Entdecken! so lautet ein neoblog-Vorsatz fürs neue Jahr. Immer wieder portraitiert der neoblog etwas Besonderes aus dem wachsenden Pool an neo-Profilen. Den Einstieg bildet Dominik Grenzler aka An Moku. Mit Grenzler unterhielt ich mich zwischen den Jahren.
Gabrielle Weber
Grenzler aka An Moku ist -nicht nur- seit dem ersten Shutdown- enorm produktiv. Seiner Musik kam die Zeit des Innehaltens fast organisch entgegen. Denn sie verbindet Naturklang mit Urbanem. Grenzler der naturverbundene Elektro-Soundtüftler, nutzte die Zeit des ersten Shutdowns für neue Kollaborationen. Und er setzte Field Recordings ein, Aufnahmen aus seinem Umfeld, aus der Natur, dem Alltagsleben, von vergangenen Reisen.
In kürzester Zeit entstanden in Folge gleich drei neue CDs
“Für die Kollaborationen während des Shutdowns habe ich Field Recordings aus meiner grossen Sammlung verwendet. Ich nehme sie überwiegend auf meinen Reisen auf. Sie sind eine Art Reisetagebuch. Da ich nicht physisch unterwegs sein konnte, reiste ich online nochmals mit ihnen. Und dazu erkundete ich digital Ungeahntes “.
Grenzler stammt ursprünglich aus Gdynia, Polen, und es verschlug ihn jung nach Deutschland, in den Ruhrpott. In der dortigen Club- und Popszene machte er sich zunächst als E-Bassist einen Namen, bevor er sich vor einigen Jahren für die neue Wahlheimat Zürich entschied. Mit An Moku, seinem Pseudonym für experimentelle Musik, entstanden dann im Nu diverse Zusammenarbeiten mit hiesigen Musikschaffenden. Und neue sind geplant, bspw. mit der Bassistin Martina Berther.
An Moku & Frederik Vanderlynden, Mirror / Of Mirrors, 2020
Die CD ‘Of Mirrors‘ entstand bereits 2012, als Zusammenarbeit mit dem belgischen Klangkünstler Frederic Vanderlynden aka Virlyn, auf der Basis von Field Recordings aus Island. Das Album ruhte zunächst in der Schublade und nahm erst mit der Zusammenarbeit mit den Schweizer Musikern Cornelia Stromeyer, Piano, Oriana Zänerle, Geige und Jacki Knöpfel, Cello eine endgültige Form an. “Die CD spiegelt eigentlich eine Reise in die Vergangenheit”, meint Grenzler.
An Moku & Frederik Vanderlynden, Frost / Of Mirrors, 2020
Of Mirrors bietet einen enormen, äusserst subtilen Farbenreichtum.
Flirrend, knisternd steigt der erste Track ein. Minimal tonal changierende Klangteppiche, repetitive Patterns brechen allmählich das elektronische Flimmern. Und immer wieder evozieren Instrumentalklänge vermeintlich konkrete, dennoch unbestimmte Orte.
Grenzler vermittelt in Of Mirrors Stimmungen fast mit einem filmischen Ansatz: es entstehen Bilder im Kopf, vage Landschaften, Weite und Ferne.
Um Musik, die Bilder evoziert, geht es auch bei der CD von An Moku mit Joel Gilardini.
Die Gelegenheit zur Zusammenarbeit ergab sich durch Grenzlers Einladung zum zehnten ‘Marathon des Zelluloids’ im Dezember 2019 in Zürich. Ein Stummfilmfestival mit Soundtracks, gespielt als Live-Performances.
An Moku & Joel Gilardini, 2020
Die CD basiert auf gemeinsamen Improvisations-Sessions seit Herbst 2019, bei denen die beiden ihren gemeinsam Ton gefunden hätten, meint Grenzler, unabhängig vom konkreten Film. Dieser sei erst kurz vor dem Festival bekanntgegeben worden: drei Kurzfilme der US-amerikanischen Avantgarde-Filmemacherin Maya Deren aus den vierziger Jahren. Dazu Grenzler: “Maya Deren dient zwar als ein Soundtrack. Aber eigentlich entstand eine Art Kopfkino”.
Auch die Stücke dieser CD kommen unbestimmt, fast mysteriös daher und lassen Raum für die eigene Imagination. Bspw. tragen die Tracks keine Titel, nur rätselhafte Nummerierungen: 5 – 11.2 – 2 – 13 – 8 – 11.1 – 10, geben also keinen inhaltlichen Anhaltspunkt.
“Gerade eben ist das Album von dem Musik-Blog «Post Ambient Lux» zu den Top 100 Ambient-Alben 2020 ernannt worden”, freut sich Grenzler.
Auf dem jüngsten Album ‘Where We Meet‘ trifft Grenzler auf den belgischen Gitarristen Stijn Hüwels. Where We Meet entstand während des Lockdowns im Frühling, zwischen Zürich und Leuven, und ist die erste Zusammenarbeit zwischen Grenzler und Hüwels.
An Moku & Stijn Hüwels, Where we meet, 2020
“Das Album ist voll von mikroskopischen Field Recordings. Mir reichen meist ein paar wenige Sekunden, um dem musikalischen Kontext eine interessante farbliche Nuance, gar Wendung zu verleihen. Mit der heutigen Technik im Gepäck klingt sogar ein Specht im Wald fremd..”, sagt Grenzler dazu.
Atonale Verrücktheit und imaginierte Welten
“Früher machte ich Rock und Pop. Heutzutage interessiere ich mich weniger für harmonische Melodien, sondern mehr für Stimmungen”, so Grenzler und beschreibt die Musik von An Moku selbst als “atonale Verrücktheit”, und seine musikalischen Genres mit “Experimental Music, Dark Ambient, Drone, Soundtrack”.
An Moku, das Alter Ego, stammt aus dem Japanischen und bedeutet: “tacit, unsaid, implicit”, umfasst also das, was nicht genau in Worte gefasst werden kann oder soll. Das was mitschwingt oder sich von selbst versteht. Und genau das macht das Geheimnis von An Moku aus.
An Moku evoziert ferne Welten, sei es geografisch oder zeitlich, und lässt der eigenen Imagination Raum. Und entsprechend sind die CD-Covers von einer japanisch minimalistischen Ästhetik geprägt: schwarz-weisse bis tiefblaue, meist eigene Fotografien Grenzlers, darauf Landschaften, vereinzelte unkenntliche Menschen. Das bestätigt er: “Der Minimalismus zieht sich bei mir durch alles durch – Ob Klang- oder Bild. Am liebsten würde ich Musik nur aus einem einzigen Element bestehend machen”.
Vorerst erscheint aber anfangs 2021 ein weiteres Album aus der Shutdownphase zusammen mit Stefan Schmidt aus Deutschland auf Karlrecords und im Frühling ein minimalistisches Bass-Gitarren-Solo-Album auf dem New Yorker Label Puremagnetik.
Gabrielle Weber
Of Mirrors: Kooperation zwischen dem von Grenzler gegründeten Zürcher Label EndTitels und dem britischen Label Audiobulb.
An Moku und Joel Gilardini: erschienen auf dem japanischen Label Bullflat3.8.
Where We Meet: erschienen auf dem britischen Label Slowcraft Record
An Moku, Martina Berther, Maya Deren, Stijn Hüwels, Joel Gilardini, Frederic Vanderlynden aka Virlyn, Marathon des Zelluloids, Stefan Schmidt, Karlrecords, Puremagnetik, «Post Ambient Lux»
Neo-Profiles
An Moku, Martina Berther, Joel Gilardini