Marianthi Papalexandri-Alexandri und die Unabhängigkeit der Objekte

Die Arbeiten von Marianthi Papalexandri-Alexandri faszinieren das Ohr wie das Auge gleichermassen. Ihr Werk besteht aus einer Vielzahl von Objekten, Klanginstallationen und Performances und überrascht durch Einfachheit und Eleganz seiner Funktionsweise. Alexandre Babel unterhielt sich bei einem Treffen mit der Künstlerin über die intime Beziehung der Objekte zum Klang in ihren Arbeiten.

 

Portrait Marianthi Papalexandri-Alexandri made available by Marianthi Papalexandri-Alexandri

 

Alexandre Babel
Sobald man den Ausstellungsraum betritt, füllt eine Klangkomposition, bestehend aus einer Vielzahl kurzer Impulse, den Saal. Die Klänge liegen so dicht beieinander, dass sie wie eine einzige, sich ständig bewegende Struktur erscheinen. Beim Annähern ans Objekt Modular n.3 das gleichzeitig die Klangquelle ist, lassen sich allmählich einzelne Impulse voneinander unterscheiden und je näher man ihm kommt, desto mehr enthüllt dieses Installations-Objekt seine Identität und seinen Klang. Durch eine ständige Drehbewegung und Reibung von Rohren mit einem Nylonfaden werden Klangimpulse erzeugt, die von zahlreichen kleinen aufgehängten Lautsprechern verstärkt werden.

 

 

Marianthi Papalexandri-Alexandri, modular n.3, en collaboration avec Pe Lang, 2019.

 

Modular n.3, das dritte Werk einer gleichnamigen Serie, entstand in enger Zusammenarbeit mit dem bildenden Künstler Pe Lang und ist praktisch von seiner physischen Erscheinung untrennbar. Während die Vielzahl von Lautsprechern ein eigenständiges Klanguniversum erzeugen, eröffnet das Verstehen des Produktionsmechanismus eine konkrete wie auch eine poetische Dimension. „Ich mag es, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die Art und Weise wie ein Instrument gebaut ist zu lenken. Meine Werke beinhalten oft auch eine etwas didaktische Demonstration: es geht darum zu verstehen, wie sie funktionieren“, erklärt Papalexandri-Alexandri.

Das Prinzip von Modular n.3 findet sich auch in anderen Werken der Künstlerin wie Untitled n.V oder Speaking of Membranes. Sie thematisieren die mit der Funktion von Objekten verbunden Erwartungen in poetischer Weise. Ein Lautsprecher wird normalerweise zur Verbreitung von Schall durch Verstärkung von elektrischem Strom eingesetzt. Hier sind die Lautsprecher jedoch nicht angeschlossen: der Klang ist also ganz akustisch.

„Man erkennt zwar, dass es sich um einen Lautsprecher handelt, aber ich möchte ihm einen privilegierten Raum geben, ich möchte seine eigene Stimme hören.“ Papalexandri-Alexandri macht das Publikum auf das Wesen des Objekts aufmerksam, indem es durch das Bewegungsgerät in Schwingung versetzt wird. Wie sieht das Objekt dann aus, wenn die Installation nicht eingeschaltet? Die Künstlerin fährt fort: „Manchmal frage ich mich was passiert, wenn ein Klang- oder Musikobjekt keinen Ton erzeugt. Ist es ein totes Objekt? Ich denke, dass jedes musikalische Objekt funktional ist. Indem ich es in Bewegung setze, erforsche ich eine bestimmte Art von Funktionalität, und meist existieren verschiedene Funktionalitäten, die ich am selben Objekt erforschen kann.“

Solo for generators, motors and wind resonators komponierte Papalexandri Alexandri für die Blockflötistin Susanne Fröhlich, mit der sie schon lange zusammenarbeitet. Auch hier umgeht die Beziehung zum Instrument die konventionelle Erwartung. Eine in ihren Einzelteilen zerlegte Blockflöte wird flach auf einem Tisch liegend präsentiert. Auf demselben Tisch befindet sich ein motorisiertes Gerät, welches Drähte in Rotation versetzt. Diese sind mit über die offenen Teile der Flöte gespannten Membranen verbunden. Das akustische Resultat erinnert an lange Klangwellen. „Da wir das Instrument zerlegt haben, sind nur Fragmente davon zu sehen“, erklärt die Komponistin. Ein musikalisches Objekts, das man normalerweise mit einer bestimmten Nutzung verbindet, in diesem Fall der Tonerzeugung durch Blasen in das Mundstück, wird ganz anders verwendet. Die Klangmanifestation wird vom Instrument selbst erzeugt. „Wenn man dieses Instrument auf einer Bühne oder in einer installativen Situation platziert, wird es zu einem Resonanzobjekt. Man sieht es als Körper und nicht mehr als ein Musikinstrument, das man wiedererkennt. Durch diese Art von Verfahren habe ich das Gefühl, dem Publikum einen neuen Zugang zum Instrument zu bieten, ihm eine Art Hommage zu verschaffen“, so Papalexandri-Alexandri.

 

Marianthi Papalexandri-Alexandri, salon de musique du 31, Susanne Fröhlich, Festival Archipel Genève, march 2019.

Marianthi Papalexandri-Alexandris Welt lenkt die Aufmerksamkeit  auf die Präzision der Herstellung. Man könnte meinen, dass die Komponistin durch die makellose Inszenierung der Objekte eine gewisse Kontrolle über den Ablauf der Ereignisse sucht. Die Werke erscheinen aber während den Performances nicht starr. Im Gegenteil, sie lassen eine Dimension der Zerbrechlichkeit erkennen, die von möglichen Unvollkommenheiten, die sich im Lauf von Performances einstellen, ausgeht. Zu Solo for generators, motors and wind resonators meint Papalexandri-Alexandri, dass die Kontrolle nie absolut sei. „Wenn ich selbst mit diesem Gerät spiele, kann ich es spüren und wunderschöne Klänge erzeugen, und das Gleiche gilt für Susanne (Fröhlich). Ich habe aber auch schon Situationen erlebt, in denen das Gerät während der Performance nicht funktioniert hat. Das liegt an einer Spannung zwischen dem Performer und der Maschine, die notwendig ist, damit das Stück Gestalt annimmt.“

Die Dualität zwischen Kontrolle und Zerbrechlichkeit trägt zur Poesie der Werke von Papalexandri-Alexandri bei: „Letztendlich geht es nicht wirklich um Kontrolle. Meine Haltung ist eher, die Ereignisse so zu akzeptieren, wie sie sich entwickeln.“ Auf die Frage, wie sie diese Ereignisse gerne weiterentwickeln würde, antwortet sie: „Was kann ich selbst dazu beitragen? Ich möchte mich einfach mit den vorhandenen Objekten auseinandersetzen, sie haben bereits unheimlich viel zu erzählen“.
Alexandre Babel

Susanne Fröhlich

neo-profiles :
Marianthi Papalexandri-AlexandriPe LangFestival Archipel

Reibung erzeugt Wärme – Marianthi Papalexandri-Alexandri am Festival “ZeitRäume Basel”, 13.-22. September 2019

Marianthi Papalexandri-Alexandri

Theresa Beyer
Im Hof des Basler Kunstmuseums zeigt das Festival «ZeitRäume» eine begeh- und bespielbare Klangskulptur. Mit ihrem geheimnisvollen Röhren-Instrument «Untitled VII» leistet die Komponistin und Klangkünstlerin Marianthi Papalexandri-Alexandri ihren Beitrag zur grossen Gemeinschaftsarbeit. Ein Besuch in ihrem Atelier in Wald im Zürcher Oberland.

Früher wurden in diesen grossen, hellen Fabrikräumen Textilien gewebt. Heute wohnen und arbeiten hier Marianthi Papalexandri-Alexandri und der kinetische Künstler Pe Lang. Ihr Loft ist ein Laboratorium voller Maschinen, Elektronik und mechanischen Objekten.

Hinten auf einer Werkbank legt Pe Lang einen Kippschalter um: auf einer schwarzen Pappe beginnt sich eine Scheibe zu drehen, Marianthi holt verschieden grosse Stricknadeln hervor und steckt sie in die Pappe. Mit dieser Geste wird das Objekt zum Instrument: Immer wenn die kleinen Schläuche, die von der Scheibe abstehen, die Nadeln streifen, erklingen feine Glockentöne. Zum Werk «Resonators» wächst das Ganze an, wenn mehrere Performer*innen an mehreren Maschinen nach einem bestimmten Muster Nadeln in die Pappe stecken. Die Konzeption solcher Klang-Settings ist der Kern von Marianthis und Pe Langs Arbeit.


Marianthi Papalexandri-Alexandri und Pe Lang: Modular No.3

Langwierige Materialforschung

Hinter jedem Detail dieser Klangobjekte stecken unzählige Materialtests – auch bei «Untitled VII», das am Zeiträume Festival von der grossen Klangskulptur «Rohrwerk/Fabrique Sonore» einverleibt wird. Im Atelier zeigt Pe Lang den Prototyp: «Die 24 Röhren des Klangkörpers sind aus durchsichtigem Acryl, ein Material, das einen warmen Klang ermöglicht. Jede Röhre ist mit einer TPE Folie überzogen, durch die wir eine Nylonschnur gespannt haben. Und die Rädchen aus Baumwollhartgewebe vorne an den kleinen Elektromotoren sind mit einer Art Kolophonium bestrichen. Durch die erhöhte Reibung wird der Ton erzeugt».

Visualisierung Rohrwerk Fabrique sonore© Made in

Pe Lang knipst die kleinen Motoren des Röhren-Instruments an und ein durchgehender Ton entsteht: komplex, organisch und schön – eine eigenständige Klangskulptur mit Potenzial zu einer Komposition. Um diese zu entfalten, schlüpft Pe Lang in die Rolle des Performers: langsam verändert er die Geschwindigkeiten der Motoren, die Spannung der Nylonschnur und die Position der Klammern, die daran befestigt sind. Der Klang reagiert sofort – mal erinnert er an einen modularen Synthesizer, mal an eine obertonreiche Orgel, mal an die mäandernden Drones von Eliane Radigue oder La Monte Young.

Die Behutsamkeit, mit der dieses Instrument gespielt werden muss, vergleicht Marianthi mit einer japanischen Teezeremonie: «Obwohl hinter jeder Geste grösste Berechnung steckt, wirkt es nach aussen mühelos und leicht. Alle Bewegung folgen einem natürlichen Flow.»

Marianthi Papalexandri-Alexandri: Untitled II (Vorläufer von Untitled VII)

Der Charme des Unperfekten

Im Klangflow von „Untitled II“ mischt noch etwas mit: das Material an sich. „Die Spannung der Membran lässt mit der Zeit nach, das Kolophonium reibt sich ab und die Motoren eiern leicht“, sagt Pe Lang, «Diese Ungenauigkeiten haben wir bewusst eingebaut.» Das Röhren-Instrument, das vorgibt clean, minimalistisch und kontrollierbar zu sein, ist eben gerade keine perfekte Maschine.

Auch deswegen bewegen sich die Klangskulpturen und Kompositionen von Marianthi und Pe Lang immer in einem Zwischenraum. Zwischen genau und ungenau. Zwischen Objekt und Performance. Zwischen mechanisch und elektronisch. Und wenn sie das Atelier in Wald verlassen, landen sie irgendwo zwischen Galerie und Konzertsaal.

Aber wer komponiert hier eigentlich: Die Komponistin, der Performer, oder das Instrument selbst? Genau diese Kategorien versucht Marianthi mit ihren Klangskulpturen aufzulösen. «Ich will Komponist*in, Performer*in und Instrument auf Augenhöhe bringen und so auch Autorschaft hinterfragen». Wer da also genau am Werk ist, hängt immer von der Perspektive ab.
Theresa Beyer

Marianthi Paplexandri-Alexandri: Untitled VI

Die diesjährige Festivalausgabe von «Zeiträume – Biennale für neue Musik und Architektur» in Basel ist mit 30 Projekten die bisher grösste. Vom 15. bis 21. September ist im Innenhof des Kunstmuseum der 45 Meter hohe Klangturm «Rohrwerk/Fabrique sonore» zu erleben. Marianthi Papalexandri-Alexandri ist eine von sechs Komponist*innen und vier Musiker*innen, die diese Mischung aus Pavillon und Musikinstrument zum Klingen bringt.

Am 20. September findet am Festival Zeiträume zudem die Übergabe des diesjährigen Schweizer Musikpreises an u.a. Cod.act, Michael Jarrell, Pierre Favre, Laurent Peter (d’incise) oder das Kammerorchester Basel statt.

Zeiträume – Biennale für neue Musik und Architektur, Marianthi Papalexandri-Alexandri, Pe Lang

neo-profiles: ZeitRäume BaselMarianthi Papalexandri-Alexandri, Pe Lang, Kammerorchester Basel, Michael Jarrell, Pierre Favre, d’incise / tresque

Sendungen SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, Marianthi Papalexandri-Alexandri, Pe Lang: 11.September, 20h, Wiederholung 14.September, 20h;
Passage: Cod.act -Maschinenmusik aus La Chaux-de-Fonds: 20. September, 20h; Kontext, 20. September