The Now In Sound

2002 gegründet, wurde Norient, das renommierte Schweiz-basierte online-Magazin nun in die neue online-Plattform Norient Space – The Now In Sound überführt. Mit einer Community von 700 Journalist*Innen, Musiker*Innen und Wissenschafter*Innen aus über 70 Ländern bündelt die neue Plattform die digitale Reflexion zum globalen zeitgenössisch-experimentellen Musikschaffen.

Snapshot Iokoi ©Norient

Am 5. März wurde die Beta-Version vom Norient Space im Haus der Kulturen der Welt in Berlin gelauncht. Ein Panel und eine Soundinstallation flankierten die Eröffnung der neuen “virtuellen transdisziplinären Galerie und Communityplattform zwischen Kunst, Journalismus und Wissenschaft”. Der Schweizer Launch steht am 24. September bevor.

Julia Vorkefeld war in Berlin dabei und berichtet für neo.mx3 über den Launch von Norient Space und das Panel Life after Music Magazinesthe Norient Way.

Die unabhängige Schweizer Musik- und Medienkunst Plattform Norient erfindet sich nach fast 20 Jahren neu. Die fetten Jahre der Kultur sind vorbei. In Zeiten von Herzen und Likes als Form der Musikkritik der post-digitalen Ära muss sich der Musikjournalismus innovativ zeigen und ist gefordert. The Now In Sound  lautet das Credo von Norient. Und the sound von now ist ein Spiegel globaler Ereignisse- genau das macht Musikjournalismus immer noch relevant. Die Plattform relaunchte ihr Projekt strategisch klug, zuerst in Berlin mit einer Veranstaltung in dem prestige-besetzten Haus der Kulturen der Welt.

Snapshot Bruno Spoerri ©Norient

Ein Relaunch ist in diesen Zeiten ein mutiges Unterfangen. Nicht zu ahnen war, dass kurz nach dem Berliner Launch ein Virus den Kulturbetrieb komplett lahmlegen sollte und damit viele Akteur*innen in verstärktes Prekarität stürzen würde. Dies, nachdem auch schon einige Zeit vorher, eine Reihe renommierter Musikmagazine, wie Spex und Groove ihre analogen Produkte begraben haben oder die Schweizer Zeitschrift Dissonance ganz aufgeben musste.

Der unabhängige Musikjournalismus ist damit endgültig zu einer bedrohten Tierart deklariert. Der Kick Off des Relaunches wurde dementsprechend mit einem Panel zur Zukunft des Musikjournalismus flankiert. Der Titel der Veranstaltung Life after Music Magazinesthe Norient Way kündigte die Diskurs-Richtung an: virtuell, interdisziplinär, global, kollaborativ und transmedial soll eine der Lösungen sein für den gegenwärtigen Musikjournalismus.

No – Orient: virtuell, interdisziplinär, global, kollaborativ und transmedial..

Und unter dem Motto Connecting the dots– steht das Netzwerk als ein Ort der geteilten Wissensproduktion. Die Norient-Macher*innen verfolgen damit ambitionierte Ideen. Norient schrieb sich Diversity schon seit Anfang auf die Fahnen, lange bevor das Schlagwort den deutschsprachigen Kulturbetrieb eroberte. Und es ist nicht nur eine leere Phrase, sondern ernst gemeinte Policy. Denn schon der Name, ein Wortspiel aus No und Orient, enthält die Vermeidung von Exotisierung in der Musik und den damit einhergehenden Machtverhältnissen.


Norient Snaps Trailer 2020

Die Internationalität und Diversität der Plattform spiegelt sich im Panel wieder. Beteiligt waren globale Akteure, wie Jenny Fatou Mbaye (Centre for Culture and the Creative Industries, City University of London), Faisal M. Khan (Kurator, Akaliko Collective, Dhaka) oder Kamila Metwaly (Musikjournalistin, Musikerin Savvy Contemporary Berlin).

In den zwei Stunden ging es vor allem darum, wie die Plattform, ihre inhaltliche und formale Ausrichtung verbessern könne, mit dem Ziel mehr Diversität, mehr Internationalität, neue Formate und Veranstaltungen, und damit insgesamt mehr Qualität zu erlangen.


Joy Frempong, The sample shapes the song, 2012

We care about content– lautet ein weiteres Motto: Alle Panelisten stimmten darin überein, dass Journalismus und damit auch Musikjournalismus wieder mehr Qualität kriegen müssten und dass das Erstellen von hochwertigen Inhalten seinen Preis habe. Da aber Musik-Plattformen und -redaktionen meist schlecht zahlten, sei es kein Wunder, dass Musikjournalismus immer mehr zu einem schlecht bezahlten Hobby verkomme. Dass Musikkritik von globalen Playern, wie RedBull oder Ballantines als corporate culture und Marketing Tool benutzt werde, sei traurige Tatsache. Denn hier gebe es Geld für kulturelle Wissensproduktion. Um den Marken nicht die Gestaltung von Kultur zu überlassen, müssten andere Lösungen einer Finanzierung für unabhängige Musikplattformen gefunden werden, frei von Werbung, Zensur und Algorithmen. Ein Lösungsansatz könnte mehr generosity beim sharen von Inhalten sein, so der Tenor der Panelisten.

Eine Diskussion zur Problematik der Prekarität im Musikjournalismus blieb hingegen aus. Auf meine Nachfrage waren sich alle Beteiligten durchaus der Problematik bewusst. Die Antwort, dass möglichst mehrere berufliche Standbeine zu verfolgen seien, überzeugte allerdings kaum.

Snapshot No Orientalism ©Norient

Norient selbst versucht sich durch ein Membership-Modell zu finanzieren. Connaisseure, die die Plattform schätzen, finanzieren die Inhalte durch Abonnements. Ihnen sind gewisse vertiefte Inhalte wie Dossiers oder Specials vorbehalten. Der Rest der Plattform ist frei und kostenlos zugänglich.

Es wird sich zeigen, ob Norient mit seinem neuen Modell überleben kann. Es ist schwer zu hoffen. Denn in einer Ära des völkischen Backlashes brauchen wir solche kulturelle Plattformen.
Julia Vorkefeld

Norient Space befindet sich derzeit in der Beta Phase. Der offizielle digitale Launch findet am 24.September statt.

Norient – The Now In Sound, Wael Elkholy, Jing Yang, Jonas Kocher, Joy Frempong/Oy

Sendungen SRF 2 Kultur, 22.1.2020

Neo-Profiles: Norient, Wael Sami Elkholy, Jing Yang, Jonas Kocher, Bruno Spoerri