Fritz Hauser, Perkussionist und Komponist erhielt einen der Schweizer Musikpreise 2022. Florence Baeriswyl traf ihn zum Gespräch.
Florence Baeriswyl
Fritz Hauser, die Schweizer Musiklandschaft haben Sie seit langem mitgeprägt. Gab es schon Momente, in denen Sie das alles hinschmeissen wollten?
Ja, solche Momente gibt es immer wieder. Es hat viel weniger mit der Musik zu tun, als mit den Umständen. Es ist ein steiniger Weg, wenn man als selbständig erwerbender, freischaffender Künstler unterwegs ist. Manchmal sehnt man sich nach einer schön geregelten 5-Tage-Woche mit bezahlten Ferien. Aber: es ist ein grandioser Beruf und ich mache ihn wahnsinnig gerne.
Was hält sie in diesen Momenten an der Musik?
Ich bin ein verkappter «Synästhetiker». Ich interessiere mich enorm für andere Ausdrucksformen, sei es Malerei, Tanz, Film, Fotographie, oder Literatur. Ich sehe es ein bisschen wie der englische Regisseur Stanley Kubrick: Nichts ins inspirierender als Inspiration. Wenn ich wirklich nicht mehr weiterweiss, gehe ich ins Kino oder ins Museum oder lese ein Buch und dann fällt mir immer wieder etwas ein.
Perkussion ist Freiheit
In Ihrer Musik haben sie stehts den Austausch gesucht. Bei dem Projekt «Chortrommel», zum Beispiel, singen zwei Chöre zusammen mit Perkussion. Warum haben Sie sich für Chöre entschieden?
Das Schlagzeug ist ein sehr abstraktes Instrument. Es ist ein freies Feld, wo man mit Geräuschen und Klängen und Obertönen arbeiten kann, da die Trommeln und Becken keine Konnotation zu Melodie und Harmonie haben. Die Stimme kann sich gut anpassen und in dieses Feld eintauchen – dabei entstehen spannende Klangsymbiosen.
Perkussion ist also Freiheit?
Unbedingt. Ich kann auf Kleinstinstrumenten spielen, aber ich kann mir auch ein riesiges Instrumentarium zusammenstellen. Ich kann mich über freie Formen der Musik bis zu ganz klassischen Formen bewegen. Ich kann rhythmisch oder klanglich spielen, ich kann abstrakte Geräusche machen. Kurzum: ich kann aus allem schöpfen, was sich anbietet.
Die Klangflächen, von denen Sie sprechen, werden bei manchen Projekten sehr gross. Bei einer Kollektivperformance im Luzerner KKL, «Schraffur», haben 100 Teilnehmende mit Schlagzeugstöcken und Essstäbchen das Gebäude beschallt. Was gefällt Ihnen an solchen Grossformationen?
Ich liebe es, in grösseren Formationen zu arbeiten, denn der Klang wird immer abstrakter. Ich finde drei Schlagzeuge schon interessant, aber 50 Schlagzeuge sind spektakulär. Dazu kommt, dass ich gerne die Zusammenarbeit mit verschiedenen Arten von Ensembles suche. Ich fühle mich von verschiedenen Altersklassen und Kulturkreisen inspiriert.
“Für mich geht es primär um Reduktion.”
Sie sind aber oft auch fast ein Minimalist. Ist das nicht ein Gegensatz?
Ich habe Stücke geschrieben, die minimal sind, aber ich zähle mich nicht zu den Minimalisten. Für mich geht es primär um Reduktion. Es ist eine Art ‘Eindampfen.’ Das ist eher minimal maximal: Ich versuche aus kleinen Dingen das Grösste rauszuholen, und dadurch Klangflächen zu gestalten, die zeitlos sind.
Fritz Hauser, Schraffur für Gong und Orchester, Basel Sinfonietta, UA Lucerne Festival 2010
Der Raum als Partner der Musik
Ihr Soloprojekt «Spettro» nennen Sie «Eine Geisterverschwörung für Schlagzeug.» Was hat es damit auf sich?
Seit über 30 Jahren besitze ich ein Haus in Italien, welches in der Nachbarschaft «La casa delle masche», also «Das Geisterhaus» genannt wird. Glücklicherweise machen mir die Geister nichts, sie inspirieren mich eher. Zusammen mit der Regisseurin Barbara Frey haben wir für dieses Projekt die Energie des Hauses genommen, um eine Art Schlagzeug-Ritual entstehen zu lassen. Wir haben uns mit den Geistern verschwört, um die Art von Musik zu machen, welche die Geister wahrscheinlich in meiner Abwesenheit spielen.
«Spettro» haben sie später auch im Konzertsaal von Zaragoza aufgenommen – der hat einen besonderen Klang. Was verbindet in Ihren Augen die Musik mit dem Raum?
Der Raum ist der Partner in der Musik. Vor vielen Jahren habe ich als Schlagzeuger in einer Rockband angefangen. Damals haben wir versucht, unsere Klangästhetik den Räumen aufzuzwingen. Als ich dann begonnen habe, solo zu spielen, wurde mir klar: ich kann den Raum nicht bezwingen, sondern der Raum spielt mit. Besonders gefällt es mir, wenn der Raum hallt. Ich habe in Kirchen und Kathedralen gespielt, sogar in Parkgaragen. Aber auch eine kleine Telefonkabine kann interessant sein.
Fritz Hauser, Spettro – Solo für Schlagzeug, Fritz Hauser Schlagzeug, Regie Barbara Frey, Licht Brigitte Dubach, Ausschnitt, UA Lucerne Festival 2018
Mit dabei in Zaragoza war der Architekt Boa Baumann. Mit ihm arbeiten und reisen sie schon lange zusammen – sie haben zum Beispiel zusammen Ihr Haus in Italien designt.
Mit Boa Baumann verbindet mich eine lange Freundschaft und eine Gemeinsamkeit in Ästhetik und verschiedensten Fragen der Kultur. Seit gut 30 Jahren arbeiten wir zusammen und versuchen, jenseits der professionellen Kompetenz die Inspiration wirken zu lassen. Das heisst, ich mische mich in seine Projekte, er mischt sich in meine. Ich lasse mich von seiner Idee von Raum und Zeit und Gestaltung inspirieren.
Zum Beispiel?
Vor einigen Jahren habe ich ein Soloprogramm angedacht, bei dem ich mit vielen Becken arbeiten wollte. Als Schlagzeuger stellt man normalerweise seinen Stuhl hin und arrangiert die Instrumente einfach im Kreis um sich herum. Boa hat das gar nicht gefallen. Er schlug vor, auf einem acht Meter langen Tisch eine Becken-Landschaft zu bauen. Das sah aus wie eine Skyline von einer amerikanischen Grossstadt. Ich konnte räumlich ganz anders denken und die Dynamik der Körperbewegung einbringen. Dadurch ist eine andere Musik entstanden.
Nebst dem Raum habe Sie sich auch viel mit Licht beschäftigt. Brigitte Dubach, die Emmentaler Lichtgestalterin, begleitet oft ihre Projekte. Wie passen die Musik und ihr Licht zusammen?
Wenn Brigitte mit Lichtdesign meine Programme begleitet, dann ist sie wie eine Musikerin, die mitspielt. Sie hat ein unglaubliches Gefühl für Farben und Verläufe von einer Stimmung in die andere. Das passt sehr gut zu mir, denn ich habe eine metamorphische Art, Schlagzeug zu spielen: etwas entwickelt ins andere und aus dem anderen entwickelt sich wieder was Neues. Besonders bei improvisierten Ansätzen muss Brigitte die Musik natürlich mitfühlen und entsprechend mit ihrem Licht Einfluss nehmen. Das macht sie auf wunderbare Art und Weise.
Woran arbeiten Sie im Moment?
Jetzt habe ich gerade eine Aufführung gemacht mit einer Weiterentwicklung meines Projektes «Point Line Area». Das habe ich letztes Jahr an der Ruhrtriennale realisiert mit 53 Schlagzeuger, verdichtet auf «nur» noch 20. Dafür haben wir zwölf Sängerinnen dazu komponiert. Dann geht es weiter Richtung kleinere Konzerte. Ich spiele am ‘überschlag’, einem internationalen Festival für Schlagzeug in Hannover Ende des Sommers ein Duo-Konzert – zusammen mit Johannes Fischer, einem Kollegen aus Deutschland. Wir dürfen eine Kirche bespielen und uns auch Zeit lassen, um verschiedene Experimente zu machen. Dieses Jahr werde ich noch verschiedene grössere Projekte realisieren, ich bin aber auch schon am Planen fürs nächste Jahr. Wenn alles klappt, dann bin ich nach wie vor sehr beschäftigt – obwohl ich ja offiziell schon schwer im AHV-Alter herumstiefle.
Florence Baeriswyl
überschlag – internationales Schlagzeug Festival 17.-21.8.22, Hannover und Niedersachsen
19.8.22, 22h: Performance Anima Fritz Hauser und Johannes Fischer
20.8.22: Meisterkurs Improvisation mit Fritz Hauser
Boa Baumann, Brigitte Dubach, Barbara Frey, Ruhrtriennale, Johannes Fischer
Sendung SRF 2 Kultur:
Kultur Kompakt, 20.8.18: Inszeniertes Konzert von Fritz Hauser beim Lucerne Festival, Moderation Irene Grüter
Neoprofil: Fritz Hauser