Freundlicher Komponist düsterer Geschichten

Der britische Komponist und Dirigent George Benjamin wurde 2023 mit dem Ernst von Siemens Musikpreis geehrt. Seine schwärzeste Oper Lessons in Love and Violence dreht sich um das historische Männerpaar Edward II. und Piers Gaveston. Ab diesem Wochenende ist sie in einer Neuproduktion am Opernhaus Zürich zu sehen. Moritz Weber interviewte Benjamin vor der Premiere.

Moritz Weber
Der 63-jährige George Benjamin ist sehr gut gelaunt, scherzt und ist sehr freundlich, als ich ihn per Videokonferenz bei sich zuhause erreiche. Im Hintergrund zwitschern die Vögel, die Sonne scheint ihm ins Gesicht.

 

Portrait George Benjamin © Maurice Foxall / zVg Contrechamps

 

Die Opern, die er komponiert und für die er unter anderem berühmt ist, sind jedoch alles andere als freundlich. Im Gegenteil: In seinem ersten Welterfolg Written on skin (2012) serviert der betrogene Ehemann seiner Frau zum Schluss das Herz ihres Geliebten zum Essen. Und seine nächste abendfüllende und ebenso umjubelte Oper Lessons in Love and Violence (2018) ist ein fesselndes Mittelalter-Drama rund um den einstigen englischen König Edward II. und seinen Geliebten Gaveston, die beide Opfer eines Komplotts wurden.

Schon als Kind träumte Benjamin davon, Opern zu komponieren, und er erdachte sie für sich in seinem Kopf. Waren die Themen für diese Fantasieopern auch schon so brutal? «Ja, ich fürchte sie waren sehr brutal. Ich mochte dramatische und gefährliche Geschichten, und ich hatte als kleines Kind keine Angst vor Dunkelheit in der Kreativität». Seine ersten Lieblingsopern des Repertoires waren denn auch Wozzeck, Elektra, Salome und La damnation de Faust – mit Mozarts Zauberflöte konnte er nicht viel anfangen, und mit Rossini hat er bis heute Probleme. «Das war mir zu nett und zu wenig beängstigend».

Seine Inspiration damals war ein bebildertes Buch mit alten Mythen und Legenden, von Herkules und Pegasus bis zum Rattenfänger von Hameln (letztere Geschichte wurde schliesslich zum Stoff seines ersten Bühnenwerks, der kurzen Zwei-Personen-Kammeroper Into the little hill (2006). «Ich bin sehr für Fröhlichkeit und für Harmoni zwischen den Menschen, aber im Theater braucht es Spannung, Drama, Mysteriöses und möglicherweise auch Dunkles».

König Edward II. vernachlässigte sein Volk und seine politischen Geschäfte, er gab lieber Geld aus für Kunst und Musik und war Piers Gaveston vollkommen verfallen. Es war George Benjamin wichtig, einmal eine Oper mit einem homosexuellen Paar im Zentrum zu schreiben, «und die grösste Herausforderung war eine technische: Wie schreibt man in einer modernen Klangsprache für ein Paar von zwei Baritonen?»

Überhaupt gibt es in der Operngeschichte bislang kaum Vorbilder für Männer-Liebespaare, abgesehen etwa von den Opern Brokeback Mountain (Charles Wuorinen, 2014) oder Edward II (Andrea Lorenzo Scartazzini, 2017).

In diesen beiden Werken singen die Geliebten allerdings in den Stimmlagen Bariton und Tenor. Auf die Frage, ob er in die Komposition dieser Männerliebe auch Autobiographisches eingebracht habe antwortet Benjamin: «Das müssten sie meinen Partner Michael Waldman fragen, aber soweit ich weiss nicht. Das Leben heute in West-London ist aber auch viel friedvoller als damals in jenem Palast, wo die Oper spielt», sagt er und lacht.

Benjamin sind einige eindringliche Szenen zwischen Edward und Gaveston gelungen, in welchen sich Liebe und Gewalt teils auch vermischen. Zwei Handlese-Szenen etwa (Szenen 3 und 6), die eine Achse durch das ganze Stück bilden. Sie sind mit fast rituellen Klängen von Perkussionsinstrumenten aus aller Welt untermalt: Von zwei persischen Tombaks, einer afrikanischen Sprechtrommel und zwei karibischen Tumbas. Dazu kommt das mitteleuropäische Cymbalon, «denn meine Idee war es, dass Musik aus der ganzen Welt erklingt, während Gaveston aus der Hand des Königs liest. Es sollte wie ein Fenster zum Übernatürlichen sein.»

 

 

Eine weitere Schlüsselszene spielt sich kurz darauf im Theater ab. Dort lädt die betrogene Königin Isabel Edward und Gaveston zu einem «Entertainment» ein, zu einer Unterhaltung. Damit will sie den Putsch in die Wege leiten. Die Musik ist vielschichtig, denn das, was auf der Bühne gezeigt wird, soll sich von dem, was sich zwischen den Protagonist:innen abspielt, abheben und gleichzeitig damit harmonieren. Das Bühnenstück dreht sich um die alttestamentliche Liebesgeschichte zwischen David und Jonathan, ebenfalls ein Männerpaar, und Gaveston soll mit dieser Aufführung becirct werden. «Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um diese Szene zu schreiben: Im Theater auf dem Theater singen hohe Stimmen in einer eigenen Textur und Klangfarbe, hinzu kommt der versteckte Hass und das Unbehagen». Sie kulminieren schliesslich und Gaveston wird gegen den Willen des Königs verhaftet. Am Ende der Oper lädt schliesslich der Thronfolger seine Mutter Isabel zu einem Entertainment ein, in welchem er das Komplott gegen seinen Vater auf die Bühne bringt und ihren Komplizen und Geliebten ermorden lässt. Edwards Sohn hat also seine Lektionen in Liebe und Gewalt gelernt.

Auch für diese seine bisher finsterste Oper hat George Benjamin intensiv mit den Sänger:innen der Uraufführungsproduktion am Royal Opera House zusammen gearbeitet. «Sie alle kamen zu mir nach Hause, ich habe sie am Klavier in Liedern und Opernarien begleitet, ihnen viele Fragen zu ihren Stärken und Schwächen und zu ihren musikalischen Vorlieben gestellt». Die Rollen sind Stéphane Degout, Gyula Orendt und Barbara Hannigan auf den Leib geschrieben, aber selbstverständlich nicht ausschliesslich für sie. «Ich liebe es und bin gespannt, welche eigenen Timbres und Charakteristika andere Sänger:innen in diese Rollen einbringen. Es ist mir aber wichtig, dass sie alle Töne klar und am richtigen Platz singen, mit wenig Vibrato. Denn ich habe sie sehr sorgfältig auf die Orchesterklänge abgestimmt.»

 

George Benjamin, Martin Crimp und Barbara Hannigan im Gespräch zur Uraufführung von Lessons in love and violence im Royal Opera House 2018

 

Das Libretto stammt wie auch bei seinen anderen Bühnenwerken vom Dramatiker Martin Crimp. Wenn er ihn nicht getroffen hätte, hätte er wahrscheinlich nie eine Oper komponiert, sagt Benjamin, «ich wartete 25 Jahre um ihn zu finden. Alle Versuche mit anderen Librettisten scheiterten». Nun sind sie ein eingespieltes, kongeniales Team, vielleicht ähnlich wie einst Da Ponte und Mozart, Hofmannsthal und Strauss. Denn auch Crimp und Benjamin verbinden gemeinsame ästhetische Prämissen: Eine sehr klare und konzise (Ton-)Sprache sowie Kraft – oder Gewalt – im Ausdruck. «Er setzt die Worte sehr genau und intendiert; er ist ein Perfektionist, so wie ich es beim Komponieren auch zu sein versuche», sagt der Siemens-Musikpreisträger bescheiden.

 

Märchenhaftere neue Oper

George Benjamins viertes Bühnenwerk wird diesen Sommer am Opernfestival in Aix-en-Provence uraufgeführt, er selbst wird dirigieren. Picture a day like this wird weniger dunkel sein als Lessons, verrät er: «Martin Crimp und ich wollten etwas anderes machen, auch um uns selbst zu erfrischen. Diese Oper ist kürzer und auch kleiner besetzt, fünf Protagonist:innen anstatt acht, im Orchester 22 anstatt 70 Musizierende».

 

Hier geht es um eine Suche: Eine Frau verliert ihr Kind und soll an einem einzigen Tag eine Person finden, die vollkommen glücklich ist. Als ihr das nicht gelingt, wendet sie sich an eine Zauberin. «Ich liebe Instrumente, die eigentlich nicht zum klassischen Orchester gehören, und verwende auch in Picture a day like this ein paar davon, zum Beispiel Tenor- und Bassblockflöten.» In dieser neuen und auch kürzeren Oper ist die Protagonistin die ganze Zeit auf der Bühne, was ebenfalls ein Novum ist für Benjamin und Crimp. Die Personen, welchen sie begegnet, sind hingegen ganz unterschiedlich charakterisiert. Mehr verrät er noch nicht: «Mir wäre es lieber, wenn das Publikum das ohne meine Worte entdecken würde».
Moritz Weber

 

Portrait George Benjamin © Rui Camilo zVg. EvS. Musikstiftung

 

Opern George Benjamins:
Into the little hill (2006), Written on skin (2012)

George Benjamin, Charles Wuorinen, Stéphane Degout, Barbara Hannigan, Martin Crimp

Partituransicht Lessons in Love and Violence bei Faber Music

Neuproduktion Opernhaus Zürich: 21.Mai -11.Juni 2023 (musikalische Leitung Ilan Volkov, mit: Ivan Ludlow/Lauri Vasar als König, Björn Bürger als Gaveston und Jeanine De Bique als Isabel.

Festival Aix-en-Provence, George Benjamin, Picture a day like this, UA 5.-.23.Juli 2023

Sendungen SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 17.5.23, 20h/ 20.5.23., 21h: Drama um den schwulen Edward II. George Benjamins düsterste Oper, Redaktion Moritz Weber.
Musikmagazin, 20./21.5.2023: Kurzportrait George Benjamin, Redaktion Moritz Weber.

Neo-Profile:
Contrechamps, Opernaus Zürich, George Benjamin, Andrea Lorenzo Scartazzini

 

 

Klirrende Kälte und heisses Feuer tanzen

Helmut Lachenmann zu Gast an der Zürcher Hochschule der Künste und im Opernhaus Zürich

Helmut Lachenmann ©Klaus Rudolph, CC BY-SA 4.0

Corinne Holtz
Helmut Lachenmann, einer der bedeutendsten Gegenwartskomponisten, schreibt mit 62 Jahren seine erste Oper und landet mit der Uraufführung 1997 den grössten Erfolg seines Lebens. Der Avantgardist und Schüler von Luigi Nono, der von den Orchestern gefürchtete Geräuschkomponist, das „Opfer“ aus Darmstadt, wie er schmunzelnd sagt, greift sich das Andersen-Märchen Das Mädchen mit den Schwefelhölzern. Den Blick lenkt er auf die sozialkritische Botschaft des Stoffes.

Lachenmann liest das Märchen als Parabel auf die Eiseskälte postkapitalistischer Gesellschaften und bricht die Erzählung mit Texten von Leonardo da Vinci und Gudrun Ensslin. Die Geschichte: Ein Mädchen versucht am Silvesterabend vergeblich ein Bündel Streichhölzer zu verkaufen. Schliesslich entzündet es selbst die Hölzchen und erfährt im „Ritsch“ des Aufflammens für einen Augenblick die Wonne bürgerlicher Wärme. Das Mädchen erfriert, die tote Grossmutter nimmt es mit in den Himmel.


Interview mit Helmut Lachenmann über Das Mädchen mit den Schwefelhölzern
Ruhrtriennale, Jahrhunderthalle Bochum 2013

Keine Geschichte sondern “meteorologische Zustände”

Lachenmann versteht Schönheit als „Verweigerung des Gewohnten“ und Musik als „befreite Wahrnehmungskunst“. Sie beginnt bei der Erzeugung von Klang und den dazu nötigen Anstrengungen. Acht Hörner setzt Lachenmann in seiner Oper ein. „Diese acht Hörner sind ein einziges Instrument. Es geht um ein neues Hören. Dafür muss ich den Blick auf das Melodiöse erst einmal suspendieren.“ Von den Musikern verlangt er zum Beispiel Flatterzungen, Luftgeräusche, Ventilklappern sowie Schwebungen. Dieser akustisch reizvolle Effekt entsteht durch Überlagerungen zweier Schwingungen, die sich in ihrer Frequenz nur leicht unterscheiden. Und er geht noch einen Schritt weiter. Den Griff zur Oper bezeichnet Lachenmann gar als „Vorwand, um für Singstimmen zu schreiben“. Dabei erzählt die Musik keine Geschichte, sondern stellt „meteorologische Zustände“ dar. Das Mädchen ist von klirrender Kälte umgeben und spürt für einen Moment heisses Feuer.

Lachenmanns gestische Musik ist im Kern theatralisch. Wer sie live erlebt, kann vielbeschäftigte Interpreten und Interpretinnen beobachten und sich dabei seine eigene Szenerie erfinden. Die Transformation dieser Aktionen in die Kunstform Ballett ist eine Herausforderung. Wie lässt sich eine Choreografie jenseits der Bebilderung erfinden, die der Musik und ihren Akteuren Raum lässt?


Helmut Lachenmann, Das Mädchen mit den Schwefelhölzern, Opernhaus Zürich 2019, Trailer

Die Neuproduktion des Mädchen mit den Schwefelhölzern steht im Zentrum des dreitägigen Symposiums, das die Zürcher Hochschule der Künste in Kooperation mit dem Opernhaus Zürich ausrichtet, und ist Ausgangspunkt für eine interdisziplinär angelegte Befragung von Lachenmanns Werk. Der Musikforscher Hans-Ulrich Mosch beleuchtet Nonos Schatten, die Musikjournalistin Julia Spinola die Zugänge bisheriger Inszenierungen, die Tanzwissenschafterin Stephanie Schroedter die Umsetzung der Partitur in Bewegung. Schliesslich setzen sich der Komponist und sein Choreograf Christian Spuck mit der Komponistin Isabel Mundry an den runden Tisch und diskutieren Chancen und Grenzen der Zürcher Neuproduktion.

“Kann ein Adorno-Schüler happy sein beim Komponieren?”

Lachenmanns utopisches Musikdenken ist aus der Zeit gefallen und vielleicht gerade darum von hoher Dringlichkeit. Ausserdem weiss der Komponist seine Überzeugungen mit Humor über die Rampe zu bringen. Kann ein Adorno-Schüler happy sein beim Komponieren, fragte ihn einst der Kollege Hans Werner Henze. „Nein. Happy war ich nie, aber glücklich.“ Wie es mit dem Glücksgefühl nach der Premiere der Neuproduktion stehen wird? „Jede Aufführung ist ein Abenteuer mit unbekanntem Ausgang.“
Corinne Holtz


Helmut Lachenmann, Allegro sostenuto 1986/88, interpretiert vom Trio Caelum

Das ‘Wochenend-Festival’ zu Helmut Lachenmann mit Symposium sowie Porträt- und Gesprächskonzerten findet vom 8. Bis zum 10. November 2019 statt.

ZHdK: Zu Gast: Helmut Lachenmann: Tagung / Konferenz / Symposium, 8.-10.11.19

Opernhaus Zürich: ‘Das Mädchen mit den Schwefelhölzern‘, 12.10.-14.11.19

neo-Profiles: ZHdK, Philharmonia Zürich, Basler Madrigalisten

Pling! Plong! Brrr!

Michael Pelzel

Der Ostschweizer Komponist Michael Pelzel feilt fürs Opernhaus Zürich an der Vollendung seiner ersten Oper. Im Interview mit Bjørn Schaeffner spricht er über Gratwanderungen, Nullenergiezustände und die gewisse Lockerheit, die es bei der Arbeit braucht.

Michael Pelzel, wie läuft das Leben?  
Es ist grad alles sehr hektisch. Ich bin gerade am Limit. Und arbeite im Moment von zuhause aus.

Sie stecken im Schlusspurt für ihre Oper «Last Call».
Zum Glück kann ich mich auf eine tolle Equipe verlassen. Es ist ja ein Gemeinschaftswerk. Als Opernkomponist muss man immer auch auf die anderen Künste eingehen.

Gab es Diskussionen?
Nur in einem Punkt. Ich hatte mir für den «Last Call» einen traumwandlerischen Schlusspunkt ausgemalt. Eine Art Schwerkraft-Song, der etwas an einen Kirchenchoral erinnert, aber auch ein wenig wie man es vom Vokalquartett  Manhattan Transfer kennt. Der sollte am Schluss dramaturgisch einen Nullenergiezustand herstellen. Aber meine Partner Chris Kondek und Jonathan Stockhammer fanden, dass das schon früher eingelöst wird, und es diesen Moment nicht nochmals zum Ende der Oper braucht. Das hat mich letztlich überzeugt.
 
Wie entstand die Idee zu «Last Call»?
Der Luzerner Autor Dominik Riedo kam auf mich zu. So haben wir den Stoff gemeinsam entwickelt. In einem inspirierenden Ping-Pong. Riedos Text hat sich meiner Musik angenähert und verwendet eine lautmalerische Sprache. Sie ist schon fast Comic-artig. Pling! Plong! Brrr!

In «Last Call» geht es darum, dass die Menschheit endgültig die Kontrolle über die Kommunikationsmedien verliert und darum auf einen fernen Planeten übersiedelt.
Sie kennen das sicher auch – ich erlebe es auf jeden Fall tagtäglich. Kaum hast Du 30 Mails abgearbeitet, ist das Postfach schon wieder voll. Auf allen möglichen Kanälen wird man bombardiert. Und dann sind da die Techgiganten wie Amazon oder Google, die immer mehr über unser Leben wissen. Das stimmt einen schon nachdenklich.

Im Programmtext lesen wir, die Oper sei grotesk-überspitzt.
Ja, es soll skurril werden, irgendwo zwischen «Die Physiker» von Dürrenmatt oder «Le Grand Macabre» von György Ligeti. Ich bin da auch ein bisschen von Christoph Marthaler inspiriert, bei dessen Inszenierungen man öfters auch nicht weiss: Ist es jetzt ernst gemeint? Oder ist das ein Witz? Ich mag solche Gratwanderungen.

Michael Pelzel, Last Call, UA 28.6.19, Opernhaus Zürich ©Herwig Prammer

Wie sind sie «Last Call» kompositorisch angegangen?
Viele Komponisten sind schon am Vorhaben verzweifelt, dass sie alle musikalischen Parameter aufeinander abstimmen wollten. Man muss mit einer gewissen Lockerheit ans Werk gehen. Und bei einer Länge von 90 Minuten kannst du nicht alles neu komponieren. Ich habe also alte Motive weiterentwickelt und vertieft.

Und natürlich mehr in Richtung Theater gearbeitet. In der zeitgenössischen Oper stört mich, dass da diese latente Tragik in allen Dingen steckt. Eine schon fast klischeehafte Tiefgründigkeit. Dem wollte ich entgegen wirken. Ich habe mir erlaubt, hie und da etwas frecher zu sein.

Frecher?
Wir haben zum Beispiel die Melodie von der «Sendung mit der Maus» leicht abgewandelt. Das ist natürlich nichts Neues. Das hat schon Mozart gemacht: Dieses Variieren innerhalb der eigenen Musiksprache. Oder Wagner, der plötzlich überraschend Barockes anklingen liess.

Worauf darf man sich als Besucher freuen?
Ich bin selbst gespannt, wie das alles zusammenkommt. Das Kind muss selbst laufen lernen. Aber man darf sicher auf die Videokunst von Chris Kondek gespannt sein. Toll, wie er mit ganz wenigen Mitteln eine trashige Pop-Art in die Oper zaubert. Und das Bühnenbild von Sonja Füsti, das die Videokunst sehr gut zur Geltung bringt. Und auch die Kostüme von Ruth Stofer. Eigentlich alles. Wie ich schon sagte: es ist ein Gemeinschaftswerk.
Interview Bjørn Schaeffner

Michael Pelzel, Last Call, UA 28.6.19, Opernhaus Zürich ©Herwig Prammer

Opernhaus ZürichMichael Pelzel

SRF-Sendungen
29.Juni 2019: “Musikmagazin“, Kaffee mit Michael Pelzel (auch als Podcast)
1. Juli 2019, “Kultur-Aktualität“: Bericht zur Premiere; “Kultur Kompakt 

neo-profiles:Michael Pelzel, Opernhaus Zürich, Jonathan Stockhammer, Philharmonia Zürich