lebenden Hanspeter Kyburz vorgenommen. Für das Werk seien sie, berichtet Anzelotti, seit gut 15 Jahren im Gespräch.

Anzelotti erwartet viel davon, zumal es, so der Musiker, wenige Kompositionen gäbe, in denen sich die Grundelemente Strukturdenken und Klangsinnlichkeit so gut miteinander verbänden. Wie der Komponist wissen lässt, heisst das Stück Sisyphe heureux nach dem existentialistischen französischen Autor Albert Camus, nur um zum Schluss nachzuschieben, dass man sich Sisyphos glücklich vorzustellen habe – »il faut imaginer Sisyphe heureux«.

Auch das neue Trio von Beat Furrer hat eine längere Genese hinter sich. Ins Offene hätte bereits 2018 fertig sein sollen, verzögerte sich aber wegen seiner Oper Violetter Schnee, deren Uraufführung 2019 in Berlin erfolgte. In den darauf folgenden zwei Jahren wütete bekanntlich das Virus. Furrer hat das Stück dem Trio Accanto mit dem Basler Saxophonisten Marcus Weiss auf den Leib geschrieben. Seine Grundlage ist wie bei vielen Werken Furrers die Idee der Metamorphose. Die permanente, organische Verwandlung vollzieht sich auf mehreren Ebenen, die durch Schnitte und Kontraste plötzlich durchbrochen werden, was zu hohen emotionalen Qualitäten und körperlichen Momenten führt.

 


Beat Furrer, Il mia vita da vuolp, Marcus Weiss, Saxofon, Rinnat Moriah, Sopran, UA, Festival Rümlingen 2019, Eigenproduktion SRG/SSR

 

Furrers jüngere Arbeiten thematisieren in besonderer Weise das Problem der Prozessualität. Furrer meint dazu: »Das Phänomen des Verdoppelns, aber auch des Verzerrens in einem Schattenbild hat mich interessiert, und resultierend aus einem Ineinanderschneiden von Stimmen das Entstehen von Prozesshaftem«.

Weitere Uraufführungen betreffen Konzerte mit Werken der Komponistinnen Betsy Jolas, Sarah Nemtsov, Rebecca Saunders (in Kooperation mit Enno Poppe) und der iranischen Elnaz Seyedi. Trotz ihren 96 Jahren wartet gerade das Werk von Jolas, das sich stets gegen die serielle Abstraktion der französischen Zeitgenossen entgegen stellte,  im deutschsprachigen Raum auf seine gebührende Rezeption. Die Schülerin von Darius Milhaud und Olivier Messiaen war lange am Radio, danach als Nachfolgerin von Messiaen Dozentin für Analyse und Komposition am Conservatoire de Paris tätig. Ihres und das Stück von Nemtsov führt das Trio Catch mit der Zürcher Cellistin Eva Boesch auf.

 

 Ricardo Eizirik, Trio Catch: obsessive compulsive music UA 2019

 

Im Park

Seit mehreren Jahren gehören Klanginstallationen zum unverzichtbaren Bestandteil des Festivals. Dafür werden jedes Jahr verschiedene Ecken und Orte Wittens in Beschlag genommen. Diesmal ist es ein Park, der 1906 für Schwestern einer evangelischen Ordensgemeinschaft, die im Krankenhaus arbeiteten, als Ort der Erholungen konzipiert wurde. Sie sollten dort »Licht und Luft« bekommen. Nun bietet er Platz für zwölf Klanginstallationen und Interventionen. Von den zwölf beteiligten KlangkünstlerInnen sind allein vier mit der Schweiz verbunden. Die Freuden und Sehnsüchte der Schwestern von damals versucht die an der BKHS in Bern dozierende bildende Künstlerin und Performerin Lilian Beidler zu ergründen.

 


Lilian Beidler, Art Mara – Women’s ground 2018

 

In ihrer Arbeit Lustwurzeln und Traumrinden wolle sie die »Natur abhören«, lauschen, ob die vertraulichen Gespräche der »lustwandelnden« Schwestern noch in alten Bäumen steckten, in den Boden gesickert seien oder im Bach murmelten, beschreibt SRF-Redaktorin Cécile Olhausen die Arbeit. Demgegenüber steuert der Performance-Fuchs Daniel Ott eine durchlässige Intervention für Trompete, Steeldrums und Stimmen ad libitumunter seiner Leitung bei.

 

Um ganz andere Naturtöne geht es bei der Live-Installation Mum Hum des Zürchers Mauro Hertig: Basismaterial sind Klänge des Ensemble Garage. Sie sollen solchen entsprechen, die ein ungeborenes Kind in einem Mutterleib hören könnte. Hertig liefert ein Installation-Setting, in dem die eine Seite eines Telefons die Aussen­welt repräsentiert und die andere die Geräusch­kulisse des Fötus im Bauch von Hertigs Lebenspartnerin, der Künsterin Camille Henrot.

 

Mauro Hertig: The great mirror, Version Royaumont 2019

 

Von der in Basel lehrenden Andrea Neumann stammt die Musik-Choreografie Überspringen für vier Performende und vier mobile Lautsprecher. Seit 1996 entwickelt die Freiburgerin mit dem sogenannten Innenklavier ein eigenes Instrumentarium, mit dem sie Schönheiten in Geräuschen auf der Spur ist.

Was ist der Grund für eine solche Anballung von Arbeiten Schweizerischer Provenienz? Zum einen dürfte dies dem »Aufführungsstau« in Folge der Lockdown-Massnahmen geschuldet sein. Es gab in den letzten zwei Jahren auch in Witten – abgesehen von einigen Streaming-Übertragungen – keine Live-Konzerte mehr. Zum anderen dürften viele helvetische Komponist:innen wie Furrer und Kyburz gut zum »Beuteschema« des scheidenden intendanten passen: Denn sie kreieren Stücke, in denen technische Raffinesse mit grossen emotionalen Qualitäten verbunden werden; etwas, das beispielsweise Arnold Schönberg mit „Triebklänge“ umschrieben hatte.
Nicht zu unterschlagen ist ausserdem die nicht unwesentliche »Mitgift« aus der Schatulle der helvetischen Förderinstitution Pro Helvetia.
Peter Révai

 
Die diesjährige Ausgabe der Wittener Tage für neue Kammermusik finden von 6. bis zum 8. Mai statt. Die Konzerte werden live oder zeitversetzt vom WDR übertragen.
Teodoro Anzellotti, Hanspeter Kyburz, Trio Accanto, Arturo-Tamayo, Elena Schwarz, Georges Aperghis, Rebecca Saunders, Sarah Nemtsov, Betsy Jolas, Enno Poppe, Elnaz Seyedi, Camille Henrot, Andrea Neumann, Milica DjordjevicYaron Deutsch

neo-Profile:
Marcus Weiss, Beat Furrer, Lilian Beidler, Mauro Hertig, Sarah Maria Sun, Daniel OttTrio Catch, Ensemble Modern

Exzellenzorchester für neue Musik

Benjamin Herzog
Lucerne Festival Contemporary Orchestra heisst ein neu geschaffener Klangkörper des am 13. August angelaufenen Lucerne Festival. Das neue Orchester ist stark eingebunden in die ebenfalls neu geschaffene Sparte „Contemporary“, mit der das Lucerne Festival über eine einzigartige Struktur für die Ausübung neuer Musik verfügt.

Felix Heri, Leiter der Sparte “Contemporary“ erklärt, was so einzigartig ist daran.
Sie sind zwischen 30 und 35 Jahren alt, sind aktuelle und ehemalige TeilnehmerInnen der Lucerne Festival Academy und sie spielen neu seit diesem Jahr in einem Orchester, das, so Felix Heri, ein „Exzellenzorchester für neue Musik“ werden soll. Es hat also einen ähnlichen Anspruch wie das vor bald zwanzig Jahren gegründeten Lucerne Festival Orchestra (LFO). Jenem Klangkörper, dem unter der Leitung seines ersten Dirigenten Claudio Abbado geradezu magische Qualitäten nachgesagt wurden.

 

Portrait Felix Heri ©Gregor Brändli / zVg Lucerne Festival

 

 

Der 35-jährige Solothurner Felix Heri ist der Kopf der neuen Sparte „Contemporary“ des Lucerne Festival. Er hat in Luzern Klarinette und in Basel Kulturmanagement studiert, und war anschliessend sechs Jahre lang Geschäftsführer beim Orchester basel sinfonietta. Seit letztem Jahr nun ist Heri Leiter von Lucerne Festival Contemporary.

Lucerne Festival Contemporary: das ist ein Dach, unter dem sich eine dreiteilige, organisch gewachsene und laufend weiterentwickelnde Struktur befindet. Akademie, Orchester und ein (statt dem gestrichenen Piano-Festival) im November stattfindendes, neues Festival, genannt Lucerne Festival Forward. „Wir haben ein einzigartiges Netzwerk von 1300 Leuten auf der ganzen Welt“, erklärt Heri: „Musikerinnen und Musiker, die irgendeinmal die Festival Academy besucht haben, und im damaligen Orchester der Academy oder im Alumni-Orchester mitgespielt haben, in- und ausserhalb des Festivals.“ Es seien die „Besten und Interessiertesten“, die nun im Lucerne Festival Contemporary Orchestra (LFCO) mitspielen.

 

Gründer Boulez

Seine Kenntnisse vertiefen, wie neue Musik im Orchester gespielt werde. Das ist Ziel der 2003 noch vom 2016 verstorbenen Pierre Boulez gegründeten Festival Academy. Einer Art Meisterklasse für neue Musik, seit fünf Jahren von Wolfgang Rihm geleitet. Die Resultate dieser Arbeit konnten FestivalbesucherInnen bislang in den Konzerten des zur Akademie gehörenden Orchesters hören. “Einem Orchester, dem -wenn auch nur ganz leicht- doch der Duft eines Studentenorchesters anhaftete”, wie Heri heute sagt.

 

Magische Anziehung

2013 bildeten die ehemaligen AkademistInnen sodann ein “Alumni-Orchester”, also die nächste, schon professionellere Stufe. Offenbar funktioniert der Luzerner Magnet. Wer hier unter Grössen wie Pierre Boulez oder Wolfgang Rihm gelernt hat, will wiederkommen. Dieses Alumni-Orchester spielte auch ausserhalb des Festivals. Und ausserhalb Luzerns. Uraufführungen in New York, London, Peking, Zürich und auch Luzern zeugen von Netzwerkcharakter und Ausstrahlung.

 


Wolfgang Rihm, Dis-Kontur für grosses Orchester (1974/84): Lucerne Festival Alumni, Leitung Ricardo Chailly, 8.9.2019 KKL Lucerne Festival, Eigenproduktion SRG SSR

 

Logische Weiterentwicklung

Das nun neu gegründete LFCO ist die logische Weiterentwicklung dieser Struktur. Es ist die Zusammenführung der beiden ehemaligen Orchester, die personell ohnehin nie ganz getrennt waren. „Alle Mitglieder des LFCO haben mindestens einmal die Festival Academy besucht“, sagt Heri. „Hier spielen die Besten und Talentiertesten dieser Jahrgänge mit.“  Darüber hinaus gibt es pro Stimmgruppe je einen „Leader“, fünfzehn an der Zahl. Diese StimmführerInnen wählen ihrerseits die weiteren Mitglieder ihrer Gruppe, ihres Registers aus, die dann für maximal zwei Jahre im Orchester mitspielen können. Durch diese Mitbestimmung ist ein organisches Zusammenwachsen möglich.

 

Alumni der Lucerne Festival Academy im “Gedenkkonzert für Pierre Boulez”, Leitung
Matthias Pintscher (Luzern, 20.03.2016) © Priska Ketterer / zVg Lucerne Festival

 

Exzellenz trifft aus Exzellenz

StimmführerInnen sind zurzeit bspw. die vier Mitglieder des Arditti Quartetts, sowie für die Trompeten der Niederländer Marco Blaauw oder der Pianist Nicolas Hodges für die Tasteninstrumente. Dass das LFCO seine Mitglieder nicht danach beurteilt, auf welcher Sprosse der Karriereleiter sie stehen, sondern nach deren persönlicher Hingabe, zeigt sich darin, dass es keine Altersgrenze gibt und weder Akademisten noch bereits arrivierte MusikerInnen ausgeschlossen sind. So spielen im LFCO und unter der sommerlichen Luzerner Festivalsonne auch MusikerInnen des Klangforum Wien, des Ensemble Intercontemporain oder des Frankfurter Ensemble Moderne mit. 

Darin gleicht der neue Luzerner Moderne-Klangkörper sehr seinem älteren Bruder, dem Lucerne Festival Orchestra. Hier wie dort spielen Profis aus den führenden Orchestern ihres Genres mit. Für das Festival sollen künftig beide Orchester gleich starke Aussenwirkung haben.

 

Mit oder ohne Chef? – Mitsprache des Orchesters

Das neue Orchester hat aber, anders als das LFO mit zurzeit Riccardo Chailly, keinen Chefdirigenten, keine Chefdirigentin. „Wir diskutieren, ob es das braucht“, sagt Felix Heri. Eine solche Position habe Vor- und Nachteile. „Die Vorteile sind klar: mehr Ausstrahlung, Renommee, eine andere Art von Netzwerk. Aber es ist auch gut, die DirigentInnen zu den Projekten jeweils ganz gezielt auszuwählen.“ Und auch bei dieser Wahl setzt das LFCO auf Mitbestimmung aller Mitglieder. Mitsprache wird auch bei der Programmwahl grossgeschrieben. So verantwortet das Sommerprogramm zwar nach wie vor der künstlerische Leiter des Orchesters, Wolfgang Rihm. Das Programm des neuen Herbstfestivals „Forward“ wird aber von den Führungsfiguren des Orchesters selbst beeinflusst. Sie fungieren kollektiv als Co-KuratorInnen.

 

Barblina Meierhans, Auf Distanz, für Bassflöte und kleines Ensemble (UA 2020), Lucerne Festival Alumni, Leitung Baldur Brönnimann, Lucerne Festival KKL 23.8.2020, Eigenproduktion SRG SSR

 

Ein Showcase der neuen Musik

Dieses Jahr wird das LFCO bereits an den renommierten Donaueschinger Musiktagen oder an den Berliner Festspielen auftreten und für 2022 ist eine internationale Orchestertournee geplant. Gerade das Herbstfestival in Luzern aber soll, so Heri, zu einem „Showcase der neuen Musik“ werden und dabei aktuelle Strömungen aus Europa, den USA und Asien aufzeigen. Ermöglicht wird das durch die globale Vernetzung der Mitglieder des Orchesters, deren Leader und deren eigener Netzwerke.

 

Kollektives Mastermind

Von seiner früheren Arbeit bei der “basel sinfonietta” kennt Heri basisdemokratische Strukturen im Orchester. So weit geht das LFCO aber nicht. Aber: „Die Mitbestimmung bringt eine starke Identifikation mit sich “ betont Heri. Diese brauche es in einem auf neue Musik spezialisierten Orchester viel mehr als in einem klassischen Sinfonieorchester. „Wir nehmen die Leute ernst mit ihren Ideen.“ Das sei eine einzigartige Ausgangslage. „Wir sind ein kollektives Mastermind.“

Und er wiederholt: „Für mich soll das Orchester Massstäbe setzen. Wir wollen mutig sein und auch neue Konzertformate ausführen. Dabei ist die Einbindung in das Lucerne Festival natürlich ein Vorteil. Gleichzeitig aber wollen wir uns die nötigen Freiheiten nehmen, um davon losgelöst ein Pendant zum Festival Orchester zu werden. Das ist unser Ziel, daran messen wir uns.“
Benjamin Herzog

 

Probe Lucerne Festival Academy, Leitung Heinz Holliger © Stefan Deuber / zVg Lucerne Festival

 

Das LFCO bestreitet auch die diesjährige Opernproduktion des Luzerner Theaters in Koproduktion mit dem Lucerne Festival, Mauricio Kagels „Staatstheater“, 5.9. (Premiere)-19.9.21

Konzerte LFCO am Lucerne Festival 2021

Das Herbstfestival Lucerne Festival Forward findet vom 19. bis 21. November 2021 statt.

 

Klangforum Wien, Ensemble Intercontemporain, Ensemble Modern, Donaueschinger Musiktage, Riccardo Chailly, Felix Heri, Pierre Boulez, Wolfgang Rihm, Mauricio Kagel, Claudio Abbado, Arditti Quartet, Marco Blaauw, Nicolas Hodges

Sendungen SRF 2 Kultur:
neoblog, 1.8.21: Engagement für neue und neuste Musik – Rebecca Saunders composer in residence @ Lucerne Festival 1, Text Gabrielle Weber

Kontext – Künste im Gespräch 26.8.2021: Rebecca Saunders: composer-in-residence Lucerne Festival, Redaktion Annelis Berger

Kultur kompakt Podcast, 30.8.2021 (ab 4:59min): Lucerne Festival Contemporary Orchestra, Redaktion Florian Hauser

Musik unserer Zeit, 22.9.2021, 20h: Rebecca Saunders, Redaktion Annelis Berger

Neue Musik im Konzert, 22.9.2021, 21h: Portraitkonzert Rebecca Saunders 2, u.a. the mouth & skin

neo-profiles:
Lucerne Festival Contemporary Orchestra, Wolfgang Rihm, Lucerne Festival Academy, Lucerne Festival ContemporaryBasel Sinfonietta

 

Out of the box

Oscar Bianchi, künstlerischer Leiter der International Young Composers Academy am Festival Ticino Musica im Gespräch

Out of the box: Oscar Bianchi@Musica viva, München, 2.7.17 © Astrid Ackermann

Gabrielle Weber
Klassische Kompositionen und transdisziplinäre Formate in Verbindung mit Tanz bilden die Eckpfeiler der dritten International Young Composers Academy des Festival Ticino Musica. Für internationale Ausstrahlung sorgen Dmitri Kourliandski und das Ensemble Modern Frankfurt.
Im Interview berichtet Oscar Bianchi über die Ausrichtung der kommenden Edition.

Oscar, vor drei Jahren übernahmst Du vom Gründer Mathias Steinauer die künstlerische Leitung der international Young Composers Academywas sind die Neuerungen die Du einbrachtest?
Seit 2018 laden wir ein arriviertes Spitzenensemble der zeitgenössischen Musik ein. Zudem steht jedes Jahr ein anderes Format im Zentrum. Dieses Jahr ist das Ensemble Modern Frankfurt zu Gast.

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Ensemble Modern?
Ich kenne die Energie und das Comittment des Ensembles durch frühere Zusammenarbeiten, wie bspw. dem Projekt Connect in Frankfurt 2016, das die Beziehung zwischen Komponist, Ensemble und Publikum thematisierte.

“Ich benutze meine eigene Erfahrung als Filter um die richtigen Partner zu engagieren.”

Die Mitglieder des Ensembles haben eine klare musikalische Vision verbunden mit stilistischer Offenheit. Und vor allem: sie sind neugierig darauf, wonach junge Komponierende suchen.

Oscar Bianchi Orango, Projekt Connect ©Ensemble Modern Frankfurt 2016

Was ist das diesjährige Format?
Wir schrieben zwei Kategorien aus: klassische Instrumentalstücke und multidisziplinär Projekte. Es gibt zwei entsprechende Konzerte. Eingegangen sind über 100 Bewerbungen. Zusammen mit Olga Neuwirth, der Juryvorsitzenden, wurden 14 Komponierende aus der ganzen Welt, aus Taiwan, Iran, Süd- und Nordamerika, Europa oder Südafrika ausgewählt. Durch eine Kollaboration mit dem Festival TicinoInDanza erhalten sie die Gelegenheit mit Tänzern und Choreografen zusammen zu arbeiten. Solche Erfahrungen eröffnen neue Perspektiven.

“Es ist wichtig, dass Komponierende “out of the box” denken.”

14 Komponistinnen und Komponisten sind eine grosse Anzahl. Wie muss man sich das gemeinsame Arbeiten vorstellen?
lacht: Dazu kommen noch zehn passive Beobachter. Uns geht es explizit um das Arbeiten als Gruppe. Das kommt der Musik und dem Austausch zu Gute. Elitäres Wettbewerbsdenken mit einem winner ist nicht gefragt.

“Es geht um ein Collective project. Gruppe anstelle Elite”

Es gibt diverse Conferences und Lectures, u.a. mit Dmitri Kourliandski und Gästen wie Katharina Rosenberger oder Michael Wertmüller. Davon profitieren alle. Dennoch: ein besonders gutes Werk bleibt in Erinnerung.

Ensemble Modern &Oscar Bianchi ©Walter Vorjohann

Was für Säle wurden für die zwei Konzertformate gewählt?
Das Klassische Konzert findet im Foyer des LAC (Lugano Arte e Cultura) statt, ein Ort der verschiedene Kunstsparten beherbergt und Begegnungen von Einheimischen und Touristen ermöglicht, das multidisziplinäre Konzert in Mendrisio im Chiostro dei Serviti, in einem Innenhof im Freien.

Bedeutet die Wahl eines Offspaces in Mendrisio nicht auch ein Risiko in Bezug auf das Publikum? Die zeitgenössische Musik-Community im Tessin ist ja eher klein..
Das Konzert ist in das Festival Musica nel Mendrisiotto eingebunden, eine Reihe mit interessiertem Stammpublikum. Die Musik hat eine visuelle Komponente, profitiert vom Zusammenwirken mit anderen Kunstsparten und spricht ein breites Publikum an.

“Neue Musik sollte ein Level playing field werden – das wäre mein Traum.”

Konzert Int. Composers Academy 2018, Mendrisio Museo Vela ©Ticino Musica

Hast Du eine weitere Vision für die Composers Academy – wo siehst Du ein Entwicklungspotenzial?
Dank der Unterstützung der Art Mentor Foundation Lucerne konnten wir ein Spitzenensemble einladen und Scholarships vergeben. Meine Vision wäre, die Akademie inklusive Reise und Unterkunft kostenfrei anzubieten, damit die Teilnahme gleichberechtigt allen offen stünde. Die Neue Musik ist Teil eines Systems das Ausschluss schafft. Ich möchte solche Diskriminierung unterbrechen.
Interview Gabrielle Weber

Festival Ticino musica, erwähnte Konzerte:
27 Luglio 2019, 18:00, Ticino Musica, Mendriso, Chiostro dei Serviti
28 Luglio 2019,  21:00, Ticino Musica, Lugano, LAC

Kooperation mit:
Musica nel Mendrisiotto, TicinoInDanza

neo-profilesOscar BianchiEnsemble Modern, Ticino Musica, Mathias Steinauer, Katharina Rosenberger