Multisensorische Gesamtinszenierungen: Das Duo eventuell.

Entdecken! Aus dem wachsenden Pool an neo-Profilen fischte Julian Kämper das Saxophon-Duo eventuell. Die Besonderheit: ein multisensorischer Ansatz, der immer wieder das eigene Künstlerinnendasein und den eigenen Körper zum Thema macht.

Mit den beiden Saxophonistinnen und Performerinnen Manuela Villiger und Vera Wahl unterhielt er sich zu ihren Beweggründen.

 

eventuell.: Manuela Villiger und Vera Wahl ©zVg eventuell.

Julian Kämper
2015 gründeten die Instrumentalistinnen Manuela Villiger und Vera Wahl das Duo „eventuell.“. Eigentlich als Saxophon-Duett. Doch das Saxophon ist ein verhältnismäßig junges Instrument und die Duo-Besetzung untypisch, das klassische Repertoire also überschaubar. Deshalb kollaboriert eventuell. seit Beginn intensiv mit – meist jungen und internationalen – Komponistinnen und Komponisten wie Yiran Zhao, Loïc Destremau, Mauro Hertig und Victor Alexandru Coltea. Oder es entstehen eigene Kompositionen.

Die Programme von eventuell. sind oft visuell, körperlich und szenisch angelegt: Gesamtinszenierungen, die nicht in erster Linie hörend, sondern multisensorisch wahrgenommen werden sollen. In ihren Projekten binden die beiden Performerinnen, die gemeinsam in Luzern und Zürich studiert haben, außermusikalische Kontexte ein und machen immer wieder ihr Künstlerinnendasein und ihren eigenen Körper zum Thema.


Manuela Villiger Beat for two soprano saxophones, video and electronics, eventuell., UA 2020

Die Konzertformate, die das Duo in Eigenregie entwickelt, sind weit entfernt von den musikalischen Praktiken, wie sie im konventionellen Hochschulstudium gemeinhin vermittelt werden. Was waren die Beweggründe, das eigene künstlerische Profil derart zu schärfen? – fragte ich mich und verabredete mich mit Manuela Villiger und Vera Wahl zum Gespräch.

Ihr Repertoire umfasst Stücke mit Live-Elektronik, Video und performativen Elementen. Sie reizen die Klang- und Spielmöglichkeiten des Saxophons aus und behandeln Ihr Instrument oftmals auf unübliche Weise – zum Beispiel in Julian Sifferts Komposition „Grammars of Crisis“. Wie ist es für Sie, nicht nur das Saxophon, sondern auch Sensoren, Alltagsgegenstände oder den Körper als Instrumente einzusetzen?

VW: Das ist ein Prozess, der automatisch passiert, wenn man sich für diese Art von Musik interessiert. Wir können unsere Musikalität vom Saxophonspiel mitnehmen und auf performative Elemente übertragen. Da ist es nicht wichtig, was man in den Händen hält. Hauptsache, man drückt sich gerne mit dem Körper aus. Es gibt in dem Stück ja auch beides: Passagen mit und ohne Instrument.

Julian Siffert Grammars of Crisis für Sopransaxophon, Altsaxophon, Video und Elektronik, eventuell., UA 2019

In diesem Stück treiben Sie Sport, präparieren Ihre Instrumente. In anderen Fällen bedienen Sie allerlei elektronische Geräte. Begeben Sie sich da nicht in fremdes Metier?

MV: Bei dem Einsatz von Elektronik war und ist es „learning by doing“ und „Trial and Error“. Es ist eine Frage des ästhetischen Mittels. Auf dem Saxophon haben wir Stunden, Tage, Wochen damit verbracht, irgendwelche Techniken zu erlernen. Wenn wir etwas ganz exakt reproduzieren müssen, dann ist das Saxophon unser Mittel. Denn da wissen wir zu 99% sicher, was passiert, wenn wir dies oder jenes machen. Aber in gewissen Stücken ist diese Ästhetik nicht gefragt, sondern da geht es genau darum, eben nicht alles unter Kontrolle zu haben. Diesen Gegensatz setzen wir bewusst ein: wir haben ein Mittel, mit dem wir etwas sehr präzise ausführen können, aber wir wollen dieses Mittel nicht immer einsetzen – sonst verliert es die Aussagekraft.

VW: Im ersten Teil von Grammars of Crisis, wenn das Video mit unseren Sportübungen läuft, spielen wir, was wir hören. Wir doppeln quasi die Tonspur. Das Instrument ist hier das Mittel zum Zweck. Wir könnten das auf einem anderen Instrument nicht so gut nachvollziehen und umsetzen wie auf dem, das wir am besten beherrschen.

Individuen mit Abweichungen auf der Bühne sichtbar machen

Der Kontrollverlust kam zur Sprache: Warum setzen Sie sich in einigen Stücken unvorhersehbaren und körperlich anstrengenden Situationen aus?

MV: Dieser Fokus auf das Individuell-Sein ist für uns sehr wichtig. Wenn ich persönlich ein Konzert besuche, sehe ich erstmal einen Menschen in seiner Rolle als Musiker. Mich fasziniert, jemanden atmen zu hören oder zu beobachten, wie er sich bewegt beim Spielen. Daran merke ich dann: dieser Musiker unterscheidet sich von jenem Musiker. Im klassischen Konzert wird das aber normalerweise möglichst ausgeblendet, denn da geht es um das Klangresultat, das so klingen soll, wie es in den Noten steht. Wir wollen zeigen, dass wir auf der Bühne alle Individuen mit Abweichungen sind.

VW: In unserem Programm „eventuell. limit“ haben wir das zum zentralen Thema gemacht. Da ging es um verschiedene Arten von Grenzen. Es geht uns nicht darum, alles möglichst perfekt zu spielen und alles zu kaschieren, was eben nicht perfekt ist. Alle Performenden sind Menschen und keine Maschinen. Das spannende daran sind auch die Fehler und das Unperfekte.


Manuela Villiger augenBlick for two amplified soprano saxophones, eye-blink sensors, video and electronic sounds, eventuell., UA 2019

In Ihren selbst komponierten Stücken thematisieren Sie oft Ihre eigenen Körper – Körperteile wie Augen oder Füße werden zu visuellem und musikalischem Material. Ist das eine Strategie, um sich als Interpretinnen in den Fokus zu rücken?

MV: Für uns ist das keine Selbstinszenierung. Es geht um eine Auseinandersetzung mit den physischen Voraussetzungen, die wir als Menschen mitbringen. Da sind wir beim Thema Individualität: Was unterscheidet mich von anderen? Es ist offensichtlich der Körper. Für uns ist das schon lange ein Thema und wir möchten das auch in unsere Performances und Konzerte übertragen. Also integrieren wir in einigen Stücken Videosequenzen, die Teile unserer Körper zeigen.


Vera Wahl foot prints for two alto saxophones, video and tape, eventuell., UA 2020

Emotionale Statements – politische Diskurse 

Sie bezeichnen Ihre Konzerte auch als „emotionale Statements“ und „politische Diskurse“. Wie kann man das verstehen?

VW: Wir investieren viel Zeit in unsere Projekte. Dabei diskutieren wir viel und stellen uns Fragen über das, was wir da machen. Diese ganzen – sagen wir – philosophischen Themen und emotionalen Aspekte bringen wir dann auch in die Performances ein. Wir suchen nicht unbedingt irgendein politisches Thema aus und geben dann unsere Meinung preis. Wir stellen eher Fragen: Diese Fragestellungen sind manchmal sehr diffus in den Stücken verborgen. Teilweise arbeiten wir auch mit Textelementen, um das Publikum zur Auseinandersetzung mit bestimmten Themen anzuregen.

MV: Die Überlegung hat sich wohl jeder zeitgenössische Musiker schon gemacht: Wo liegt der Profit der Gesellschaft bei dem, was wir machen? Wenn ich die Gewissheit habe, mich mit Fragestellungen unserer Gesellschaft auseinanderzusetzen, rechtfertigt das für mich persönlich, dass ich so viel Zeit in diese Projekte investiere. Ich weiß, es gibt Komponistinnen und Musiker, die davon überzeugt sind, dass Musik für sich steht und keine außermusikalischen Kontexte benötigt. Das stimmt für uns so nicht. Nach Konzerten haben wir oft interessante Gespräche mit Leuten, die unsere Fragestellungen ganz anders interpretiert haben als wir. Das ist für uns eine schöne Bestätigung. Denn unsere Performance hat dazu angeregt, sich Gedanken zu machen.
Julian Kämper

 

eventuell.: Manuela Villiger und Vera Wahl ©zVg eventuell.

 

eventuell., Julian SiffertYiran Zhao, Loïc Destremau

Konzerttour:
eventuell. connected2120.05.-01.06.2021 (Zürich, Basel, Olten, Baden und Luzern)Kompositionen von Lara Stanic und Mathieu Corajod

Am 9.Juni 2021, um 20h, tritt das Duo eventuell. mit dem Programm eventuell.fern in der Reihe musica aperta in Winterthur auf, mit Werken von Felix Baumann, Emilio Guim, Mauro Hertig, Simon Steen-Andersen, François Rossé, Matthew Shlomowitz und Alex Mincek.

Sendung:
BR KLASSIK Horizonte, 06.05.2021, 22:05: da sein. Das Saxophon-Duo eventuell., Autor: Julian Kämper, Redaktion: Kristin Amme

Neo-Profiles: eventuell., Manuela Villiger, Vera Wahl, Mauro Hertig, Victor Alexandru Coltea, Lara Stanic, Mathieu CorajodSimon Steen-Andersen, Mauro Hertig

 

Maria Kalesnikava das Gesicht von Belarus

IN CASE YOU MISSED IT: ECLAT AGAIN ONLINE FROM 17.2. till 21.2.!

Gabrielle Weber
Eclat Stuttgart, das Festival für Neue Musik, findet online statt. Ein umfangreicher Schwerpunkt ist der Demokratiebewegung in Belarus gewidmet.

Durch Maria Kalesnikava, seit September 2020 inhaftierte Ikone der friedlichen Demokratiebewegung, hat der Konflikt einen starken Bezug zur Stuttgarter Kulturszene. Als Musikerin, Pädagogin, Vermittlerin und Organisatorin war sie hier während vieler Jahre aktiv. Kalesnikava wird im Rahmen des Festivals mit dem Menschenrechtspreis 2021 der Gerhart und Renate Baum Stiftung ausgezeichnet.

Maria Kalesnikava ©zVg Eclat / Musik der Jahrhunderte Stuttgart


Im Project Echoes – Voices from Belarus finden belarusische und internationale Kunst- und Musikschaffende in kurzen künstlerischen Statements zum Konflikt zusammen.

Mit von der Partie in Echoes – Voices from Belarus sind zwei Komponisten aus der Schweiz, Andreas Eduardo Frank und Oscar Bianchi. Mit Frank und Bianchi unterhielt ich mich zu ihren Arbeiten für Eclat.

Oscar Bianchi traf ich per Zoom in seinem Atelier in Berlin an. Der gefragte, international tätige Schweizer Komponist mit Tessiner Wurzeln ist dem Festival Eclat schon seit langem verbunden und präsentierte in Stuttgart immer wieder neue Stücke.

Sein Projekt zu Belarus habe eine Vorgeschichte, sagt Bianchi. Der tragische Tod von George Floyd durch Polizeigewalt und die mediale Berichterstattung darüber habe ihn traumatisiert. Seine Betroffenheit verarbeitete er im Sommer 2020 zu einem kurzen Stück. Darin ging es Bianchi nicht nur um Rassendiskriminierung, sondern generell um Unterdrückung und Brutalität.

Oscar Bianchi ©Philippe Stirnweiss

Und als Christine Fischer, Intendantin von Eclat Stuttgart, ihn auf ihr Belarus-Vorhaben ansprach, schlug er vor, das Stück nochmals anders zu beleuchten. “Ich will einen Akzent setzen und einen Beitrag dazu leisten, Gehör zu verschaffen, dass jede Form von Brutalität und Unterdrückung nicht toleriert werden dürfen”, sagt Bianchi.


Oscar Bianchi, With you, UA Murten Classics 2020

Auch Fischer initiierte das Belarus-Projekt aus persönlicher Betroffenheit. Denn eine der Hauptanführerinnen der Belarusischen Demokratiebewegung, Maria Kalesnikava, war viele Jahre in der Stuttgarter Kulturszene aktiv, als Musikerin, Pädagogin und Projektleiterin, u.a. an der Musikhochschule oder am Festival Eclat.

Zuletzt leitete Kalesnikava die Social Media-Aktivitäten des Festivals, bevor sie für eine andere Aufgabe nach Belarus zurückkehrte, sich dort sofort der Demokratiebewegung anschloss und in kürzester Zeit zu einer der Leitfiguren avancierte. Zusammen mit Swetlana Tichanowskaja, der Oppositionsführerin, und Veronika Zepkalo, enge Mitarbeiterin, ist sie von diversen Auftritten auf Podien der Demokratiebewegung in lebhafter Erinnerung. Sie wurde am 8. September 2020 verschleppt und ist seither inhaftiert.

Maria Kalesnikava mit Swetlana Tichanowskaja und Veronika Zepkalo an Protesten in Minsk ©zVg Eclat / Musik der Jahrhunderte Stuttgart

Als Maria Kalesnikava, die Bianchi vom Eclat-Festival gut kannte, inhaftiert wurde, sei rasch klar gewesen, dass die Belarusische Regierung auf den Faktor Zeit setze und darauf zähle, dass das mediale Interesse schwinde, so Bianchi.  Umso wichtiger seien solch kulturelle Aktionen, um den Diskurs wachzuhalten und die Menschen zu sensibilisieren.

‘Die Sturmhaube – Symbol für institutionalisierte Macht und Unterdrückung’

Bianchi schloss sich mit der Belarusischen Videokünstlerin Vasilisa Palianina zusammen. In der gemeinsamen Arbeit gingen sie dem Bild von Polizeitruppen in voller Kampfmontur und ‘Balaclava’ (Sturmhaube) nach, stellvertretend für die allgegenwärtige, gewaltbereite Bedrohung in Belarus und in vergleichbaren Konflikten. Die Anonymität durch die Sturmhaube sei ein Symbol für den Verlust von Transparenz, Rechenschaftspflicht und für institutionalisierte Macht und Unterdrückung. Und alles geschehe im Verborgenen.

“Die Bilder und der Klang erzählen zusammen eine eigene Geschichte “, sagt Bianchi zur gemeinsamen Arbeit.

In Voices from Belarus ist auch Andreas Eduardo Frank, Komponist aus Basel, dabei. Franks Musik beinhaltet oft Video und Multimedia oder ist musiktheatralisch angelegt. Für das Belarus-Projekt vertonte er ein Video.

Er ist der Stuttgarter Kulturszene gleichfalls lange verbunden und initiierte im ersten Lockdown das online Coronaprojekt – SuperSafeSociety. Da ging es ums Ausloten neuer digitaler partizipativer Konzertformate. Das Resultat war ein online Musiktheater, das für jeden Zuschauer individuell stattfand. Deswegen sprach ihn auch die Intendantin Christine Fischer fürs Projekt Belarus an. Beim Belarus-Projekt gehe es gerade in Zeiten von Corona auch darum, Künstler in Belarus, die selbst unter der Unterdrückung leiden, zu fördern und zu unterstützen, meint Frank, und war deshalb sofort dabei.

Andreas Eduardo Frank ©Andreas Eduardo Frank

Mit Maria Kalesnikava hatte Frank in diesem Umfeld zu tun. Und es habe ihn nicht erstaunt, sie so plötzlich an vorderster Front der Belarusischen Demokratiebewegung zu sehen. Denn Maria habe eine unglaubliche Ausstrahlung und Anziehungskraft, die begeistere und auch medienwirksam sei.

Frank fand für seinen Beitrag mit dem Belarusischen Videokünstler Mikhail Gulin zusammen. Gulins Video Sisiphus ergänzte er mit einem Soundtrack, bestehend aus genau acht selbstgesprochenen Worten: “exploit / hurt / fought / suppressed / punished / choked / repeat / proceed”.

Frank destillierte diese Worte aus Gesprächen mit Gulin: “Es gibt den Komplex Sisiphus, und es gibt den Komplex Belarus und das Engagement dafür. Beide finden im künstlerischen Kommentar zusammen” meint Frank dazu. Die Parallelen zwischen Sisiphus und dem Künstlerdasein seien natürlich evident, wie das permanente Sich-Abmühen oder das Ausgeliefertsein der Kunstschaffenden gegenüber der mächtigen Staatsmaschinerie.

“exploit / hurt / fought / suppressed / punished / choked / repeat / proceed”

Mit den Worten fütterte Frank einen Sampler und improvisierte dann zum Video mit kleinem elektronischem Setup. Er verfremdete die Worte, spielte sie schneller oder langsamer ab, filterte sie: “Daraus entstanden Klänge wie ‘getriebene Schweine’ oder ersticktes Atmen neben den erkennbaren Wörtern. Und es ist auch eine Spur von bitterer Ironie dabei: die heftigen Wörter erhalten eine andere Semantik, gemeinsam mit dem Bild von herumgeschobenen Heuballen..” sagt Frank.

Andreas Eduardo Frank& Mikhail Gulin: Sisiphos, UA Eclat Stuttgart 2021

Das Projekt hat auch Franks eigene Sensibilisierung für den Konflikt massgeblich verstärkt. “Wir sitzen hier und uns geht’s eigentlich gut – und die Leute dort werden verschleppt und gefoltert, sie verschwinden einfach”. Unvergesslich sei ihm eine Begegnung direkt vor der Fertigstellung des Projekts: Frank habe seinen Teil beendet, Gulin hingegen noch nicht. Worauf Gulin ihm erklärte: “Today, a close friend, was taken to the police. People are imprisoned, abducted, beaten. The judicial system does not work.”
Gabrielle Weber

Frauenpower und mediale Aufmerksamkeit in Belarus, September 2020 ©zVg Eclat/Musik der Jahrhunderte Stuttgart

Mehrere Formate thematisieren am Eclat den Belarusischen Konflikt:
Freitag, 5.2. Echoes – Voices from Belarus: Koproduktionen Belarusischer mit internationalen Kunst- und Musikschaffenden.

Sonntag, 7.2., 17h: Verleihung des Menschenrechtspreises 2021 der Gerhart und Renate Baum Stiftung an Maria Kalesnikava / Konzert Trio vis à vis. Der Preis wird übergeben von Bundesminister a.D. Gerhard Baum, entgegengenommen von der Schwester Kalesnikavas, Tatsiana Khomich.

3.-7.2.: digitale Ausstellung, Belarus – der Weg zu sich selbst: während des ganzen Festivals online zu begehen.

An der 41. Ausgabe von ECLAT gibt es 13 meist live gestreamte Konzerte mit ausschliesslich digitalen Werken und zahlreichen Uraufführungen. Interviews, Chats, Diskussionen, Games u.v.a.m. begleiten durch die fünf Festivaltage.

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Belarus – Zur Erinnerung: Im August 2020 bestätigte sich der autoritär regierende Staatschef Lukashenko nach demokratischen Wahlen selbst erneut im Präsidentenamt, obwohl die Bürgerrechtlerin und Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja die Mehrheit in den Wahlen erlangte. Das Wahlresultat wurde seitens EU nicht anerkannt. Tichanowskaja lebt nun im Exil in Litauen, ihre Mitspielerin Veronika Zepkalo im Exil in Polen. Maria Kalesnikava wurde am 8. September in Minsk inhaftiert als sie sich einer Ausschaffung widersetzte. Sie ist nach wie vor in Untersuchungshaft.

Am 27. Januar 2021 prangerte Amnesty International die Folter in Belarus an.
Musik der Jahrhunderte / Eclat bemüht sich zusammen mit Menschenrechtsorganisationen und unterstützt durch Politiker*innen seit September 2020 um die Freilassung von Maria Kalesnikava.

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Eclat / Musik der Jahrhunderte, Trio vis à vis, Mikhail Gulin, Vasilisa Palianina

Sendungen SRF 2 Kultur:
Kultur aktuell / Kultur kompakt Podcast, 4.2.21: Redaktion Theresa Beyer, Kritik Konzert Voice Affairs / Festival Eclat

Kultur aktuell / Kultur kompakt Podcast, 5.2.21: Redaktion Gabrielle Weber, Portrait Maria Kalesnikava / Festival Eclat

in Musik Magazin, 6.2./7.2.12: Redaktion Moritz Weber, Beitrag Gabrielle Weber, Portrait Maria Kalesnikava / Festival Eclat

Neo-Profiles: Andreas Eduardo Frank, Oscar Bianchi

‘Ein Madrigal-Trip’

Das Berliner Festival Ultraschall findet statt! Live und zeitversetzt on air am Radio, auf Deutschlandfunk Kultur und rbbKultur. Der Basler Komponist und Videokünstler Jannik Giger bringt am 22.1. ein neues Stück zur Uraufführung: ‘Qu’est devenue ce bel oeuil’ für Sopran, Bassklarinette und fiktive Vierkanal-Orgel. Das Konzert ist live am Freitag, 22. Januar 2021, 20h, und in der Wiederholung am 16. Februar zu hören.

Jannik Giger Portrait ©zVg Jannik Giger

Gabrielle Weber
Giger bezieht sich in seinen Arbeiten oft auf die ‘klingende Vergangenheit’, auf Tondokumente oder Stücke von bspw. Franz Schubert, Leos Janacek oder Bela Bartok. Meist beinhalten seine Stücke auch Video, Installation oder räumliche Komponenten. Und manchmal erstellt Giger auch Filmsoundtracks, die als eigenständige Musikwerke den Filmen gegenüberstehen.


In der Video-Installation Gabrys und Henneberger – Transformationen (UA Gare du Nord Basel 2014) improvisiert der Kontrabassist Aleksander Gabrys live zu einem Video. Auf diesem ist der Dirigent Jürg Henneberger zu sehen, wie er das Ensemble Phoenix in Gigers Clash dirigiert.

Diesmal widmet er sich erstmals der Renaissance. Das neue Stück für Ultraschall mit dem Titel Qu’est devenue ce bel oeuil basiert auf dem gleichnamigen Madrigal des Renaissance-Komponisten Claude Le Jeune für Stimmen a capella.

Über sein neues Stück unterhielt ich mich mit ihm per Zoom von Zürich nach Basel auf der Zielgeraden zur Uraufführung.

Das Musikleben pausiert gerade aufgrund der Pandemie.. Wie hat sich ihr Arbeiten verändert?

In meinem Arbeitsalltag als Komponist verbringe ich viel Zeit alleine im Studio oder in der Kammer. Ausser den extremen sozialen Einschränkungen hat sich deshalb wenig verändert. Aber die Vorgeschichte und die Probenarbeit für einzelne Stücke ist kompliziert geworden.

Begonnen habe ich das neue Stück für Ultraschall in Berlin. Ich hatte dort ein Stipendium (Atelier Mondial) und wollte ein halbes Jahr lang intensiv Museen, Galerien und Konzerte besuchen. Aufgrund der Pandemie war alles geschlossen. Hingegen kenne ich nun alle Seen, Parks und Wälder in und rund um Berlin. Durch dieses Vakuum von der Aussenwelt verbrachte ich eine geschützte, zurückgezogene Zeit und konnte mich richtig gut aufs Komponieren konzentrieren. Das war eine positive Seite.

Die negative Seite: Proben- und Konzertsituationen sind die eigentliche Belohnung fürs einsame Komponieren. Diese kleinen speziellen Momente, in denen sich alles verdichtet, die sich aus dem Arbeitsjahr abheben, sind nun nicht mehr existent.

Ihre Arbeiten beinhalten meist auch Visuelles wie Video oder Installation: gibt es beim Stück für Ultraschall solche Aspekte oder adaptierten Sie es für die rein radiophone Uraufführung?

Es ist zwar ein kammermusikalisches Stück ‘für Stimme, Bassklarinette und fiktive Orgel’, war aber ursprünglich gedacht als räumliches Live-Stück. Den Auftrag erhielt ich von den Musikerinnen Sarah Maria Sun, der Sopranistin, und Nina Janssen-Deinzer, der Klarinettistin. Ihr Wunsch war der Einbezug von Elektronik. Ich entschied mich für eine Vierkanalzuspielung, eine imaginäre grosse Orgel – vier Lautsprecher, die um sie herum platziert sind. Da es nun ohne Publikum stattfindet und übers Radio ausgestrahlt wird, fällt die geplante räumliche Komponente weg.

Jannik Giger: Sarah Maria Sun (Sopran) in der Schlotterarie aus Kolik, UA Gare du Nord Basel, 2019


Eine Crazy-Harmonik..

Wie kamen Sie gerade auf Claude Le Jeune? Sie befassten sich bislang eher mit Stücken aus der Romantik, Klassik, Barock oder mit Wegweisern der Moderne? Was ist ihr Bezug zur Renaissance?

Ich schöpfe oft aus bestehenden Versatzstücken oder Materialien auf die ich zufällig stosse und die mich auf irgendeine Weise ansprechen. Der Sänger Jean-Christophe Groffe hat mich auf dieses fantastische Vokalstück aufmerksam gemacht. Speziell an Le Jeune ist die Crazy-Harmonik. Das Stück ist komplett durch-chromatisiert und einheitlich: Da gibt’s einen Text, eine Harmonik, eine Form, eine repetitive Rhythmik. Dass ich von diesem Material ausging, war ein intuitiver Entscheid. Es entstand ein assoziatives, fast anti-intellektuelles Stück mit einem einfachen Konzept: die Kombination des Choralmaterials mit Orgelklängen. Meine eigene Vorgabe war, dass es nichts anderes an Samples beinhalten dürfe als Orgelklänge.

Claude Le Jeune (1528-1600), Qu’est devenu ce bel oeuil

.. hatte das vielleicht etwas mit der Pandemie zu tun? Ein Rückbezug auf eine ferne Vergangenheit, auf die musikalische Renaissance..

Nein – oder vielleicht schon.. Es geht ja um Vergänglichkeit, das Stück hat etwas Nostalgisches. Bereits die Titel-Frage ‘Qu’es devenu ce bel oeil?’.. Was ist passiert.? Alles löst sich auf.. Le Jeune begleitete mich in Berlin. Ich komponierte da auch ein Stück fürs Arditti-Quartett, in dem ich mich auf ihn bezog.

Wie gingen Sie kompositorisch vor? Weshalb diese Besetzung?

Ich hörte mir zahlreiche Orgelaufnahmen an -von Bruckner, Machaut, Bach, Brahms, Buxtehude- und sampelte einzelne Orgelklänge ab. Darin lassen sich nicht nur verschiedene, unterschiedlich gestimmte Orgeln hören, sondern auch verschiedene Räume. Während Wochen erstellte ich mir so ein Archiv an Klängen. Dann “baute” ich aus verschiedenen Samples die fiktive Orgel durch Montage und Collage. Das Aneinanderreihen und Überlagern von Klängen und Räumlichkeiten ergab eine fast orchestrale Komplexität.


Jannik Giger, Ausschnitt aus Elektronikspur / Fiktive Orgel in: Q’est devenu ce bel oeil, UA Festival Ultraschall 22.1.2021


Im Stück kommen die beiden Solistinnen zur fiktiven Orgel: Wie muss man sich das als Ganzes vorstellen?

Das obig eingefügte Tonbeispiel zeigt einen Ausschnitt aus der Tonspur der fiktiven Orgel allein. Jeder Akkord stammt von einer anderen Orgel. Die Tonspur läuft im Konzert durch, verteilt auf vier Lautsprecher, und wird sich mit den Live-Instrumenten mischen. Die zwei Ebenen spielen miteinander. Manchmal verschmelzen sie, manchmal sind sie gegenläufig.

Ein ‘Madrigal-Trip’

Das ursprüngliche Stück von Le Jeune ist ein Madrigal für Stimmen a capella, die Chromatik übernehmen Sie in die Vier-Kanalorgel – wie gehen Sie mit der Stimme um?

Sarah Maria Sun, die Sopranistin, singt auf den Originaltext von Le Jeune. Manchmal klingt das nach französischem Chanson, manchmal nach Renaissance oder nach zeitgenössischer Musik, gespickt mit neuen Spieltechniken. Die Stimme fluktuiert von melodiös und tonal zu sehr geräuschhaften Passagen. Sie spielt mit ästhetischen Referenzen. Es ist fast ein ‘Madrigal-Trip’ entstanden.

Giger on air oder im live-stream: geht das überhaupt? Sehen Sie auch Chancen in der aktuellen Situation und wie gehen Sie mit ihr um?

Wenn Kammermusik gut aufgenommen wird, auch visuell, kann das im Livestream schon funktionieren. Stücke für mehrere Instrumente oder für Orchester gehe ich aber gerade anders an. Es ist ein physisches Vakuum da: weil die Musikerkörper nicht präsent sind, weil die Ritualisierung der Konzerte fehlt, das Auftreten, das Abtreten, die Spannungsmomente. Reine Dokumentation reicht nicht mehr aus. Ich versuche, einen Schritt weiter zu gehen. Kürzlich nahm ich bspw. ein CD zusammen mit Dieter Ammann auf (CD Ammann-Giger, Mondrian Ensemble, Ensemble Nuance): Der Tonmeister Alexander Kordzaia hat die Aufnahme close mikrophoniert, bewusst fast überproduziert. Die Musik ist mikroskopisch aufgefächert. Das Produkt ist keine Abbildung von live, sondern erhielt eine komplett andere Wahrnehmungsqualität.

Was kommt danach? 2021 soll bspw. auf dem Label KAIROS eine neue CD herauskommen mit Titel  Krypta – wollen Sie dazu etwas verraten? Und gibt es kommende Projekte?

Die Platte vereint bereits produzierte, z.T. noch nicht veröffentlichte Instrumentalmusik. Krypta war eine Klanginstallation fürs Musikfestival Bern, von der es auch eine reine Stereo-Audiospur gibt. Oder es gibt ein neues Stück, eine Montagearbeit aus Studio-Recordings mit den Ensembles Xasax und Thélème.


Jannik Giger, Ausschnitt aus Krypta, Multichannel Orchestration, Musikfestival Bern 2019

Ich freue mich auf ein Projekt für die Architekturbiennale in Venedig. Bei der Eröffnung im Mai im Pavillon Suisse soll ein räumliches Stück von mir aufgeführt werden – falls es stattfinden kann.. Auf Basis von Architekturtexten arbeite ich mit dem Opernsänger Andrejs Krutojs. Es geht um Venedig und die italienische Oper. Und für ZeitRäume Basel machte ich mich an die Arbeit für eine Videoinstallation. Sie befasst sich mit der Thematik der ‘Blind audition’, eine Form des gendergerechten Vorspielens für Orchesterstellen.
Gabrielle Weber

Jannik Giger Portrait © zVg Jannik Giger


Ultraschall Berlin
– Festival für neue Musik: findet vom 20. Bis zum 24. Februar statt. Hier geht’s zum genauen Programm.

Konzert 22.1., 20h, live Deutschlandfunk Kultur:
Sarah Maria Sun, Sopran, und Nina Janssen-Deinzer, Klarinetten und Saxophon, UA Jannik Giger Qu’est devenu ce bel oeuil und Werke von u.a. Georges Aperghis, Toshio Hosokawa, Wolfgang Rihm.
Wiederholung 16.2.20, 23:04h, rbb Kultur in: Musik der Gegenwart

Jannik Giger, CD Ammann-Giger / a tree in a field records – Koproduktion SRF 2 Kultur, Atelier Mondial, KAIROS, Andrejs Krutojs, Alexander Kordzaia, Ensemble Nuance, Festival ZeitRäume Basel, Biennale Venezia, ThélèmeJean-Christophe Groffe

Sendungen SRF 2 Kultur
Kultur Aktuell & Kultur Kompakt Podcast, 22.1.21, 8:05h/11:30h: Livegespräch zum Festival Ultraschall und UA Jannik Giger, Gesprächspartnerin Gabrielle Weber
Musik unserer Zeit, 3.2.21, 20h: Jannik Giger, der Scherbensammler, Redaktion Theresa Beyer
Musikmagazin, 6./7.2.21: Jannik Giger im Café-Gespräch mit Theresa Beyer
srf online: Multitalent Jannik Giger – Dieser Komponist hält der verstaubten Klassik den Spiegel vor, Autorin Theresa Beyer

Neo-Profiles
Jannik Giger, Sarah Maria Sun, Musikfestival Bern, Ensemble Phoenix Basel, Mondrian Ensemble, Aleksander Gabrys, Dieter Ammann, Xasax Saxophonquartett, ZeitRäume Basel

An Moku – Klangkünstler und Soundtüftler

Entdecken! so lautet ein neoblog-Vorsatz fürs neue Jahr. Immer wieder portraitiert der neoblog etwas Besonderes aus dem wachsenden Pool an neo-Profilen. Den Einstieg bildet Dominik Grenzler aka An Moku. Mit Grenzler unterhielt ich mich zwischen den Jahren.

Gabrielle Weber
Grenzler aka An Moku ist -nicht nur- seit dem ersten Shutdown- enorm produktiv. Seiner Musik kam die Zeit des Innehaltens fast organisch entgegen. Denn sie verbindet Naturklang mit Urbanem. Grenzler der naturverbundene Elektro-Soundtüftler, nutzte die Zeit des ersten Shutdowns für neue Kollaborationen. Und er setzte Field Recordings ein, Aufnahmen aus seinem Umfeld, aus der Natur, dem Alltagsleben, von vergangenen Reisen.
In kürzester Zeit entstanden in Folge gleich drei neue CDs

Dominik Grenzler aka An Moku ©zVg Dominik Grenzler

“Für die Kollaborationen während des Shutdowns habe ich Field Recordings aus meiner grossen Sammlung verwendet. Ich nehme sie überwiegend auf meinen Reisen auf. Sie sind eine Art Reisetagebuch. Da ich nicht physisch unterwegs sein konnte, reiste ich online nochmals mit ihnen. Und dazu erkundete ich digital Ungeahntes “.

Grenzler stammt ursprünglich aus Gdynia, Polen, und es verschlug ihn jung nach Deutschland, in den Ruhrpott. In der dortigen Club- und Popszene machte er sich zunächst als E-Bassist einen Namen, bevor er sich vor einigen Jahren für die neue Wahlheimat Zürich entschied. Mit An Moku, seinem Pseudonym für experimentelle Musik, entstanden dann im Nu diverse Zusammenarbeiten mit hiesigen Musikschaffenden. Und neue sind geplant, bspw. mit der Bassistin Martina Berther.


An Moku & Frederik Vanderlynden, Mirror / Of Mirrors, 2020

Die CD ‘Of Mirrors‘ entstand bereits 2012, als Zusammenarbeit mit dem belgischen Klangkünstler Frederic Vanderlynden aka Virlyn, auf der Basis von Field Recordings aus Island. Das Album ruhte zunächst in der Schublade und nahm erst mit der Zusammenarbeit mit den Schweizer Musikern Cornelia Stromeyer, Piano, Oriana Zänerle, Geige und Jacki Knöpfel, Cello eine endgültige Form an. “Die CD spiegelt eigentlich eine Reise in die Vergangenheit”, meint Grenzler.


An Moku & Frederik Vanderlynden, Frost / Of Mirrors, 2020

Of Mirrors bietet einen enormen, äusserst subtilen Farbenreichtum.
Flirrend, knisternd steigt der erste Track ein. Minimal tonal changierende Klangteppiche, repetitive Patterns brechen allmählich das elektronische Flimmern. Und immer wieder evozieren Instrumentalklänge vermeintlich konkrete, dennoch unbestimmte Orte.
Grenzler vermittelt in Of Mirrors Stimmungen fast mit einem filmischen Ansatz: es entstehen Bilder im Kopf, vage Landschaften, Weite und Ferne.

Um Musik, die Bilder evoziert, geht es auch bei der CD von An Moku mit Joel Gilardini.
Die Gelegenheit zur Zusammenarbeit ergab sich durch Grenzlers Einladung zum zehnten ‘Marathon des Zelluloids’ im Dezember 2019 in Zürich. Ein Stummfilmfestival mit Soundtracks, gespielt als Live-Performances.


An Moku & Joel Gilardini, 2020

Die CD basiert auf gemeinsamen Improvisations-Sessions seit Herbst 2019, bei denen die beiden ihren gemeinsam Ton gefunden hätten, meint Grenzler, unabhängig vom konkreten Film. Dieser sei erst kurz vor dem Festival bekanntgegeben worden: drei Kurzfilme der US-amerikanischen Avantgarde-Filmemacherin Maya Deren aus den vierziger Jahren. Dazu Grenzler: “Maya Deren dient zwar als ein Soundtrack. Aber eigentlich entstand eine Art Kopfkino”.

Auch die Stücke dieser CD kommen unbestimmt, fast mysteriös daher und lassen Raum für die eigene Imagination. Bspw. tragen die Tracks keine Titel, nur rätselhafte Nummerierungen: 5 – 11.2 – 2 – 13 – 8 – 11.1 – 10, geben also keinen inhaltlichen Anhaltspunkt.

“Gerade eben ist das Album von dem Musik-Blog «Post Ambient Lux» zu den Top 100 Ambient-Alben 2020 ernannt worden”, freut sich Grenzler.

Auf dem jüngsten Album ‘Where We Meet‘ trifft Grenzler auf den belgischen Gitarristen Stijn Hüwels. Where We Meet entstand während des Lockdowns im Frühling, zwischen Zürich und Leuven, und ist die erste Zusammenarbeit zwischen Grenzler und Hüwels.


An Moku & Stijn Hüwels, Where we meet, 2020

“Das Album ist voll von mikroskopischen Field Recordings. Mir reichen meist ein paar wenige Sekunden, um dem musikalischen Kontext eine interessante farbliche Nuance, gar Wendung zu verleihen. Mit der heutigen Technik im Gepäck klingt sogar ein Specht im Wald fremd..”, sagt Grenzler dazu.

Atonale Verrücktheit und imaginierte Welten

Früher machte ich Rock und Pop. Heutzutage interessiere ich mich weniger für harmonische Melodien, sondern mehr für Stimmungen”, so Grenzler und beschreibt die Musik von An Moku selbst als “atonale Verrücktheit”, und seine musikalischen Genres mit “Experimental Music, Dark Ambient, Drone, Soundtrack”.

An Moku, das Alter Ego, stammt aus dem Japanischen und bedeutet: “tacit, unsaid, implicit”, umfasst also das, was nicht genau in Worte gefasst werden kann oder soll. Das was mitschwingt oder sich von selbst versteht. Und genau das macht das Geheimnis von An Moku aus.

An Moku evoziert ferne Welten, sei es geografisch oder zeitlich, und lässt der eigenen Imagination Raum. Und entsprechend sind die CD-Covers von einer japanisch minimalistischen Ästhetik geprägt: schwarz-weisse bis tiefblaue, meist eigene Fotografien Grenzlers, darauf Landschaften, vereinzelte unkenntliche Menschen. Das bestätigt er: “Der Minimalismus zieht sich bei mir durch alles durch – Ob Klang- oder Bild. Am liebsten würde ich Musik nur aus einem einzigen Element bestehend machen”.

Vorerst erscheint aber anfangs 2021 ein weiteres Album aus der Shutdownphase zusammen mit Stefan Schmidt aus Deutschland auf Karlrecords und im Frühling ein minimalistisches Bass-Gitarren-Solo-Album auf dem New Yorker Label Puremagnetik.
Gabrielle Weber

Dominik Grenzler aka An Moku ©zVg Dominik Grenzler

 

Of Mirrors: Kooperation zwischen dem von Grenzler gegründeten Zürcher Label EndTitels und dem britischen Label Audiobulb.

An Moku und Joel Gilardini: erschienen auf dem japanischen Label  Bullflat3.8.

Where We Meet: erschienen auf dem britischen Label Slowcraft Record

An Moku, Martina Berther, Maya Deren, Stijn Hüwels, Joel Gilardini, Frederic Vanderlynden aka Virlyn, Marathon des Zelluloids, Stefan Schmidt, Karlrecords, Puremagnetik, «Post Ambient Lux»

Neo-Profiles
An Moku, Martina Berther, Joel Gilardini

 

 

 

 

 

 

Stilles Beben – Der Komponist Charles Uzor

Mit sieben Jahren hat er seine Muttersprache Igbo vergessen und eine neue Sprache gelernt: Schweizerdeutsch. Der Komponist Charles Uzor macht sich in seiner Musik auf den Weg zurück in seine nigerianische Kindheit, in die «pochende und bebende Natur» der afrikanischen Tropen, zur fernen Stimme seiner Mutter. Cécile Olshausen hat Charles Uzor besucht.

Charles Uzor Portrait ©zVg Charles Uzor

Cécile Olshausen
Es regnet, als ich in St. Gallen aus dem Zug steige. Mein Smartphone zeigt mir den Weg zu Charles Uzors Wohnung. Er lebt mitten in der St. Galler Innenstadt, nur zwei Minuten zu Fuss. Trotzdem schaffe ich es, mich zu verlaufen.

Umwege haben mich zu Charles Uzor geführt. Vor vielen Jahren sassen wir einmal zufällig nebeneinander in einem Konzert, haben uns unterhalten. Seither habe ich seinen Namen, seine Musik immer wieder gehört. Persönlich aber sind wir uns nie mehr begegnet.

Jetzt öffnet er mir die Türe und ich schüttle ein paar Regentropfen ab, bevor ich eintrete. Charles Uzor empfängt mich in seiner grosszügigen Stadtwohnung. Mein Blick fällt auf einen Flügel, auf Wände voller Bücher und CDs, in der Küche plätschert der Heizkörper wie ein Springbrunnen. Ein Sonnenschirm lehnt in einer Ecke des Wohnzimmers und erinnert an den Sommer, während draussen über dem kleinen Balkon ein riesiger Weihnachtsstern hängt.

Am Stubentisch nehmen wir Platz. Und von der städtischen Adventsbeleuchtung direkt vor seinem Fenster führt uns unser Gespräch langsam hinein in die Lebens- und Klangwelten von Charles Uzor. In eine Biografie, in der sich so viele Wege kreuzen.

In Nigeria ist Charles Uzor 1961 zur Welt gekommen. Wenige Jahre später entbrannte in seiner Heimatregion Biafra ein grausamer Kampf um Unabhängigkeit. Mit sieben Jahren entkam er den Kriegs-Gräueln. In St. Gallen fand Charles Uzor eine neue Familie. Hier ging er zur Schule, machte seine Matura. Studien – zuerst Oboe, dann Komposition – führten ihn nach Rom, Bern, Zürich und London. Seine Dissertation schliesslich schrieb er über Melodie und innerliches Zeitbewusstsein. Charles Uzors Werke sind vielseitig: Opern, Tanz-, Orchester- und Chorkompositionen, aber auch viele Stücke für Ensemble-Besetzungen.

Über seine Musik verbindet sich Charles Uzor mit seiner Vergangenheit, mit seiner Kindheit in Nigeria.

Unsere Unterhaltung verläuft ruhig, es ist ein Gespräch, das Stille zulässt. Ein Stille, die ich auch in manchen Stücken von Charles Uzor wiederfinde. Zum Beispiel in    Nri/ mimicri (2015/2016) für Ondes Martenot, Schlagzeugensemble und Tonband. Das ist keine linear sich entwickelnde Komposition, vielmehr ein Klangraum, durch den man sich aufmerksam hörend tastet. Als betrete man ein Tropenhaus und befinde sich – kaum ist man über die Schwelle getreten – in einer völlig anderen Welt. Nri/ mimicri ist für Charles Uzor eine Annäherung an seinen «afrikanischen Ursprung», wie er es selbst formuliert, ein Stück, in dem man «das Pochen und Beben der Natur» wahrnehmen könne. Und es ist eine Referenz an seine Urahnen, die Nri, ein sagenumwobenes nigerianisches Volk.


Charles Uzor, Nri/mimicri, Percussion Art Ensemble Bern, UA 2016, Eigenproduktion SRG/SSR

Charles Uzor ist Igbo und im Südosten von Nigeria aufgewachsen, im Nigerdelta, einer Region mit tropischem Regenwald und vielen Flüssen. Mit seiner Familie hat er sich auf Igbo unterhalten. Als er dann mit sieben Jahren in die Schweiz kam, hat sich diese Sprache innerhalb kürzester Zeit verflüchtigt. Und blieb verschwunden. Bis heute treibt es Charles Uzor um, dass er seine Muttersprache einfach vergessen konnte.

.. traditionelle Igbo-Sprichwörter auf Band gesprochen..

Glückliche Umstände haben dazu geführt, dass er nach dem Biafrakrieg seine Familie wiederfand. Mittlerweile Teenager und fest verankert in seiner Schweizer Lebenswelt, entschied sich Charles Uzor, bei seiner St. Galler Familie zu bleiben. Mit seiner nigerianischen Mutter, die heute in den USA lebt, steht er seither aber im Kontakt. Und in seinem Zyklus Mothertongue (2018) hört man ihre Stimme. Sie hat traditionelle Igbo-Sprichwörter auf Band gesprochen.


Charles Uzor, Mothertongue Fire / mimicri for tape, Maria Christina Uzor, 2018

Uzor verarbeitet diese Aufnahmen zu einer Komposition und verbindet sich so klanglich mit einer Sprache, die er nicht mehr versteht. Mit seiner Muttersprache.


Charles Uzor, Mothertongue für Mezzosopran, Ensemble und Tonband, Ensemble Mothertongue, UA Musikfestival Bern 2020, Eigenproduktion SRG/SSR

Charles Uzors kompositorische Wege führen ihn nicht nur zurück in die Vergangenheit seiner afrikanischen Kindheit, sondern auch in weit entfernte Jahrhunderte. Während einer kurzen Gesprächspause, in der wir die Fenster öffnen und frische Luft hereinlassen, werfe ich einen Blick auf Charles Uzors überbordendes, buntes CD-Regal – und mir fällt auf: viel Musik von Pérotin, Guillaume de Machaut, Johannes Ockeghem oder Costanzo Festa. Woher diese Liebe zur Alten Musik komme, möchte ich von Charles Uzor wissen, als wir den Gesprächsfaden wieder aufnehmen.

In dieser vorbarocken Musik öffne sich, so Uzor, eine Weite und Wildheit, eine Ordnung und Struktur, die ihn magisch anziehe: «Ich habe oft das Gefühl, ich war da dabei; da kommen mir Bilder von mir als Renaissancemenschen, so nah empfinde ich das.» Und diese Musik mit ihren Reigen, Rhythmen und Repetitionen hat für Charles Uzor auch etwas Afrikanisches. So finden in seinen Kompositionen Alte Musik und afrikanische Sprach-Klänge zusammen. Wege, die sich treffen, Momente der Begegnung.

Was sich in seiner Musik mühelos verbindet, das Alte und das Neue, das Afrikanische und das Schweizerische, erfährt in seinem Alltag Risse. Denn als Schwarzer ist Charles Uzor von Rassismus betroffen – auch hier in der Schweiz. Und das, wie er mir erzählt, jeden Tag. Alltäglicher Rassismus.

8’46” – solange dauerte der Todeskampf des George Floyd

Charles Uzor hat auch nicht geschwiegen, als George Floyd ermordet wurde. Der schwarze US-Bürger, der im Mai 2020 durch Polizeigewalt zu Tode kam und dessen Mord weltweit Proteste ausgelöst hat, – zusammen mit der Bewegung «Black Lives Matter». Charles Uzor hat damals das Stück 8’46’’ Sekunden komponiert – solange dauerte der Todeskampf von George Floyd, dem der Atem abgedrückt wurde. Die Komposition besteht nur aus Atemgeräuschen. Für Charles Uzor war es eine Notwendigkeit, dieses Stück zu schreiben, um seine eigene tiefe Erschütterung zu verarbeiten und nach aussen zu tragen.


Charles Uzor, 8’46” – Floyd in memoriam, UA Musikfestival Bern 2020, Eigenproduktion SRG/SSR

Charles Uzors Hommage an George Floyd wurde am 4. September 2020 in Bern uraufgeführt. Ich habe diesen Konzertmoment in eindrücklicher Erinnerung. Eine konzentrierte Aufführung des Ensembles Mothertongue mit dem Dirigenten Rupert Huber. In keinem Moment pathetisch. Und am Ende der 8’46’’ kein Applaus – sondern Betroffenheit, Schweigen und einfach nur Stille.

Der Regen hat aufgehört und es ist dunkel geworden. Lange haben wir uns unterhalten. In der Küche kocht Charles Uzor einen Kaffee und das beruhigende Plätschern des Heizkörpers holt uns aus den Tiefen der Gesprächswelt zurück in die Gegenwart. Dann breche ich auf Richtung Bahnhof. Jetzt kenne ich den Weg.
Cécile Olshausen

 

Charles Uzor Portrait ©zVg Charles Uzor

Musikfestival Bern – Mothertongue, Rupert HuberPercussion Art Ensemble Bern

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, Mittwoch, 16.12.20, 22h: Pochen und Beben – der Komponist Charles Uzor, Redaktion Cécile Olshausen.

Neo-Profile: Charles Uzor, Musikfestival BernPercussion Art Ensemble Bern

Ungläubig, aber hoffend

Seit Lancierung von neo.mx3 machen die vier Sender der SRG auch Archivaufnahmen der Schweizer musikalischen Avantgarde sukzessive zugänglich. Inzwischen ist bereits ein enormer Fundus an raren Aufnahmen nach zu hören. Der neoblog macht immer wieder punktuell auf einzelne Musikschaffende, Ensembles oder wichtige Werke aufmerksam.
Der Basler Komponist Jacques Wildberger (1922–2006) -und sein Bezug zu Paul Celan- bilden den Einstieg.

Corinne Holtz: Jacques Wildberger vertont Paul Celan

Paul Celan (1920–1970) kam vor 100 Jahren als Paul Antschel in Czernowitz im damaligen Grossrumänien zur Welt. Er ist einer der meistvertonten deutschen Dichter und prägte über 50 Jahre Musikgeschichte. Der Schweizer Komponist Jacques Wildberger wandte sich in seinem letzten Werk noch einmal Celan zu.

Jacques Wildberger erläutert sein Komponieren ©zVg Michael Kunkel

Im April 1953 erreicht ein Zirkular die Vorstandsmitglieder des Schweizerischen Tonkünstlervereins. Es betrifft das Aufnahmegesuch des Schweizer Komponisten Jacques Wildberger. Unter den beigelegten Partituren findet sich das Trio für Oboe, Klarinette und Fagott aus dem Jahr 1952, entstanden nach Ende des strikten Studiums bei Wladimir Vogel im Tessin. Wildberger stösst mit seinen ersten eigenständigen zwölftönigen Arbeiten auf offene Ablehnung. „Niemand wird diese Werke je annehmen. Wir werden sie nie hören müssen und können darum ruhig Aufnahme beschliessen.“ Diese zynisch anmutende Bemerkung stammt von Paul Sacher, dem Mäzen und Dirigenten neuer Musik.

Jacques Wildberger: Trio für Oboe, Klarinette und Fagott, 1952, Eigenproduktion SRG/SSR

Sacher ist seit 1946 Präsident des Schweizerischen Tonkünstlervereins. Er hat damals zentrale musikpolitische Ämter inne und wird das Schweizer Musikleben über fünf Jahrzehnte massgeblich prägen.

Jacques Wildberger steht für die von Sacher als „konstruiert“ und „rabiat“ bezeichnete „12-Ton-Technik“. Ausserdem vertritt er politische Ansichten, die in der Schweizer Nachkriegszeit verdächtig sind. Wildberger ist drei Jahre lang Mitglied der PdA (Partei der Arbeit) und bleibt auch nach seinem Austritt 1947 – aus Protest gegen Stalins Regime – bekennend links.

Der Kampf um die Möglichkeit von Hoffnung

Ein Kerngedanke von Wildbergers Musik ist „der Kampf um die Möglichkeit von Hoffnung“. Die Hoffnung, dass es einmal besser und gerechter kommt. Obwohl ungläubig, bekennt sich Wildberger zur Auslegung, wie sie im Hebräerbrief 11,1 dargestellt ist: Der Glaube sei eine gewisse Zuversicht dessen, was man hofft.

Dieses Bekenntnis gilt es kompositorisch auszuleuchten: erstmals 1978 in An die Hoffnung für Sopransolo, Sprecher und Orchester.

Jacques Wildberger, An die Hoffnung (1978/79), Sylvia Nopper, Sopran, Georg Martin Bode, Sprecher, Sinfonieorchester Basel, Dirigent Heinz Holliger

Zuletzt dann in Tempus cadendi, tempus sperandi für gemischten Chor und sechs Instrumentalisten, 1998/99 im Auftrag des SWR Stuttgart geschrieben. Die Kantate gleicht einem Vermächtnis des 78jährigen Komponisten. Erneut komponiert Wildberger ein Mahnmal für die ermordeten Juden. Paul Celans Gedichte Tenebrae und Es war Erde in ihnen bilden die Mitte der vierteiligen Kantate.

Tenebrae im Licht von Celan und Wildberger ist ein Tabubruch. Der Dichter tritt als Gotteslästerer auf. Er fordert: Gott muss beten, nicht der Mensch. Der Komponist nimmt diese Übertretung beim Wort und schreibt einen reihenmässig organisierten Protestsong. Wildberger kehrt kompositorisch überhöht zu den Kampfliedern seiner Jugend zurück, die er für das Basler Arbeiterkabarett ‚Scheinwerfer‘ und die Neue Volksbühne Basel geschrieben hat.

Jacques Wildberger: Wir wollen zusammen marschieren, Eigenproduktion SRG/SSR

Jacques Wildberger am Klavier mit den ‘Kampfliedern’ ©zVg Michael Kunkel

Celan kannte die expressiven Tenebrae-Vertonungen des französischen Barockkomponisten Marc Antoine-Charpentier. Dieser schrieb 31 konzertante Motetten mit Instrumenten auf die Klagelieder des Jeremias. Statt den Zorn über die Zerstörung der jüdischen Tempel zu inszenieren, komponierte Charpentier tröstliche Musik für die Karwoche, die dunkelsten Tage im Kirchenjahr. Celan liess sich ausserdem von Friedrich Hölderlins Patmos-Hymne anregen. Aus ‚Nah ist und schwer zu fassen der Gott‘ wird bei Celan ‚Nah sind wir, Herr, nahe und greifbar.‘ Dann blendet der Dichter in die Gaskammern. ‚Gegriffen schon, Herr, ineinander verkrallt, als wär der Leib eines jeden von uns dein Leib, Herr.‘ Am Schluss steht ein Imperativ: ‚Bete, Herr. Wir sind nah.‘

Paul Celan liest Tenebrae

Wildberger nimmt diesen Tonfall auf und erzeugt in seinem 2 Minuten 30 Sekunden kurzen Satz mit sparsamsten Mitteln höchste Intensität. Peitschenhiebe von Schlagzeug und vierhändig gespieltem Keyboard eröffnen die Musik und mischen sich als Signal immer wieder ein. Tenebrae ist mit Agitato und der Tempovorschrift Viertel=108 überschrieben. Gott braucht die Peitsche, um hinzuhören. Dann erst setzt der Chor ein: achtstimmig vervielfacht, homofon geführt und mit rhythmischen Verschiebungen wie eine Versammlung unterschiedlichster Stimmen. Die Musik stellt sich als Weckruf hinter den Text: ‚Nah sind wir Herr, nahe und greifbar‘.

In Takt 10 wird der Herr fortissimo angeschrien. Wildberger verstärkt die mit Akzent versehene Note mit der Vortragsbezeichnung gridato (geschrien). Fünf Takte lang folgt ein ‚ineinander verkralltes‘ Fortissimo.

Dann beginnt mit ‚Bete, bete zu uns‘ ein ruhiger Formteil. Auf das Schreien folgt das Flehen: gesungen, gesprochen und im stimmlosen ‘nn-ah’ endend. Eine Generalpause markiert hier, bereits im Takt 20, die Mitte des 41 Takte langen Stücks.

Wildberger setzt neu an und lässt den Protest stufenweise ab Celans Textzeile ‘windschief gingen wir hin’ wachsen. Die Musik endet wie der Text als chorischer Imperativ: ‘Bete, Herr, wir sind nah’.

Wildbergers Flughöhe wird in diesem solitären Zugriff auf Celan noch einmal deutlich. Statt den Dichter und sein Lebensdrama wie sonst üblich zu transzendieren, lädt Wildberger zu Widerstand und Handeln ein. «Ich habe nicht das Recht, Hoffnung zu verordnen» – Hoffnung zu komponieren hingegen schon, mit musikalischen Mitteln auf der Höhe der Zeit.
Corinne Holtz

Jacques Wildberger am Bahnhof Karlsruhe ©zVg Michael Kunkel

Weitere Werke von Jacques Wildberger sind auf seinem Neo-Profil nachzuhören, oder auf der zugehörigen Playlist.

Sendung SRF 2 Kultur
:
Musik unserer Zeit, 18.11.20: Lieder jenseits der Menschen – Paul Celan und die Musik, Redaktion Corinne Holtz
darin: Jacques Wildberger, Tenebrae, Tonbeispiel ab Min 53.36

Musique de création –  Geheimtipp aus Genf im GdN Basel

Ungewöhnlich ist die Besetzung, und überzeugend : drei Schlagzeuge und zwei Klaviere. Und noch ungewöhnlicher ist die Zusammenarbeit mit dem Cartoon-Kollektiv Hécatombe. In Diĝita verbindet das Genfer Ensemble Batida Musik mit Comics. Zu erleben am 26. November im Gare du Nord, im Saisonschwerpunkt „Romandie“.

Der Schwerpunkt des Basler Bahnhofs für Neue Musik erstreckt sich gleich über drei Saisons, mit drei mal drei Konzerten. Damit stärkt er längerfristig Brücken zur anderen Schweizer Sprachregion. Und gerade jetzt sind diese wichtig: denn die Ensembles aus der frankophonen Schweiz können aufgrund des Lockdowns in der Romandie dort nicht auftreten.

Der neoblog portraitiert die Gastensembles und neo.mx3 begleitet zusammen mit RTS Livesendungen zu den Konzerten.

Folge eins: Ensemble Batida Genève: Ein Portrait

Gabrielle Weber
Zum Gespräch traf ich Jeanne Larrouturou, Perkussionistin und Co-künstlerische Leiterin, per Zoom, im Genfer Lockdown. Larrouturou stammt aus Frankreich und wuchs in Genf auf. Nach dem Studium an der Haute école de musique Genève (HME) spezialisierte sie sich an der Hochschule für Musik Basel (FHNW) auf zeitgenössische Musik. Seither agiert sie als Brückenbauerin zwischen den Szenen der beiden Regionen.

Ensemble Batida: Concert Le Scorpion © Pierre-William Henry

Zur Besetzung von Batida kam es eher zufällig. Als “klassische Bartok-Formation ” sei Batida ursprünglich entstanden, sagt Larrouturou. Sie bezieht sich damit auf Bartoks  Sonate für zwei Klaviere und Schlagzeug von 1937/38 für zwei Klaviere und zwei Schlagzeuge. Dazu formierten sich 2010 vier der Ensemblemitglieder für ein Schlusskonzert an der HME. Weitere gemeinsame Auftritte folgten. Als eine Perkussionistin die Gruppe für einen Auslandaufenthalt verliess, sprang Larrouturou ein, und blieb anschliessend gleich dabei. Die Kernformation besteht seither unverändert: die drei Perkussionistinnen Jeanne Larrouturou, Alexandra Bellon und Anne Briset ergänzen Viva Sanchez Reinoso und Raphaël Krajka am Klavier.

Ein Glücksfall, denn für die einmalige Besetzung entstanden viele neue Werke. Einerseits von befreundeten KomponistInnen, andererseits durch kollektives Komponieren der Ensemblemitglieder. Und auch das begann zufällig. In einem Projekt mit einer Tanzkompagnie habe der Choreograph Batida gebeten, etwas zu komponieren. “So kamen wir zum ersten Kompositionsauftrag. Und das gemeinsame Komponieren führten wir anschliessend weiter. Als nächstes komponierten wir für ein Projekt mit einem Marionettentheater”, so Larrouturou.

Ensemble Batida, Haïku, kollektive Komposition 2013

“Die Art wie wir komponieren kommt stark aus dem Experimentieren. Wir haben eine Idee der generellen Struktur, eines Konzepts. Dann ‘machen’ wir: wir spielen, wir hören uns gegenseitig an, nehmen uns auf, hören das Aufgezeichnete gemeinsam. Wir strukturieren, organisieren und notieren “. Eine Art der Kreation also, die Improvisation und Notation verbindet. In der Regel werden auch improvisatorische Elemente beibehalten.

musique de création

In einem musikalischen Genre will sich Batida nicht eindeutig verorten. “Wir sehen uns in der zeitgenössischen Musik. Wir mögen aber nicht so sehr was hinter dem Etikett steht”, meint Larrouturou. In Frankreich gäbe es verschiedene gelungenere Bezeichnungen: ‘Musique de création’ sei für sie am treffendesten: “der Begriff ist genug offen, schliesst aber gleichzeitig die alte „zeitgenössische Musik’ aus”.

Ensemble Batida: Mean E, kollektive Komposition 2013

Batida hatte bislang kaum Auftritte in der Deutschen Schweiz. Nach dem Concours Nicati in Bern 2014 folgten Auftritte beim Festival Zeiträume Basel und in Andermatt. Ganz im Gegenteil zur französischen Schweiz wo das Ensemble an vielen Festivals präsent ist, wie auch zum Ausland. In Frankreich, Russland, Portugal, Zypern waren sie bereits auf Tournee. Eine weitere – mit Diĝita in die USA – ist geplant (und wegen der Pandemie bereits schon  verschoben).

Wie erklärt sich Larrouturou diesen überschaubaren Austausch der Sprachregionen?

“Ich lebe seit zirka vier Jahren in Basel und habe mein Netzwerk in Basel, Genf und Lausanne. Mich erstaunt immer wieder, dass die Szenen sich gegenseitig wenig kennen. An der Hochschule in Basel stellte ich fest, dass es grundsätzliche Unterschiede in der ästhetischen Ausrichtung gab. An gewissen Musikschaffenden kommt man in Basel nicht vorbei, die waren aber in der Romandie kaum präsent. Die französische Schweiz ist stärker mit Frankreich, die deutsche Schweiz stärker mit Deutschland vernetzt”, meint Larrouturou.

Zusammen mit dem Komponisten Kevin Juillerat, Basler Studienkollege und in Lausanne domiziliert, kuratiert Larrouturou die Lausanner Konzertreihe Fracanaüm. Dort versuchen die beiden solche Gräben zu überwinden. ” Die Frage woher jemand kommt stellen wir uns gar nicht. Wir laden unser Netzwerk aus beiden Regionen ein. Aus solchen kleinen Initiativen entstehen Beziehungen auf lange Sicht “, ist Larrouturou überzeugt.

Batida geht es aber auch um Brücken zwischen den Sparten. Die meisten Projekte sind  transdisziplinär angelegt und entstehen in Kollaboration mit weiteren Kunstschaffenden, mit Tanz, Marionettentheater, Architektur, Video oder Comiczeichnern.

Mit dem Genfer Zeichnerkollektiv Hécatombe kollaborieren Batida seit einem ersten gemeinsamen Projekt 2016 laufend.

Ensemble Batida & Hécatombe: Oblikvaj, kollektive Komposition 2016-2018

“Beim ersten gemeinsamen Projekt Oblikvaj (2016-2018 ) stellte sich gleich heraus, dass wir dieselbe Wellenlänge hatten. Jedes der fünf Hécatombe-Mitglieder schuf eine grafische Partitur, je einen 24seitigen schwarz-weiss Comic. Batida reagierte darauf mit kollektiven Kompositionen. Das funktionierte blendend”. Später gab es dann Konzerte mit Live-Begegnungen.

In Diĝita geht es nun erstmals um den gemeinsamen Kreationsprozess. “Im Sommer 2019 vergruben wir uns alle zusammen in einer 14tägigen Retraite in einem alten Hof ‘au milieu de nulle part’. Wir brachten keine Instrumente mit, sondern sammelten vorhandene Klänge und zeichneten diese auf, bspw. von grossen Maschinen, Traktoren und Motoren.”

Diĝita, Trailer ©Gare du Nord, Batida & Hécatombe

Der Titel Diĝita steht einerseits konkret für die ‘Finger’, andererseits für digital vs. analog. Die aufgezeichneten und gesampelten Klänge verweisen auf das Digitale, die Musikerperformer auf die Arbeit mit Fingern. Die Musiker spielen innerhalb eines transparenten Kubus. Die Wände sind Screens, auf die 3D-Videos der Zeichner projiziert werden: lebensgrosse Comicfiguren auf den Videos überlagern und verfremden so die realen Musikerkörper im Kubus.

Diĝita konnte am 31. Oktober noch ein Konzert in Lausanne geben: “Das war ein Erlebnis in extremis. Uns war klar, dass wir sobald nicht mehr live spielen würden und wir haben den Moment noch stärker ausgekostet” meint Larrouturou dazu. Die weitere Diĝita -Tournee mit Folgekonzerten in Genf ist nun durch den Lockdown der Romandie unterbrochen.

En passant stellte sich im Gespräch heraus, dass Batida dieses Jahr gerade sein zehnjähriges Bestehen feiert. Ein Fest mit Partnern und Publikum in Genf sei geplant, aufgrund der Pandemie werde es aber sicherlich erst 2021 stattfinden.
Gabrielle Weber

 

Ensemble Batida Portrait ©Batida

Ensemble Batida: Klaviere: Viva Sanchez Reinoso, Raphaël Krajka
Percussion; Jeanne Larrouturou, Alexandra Bellon, Anne Briset
Diĝita: Video: Giuseppe Greco, Ton: David Poissonnier

Gare du Nord: Batida & Hécatombe: Diĝita, 26.11.20, 20h
(aufgrund des Basler Lockdowns spielten sie 2x für 15 Personen, mit Livestream für alle anderen)

Ensemble Batida, FracanaümKevin Juillerat, haute école de musique genève – neuchâtel, Hochschule Musik Basel, Hécatombe,

Sendung RTS:
l’écho des pavanes, 20.11.20, rédaction Anne Gillot, Gespräch mit Désirée Meiser, Intendantin Gare du Nord
Sendung SRF 2 Kultur:
in: Musik unserer Zeit zu neo.mx3, 21.10.20, Redaktion Florian Hauser / Gabrielle Weber

neo-Profiles: Ensemble Batida, Gare du NordAssociation Amalthea, Kevin Juillerat

 

Wien Modern spielt ohne Publikum

17 Neuproduktionen als Stream im Lockdown: 6.-29.11.20

Gabrielle Weber
Die Stadt Wien traf es hart. Zuerst frühzeitig zur Quarantäneregion erklärt, dann der kurzfristig ausgerufene Lockdown für den Monat November. Kurz darauf die unfassbare Terrorattacke. Das einzigartige Musikfestival Wien Modern ist zeitlich und geographisch mittendrin. Es bespielt die Wiener Innenstadt normalerweise jeweils während des ganzen Monats an diversen Orten.

Saal Konzerthaus ohne Publikum ©Markus Sepperer 

Unter dem Motto “Stimmung” spürt das Festival vielschichtig und vieldeutig der aktuellen Stimmungslage im Jahr 2020 nach. 44 neue Produktionen und 85 neue Stücke hätten zur Aufführung kommen sollen, verteilt auf 32 Tage. Nur das Eröffnungswochenende fand mit Publikum statt. Gezeigt wurden sechs Produktionen und damit gerade mal 14% des Gesamtprogramms.

Am dritten und zugleich zweitletzten Abend konnte noch die Uraufführung von Edu Haubensaks Grosser Stimmung gespielt werden. Wien Modern scheut keinen Aufwand – fast vorausahnend wurde der Zuschauerraum des Wiener Konzerthauses für die elf verschieden gestimmte Konzertflügel leergeräumt. Das Publikum war freilich noch präsent – auf den Rängen.

So konnte Haubensaks Grosse Stimmung erstmals als Ganzes live erlebt werden. Denn nach Teilaufführungen wurde die geplante integrale Uraufführung im Sommer an der Ruhrtriennale bereits Pandemiebedingt abgesagt. Angereist waren trotz Quarantäne die drei Schweizer Pianistinnen Simone Keller, Tomas Bächli und Stefan Wirth.

Edu Haubensak, Grosse Stimmung © Markus Sepperer

Dann kam der Lockdown mit Veranstaltungsverbot und Ausgangsbeschränkung. Rasch fiel der Entscheid: Insgesamt 24 Veranstaltungen und damit über die Hälfte der Konzerte werden nun ohne Publikum aufgeführt und per Stream kostenlos öffentlich zugänglich gemacht.

Bereits fünf Tage nach dem Lockdown fand das erste Konzert vor leerem Saal für den Stream statt: die Uraufführung von Sofia Gubaidulinas lange erwartetem neuem Orchesterwerk Der Zorn Gottes im Musikverein am Freitag, 6. November. Unter dem Dirigat von Oksana Lyniv spielt das Radiosinfonieorchester Wien (RSO). Die geplante Uraufführung bei den Salzburger Osterfestspielen mit der Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann erlebte nach mehrmaligem Verschieben bereits eine coronabedingte Absage.

Dass es nun online doch zur Uraufführung kam, ist gerade jetzt, in der vom Terror versehrten Stadt Wien, wichtig. Die Aufführung versteht Gubaidulina als Zeichen des Friedens in einer Zeit des zunehmenden Hasses und «einer allgemeinen Überanspannung der Zivilisation“.

Klaus Lang: tönendes Licht

Klaus Lang, tönendes Licht, Livestream aus dem Stephansdom, 19.11.20

Wichtige weitere Highlights sind am 18. November im Wiener Konzerthaus ein Konzert mit drei Uraufführungen. Nebst neuen Werken von Friedrich Cerha und Johannes Kalitze wird auch ein Stück von Matthias Kranebitter, dem Preisträger des Erste Bank Kompositionspreises uraufgeführt – eine neue Enzyklopädie der Tonhöhe und Abweichung. Aufgeführt durch das Klangforum Wien und dirigiert von Kalitzke selbst. Oder live aus dem Wiener Stephansdom am 19. November die Uraufführung tönendes licht von Klaus Lang, ein “Riesenorgelkonzert” (Zit. Wien Modern) für die weit auseinandersitzenden Wiener Symphoniker unter Leitung von Peter Rundel.

20 Jahre Ensemble Mondrian – Jubiläumskonzert in Wien: Die Produktion musste am 16.11.2020 aufgrund einer Schweizer Quarantänevorschrift leider auf 2021 verschoben werden.

 

Portrait Mondrian Ensemble & Thomas Wally © Markus Sepperer

Auch aus der Schweiz gibt es etwas zu hören: Am 21. November präsentiert das Mondrian Ensemble zu seinem 20Jahr-Jubiläum in Wien Werke von Martin Jaggi und Thomas Wally, beides langjährige Weggefährten des Basler Ensembles.


Ensemble Mondrian, Thomas Wally, Podcast

Uraufführungen von Andres Bosshard mit Zahra Mani und Mia Zabelka mussten hingegen auf November 2021 verschoben werden. Ebenso das Konzert des Basler Ensembles Nikel mit Werken von Thomas Kessler und Hugues Dufourt.

Bernhard Günther, der künstlerische Leiter von Wien Modern, äusserte sich in einem längeren Statement zum Lockdown und zur kulturellen Stimmung in Österreich folgendermassen: ” Die Stimmungslage in diesem Bereich ist derzeit so, dass es dringend ganz deutliche Signale braucht, damit Kultur nicht als Opfer des Gesundheitswesens, des Wintertourismus in den Bergen und des Weihnachtsgeschäfts empfunden wird. Es ist klar, dass ein Kapitän versuchen muss, einem Eisberg auszuweichen, aber er muss jetzt alles dafür tun, damit das Schiff nicht an der anderen Seite auf Grund läuft.”  (Zit. Günther)

Durch die Streams versucht nun Wien Modern, einen Teil des Wiener kulturellen Lebens aufrecht zu erhalten und zugänglich zu machen. Vielleicht kann damit immerhin -gemäss dem Festivalmotto- die aktuelle Stimmungslage etwas verbessert werden, auch wenn die existenzbedrohende Lage für das Kulturschaffen dadurch nicht geschmälert wird.

Als Zeichen der Solidarität seitens SRF 2 Kultur und neo.mx3 freuen wir uns, an dieser Stelle auf die Streams hinzuweisen.
Gabrielle Weber

Portrait Bernhard Günther © Wien Modern

 

Der Zorn Gottes ist ab 6. November 7 Tage lang per Stream nachzuhören auf: www.wienmodern.at

Alle Streams sind zu finden auf: Wien Modern
sowie teilweise auf den Homepages von Musikverein und ORF RSO 

Sendungen SRF 2 Kultur

Kultur kompakt Podcast9.11.20: Theresa Beyer, “Der Zorn Gottes” entlädt sich im Stream zur UA Wien Modern, Sofia Gubaidulina:

Neoblog, Corinne Holtz: Wenn aus Leidenschaft Subversion wird – Portrait Simone Keller

Kontext, 21.10.20, Corinne Holtz: Zehn neu gestimmte Klaviere

In Musik unserer Zeit21.10.20: Florian Hauser / Gabrielle Weber:  zu neo.mx3: Simone Keller & Edu Haubensak

Neo-profiles
Simone Keller, Stefan Wirth, Wien Modern, Edu Haubensak, Mondrian Ensemble, Martin Jaggi, Thomas Kessler

“Das Universum der Klänge ist unendlich”

Hier sollte zunächst ein rundum strahlendes Geburtstagsportrait zu 10 Jahren ensemble proton bern stehen. Dazu gehörten zahlreiche Veranstaltungshinweise zur Jubiläumssaison.

Mit Martin Bliggenstorfer, dem Managing director, führte Christian Fluri deshalb kurz nach dem Lockdown der ersten Pandemiewelle ein Gespräch. Zu diesem Zeitpunkt äusserte er sich voller Zuversicht und Tatendrang.

Jetzt, kurz vor der ursprünglich geplanten grossen Geburtstagsfeier am 16. November, stecken wir mitten in der zweiten Welle. Und sie trifft uns mit unerwarteter Heftigkeit.

Wie sich die neue Situation aufs ensemble proton bern und seine Jubiläumssaison auswirkt, besprach ich daher mit Bliggenstorfer nochmals. In einem zweiten Gespräch, direkt nach der Bekanntgabe der neuen Vorgaben des Bundesrates vom 18. Oktober. Seither ändern sich die Maßnahmen laufend weiter und die meisten Aufführungen sind faktisch unmöglich geworden.

Das ensemble proton bern steht damit im Beitrag auch stellvertretend für viele Ensembles, Musikschaffende und Veranstalter, die plötzlich mit Absagen, Verschiebungen und einer unplanbaren Zukunft konfrontiert sind.

ensemble proton bern: Gruppenportrait © Oliver Oettli


Christian Fluri
Das ensemble proton bern forscht mit grosser Passion seit zehn Jahren nach neuen Klängen, neuen Stücken und neuen Komponisten wie Komponistinnen. Es gehört international zu den gefragtesten Ensembles und wird oft an Festivals und zu Konzerten in- und ausserhalb Europas eingeladen.

Seit seiner Gründung 2010 hat das in der Dampfzentrale Bern domizilierte Ensemble in 128 Konzerten 273 Werke von 180 Komponist*innen gespielt, 175 davon waren Uraufführungen. Es trat vor grossem Publikum in der Mariinsky Concert Hall in St. Petersburg auf und tourte nebst weiteren Highlights an der Westküste der USA.

Während der ersten Coronawelle hat das Ensemble noch einigermaßen Glück gehabt, wie Managing Director, Oboist und Lupophonspieler Martin Bliggenstorfer im Gespräch sagt: “Gerade vor dem Lockdown konnten wir in der Dampfzentrale noch das Konzert protonwerk no. 9 spielen. Die Wiederholung im Gare du Nord Basel mussten wir aber bereits absagen.”

protonwerk, das ist ein Förderprogramm für junge Komponist*innen, denen das Ensemble Kompositionen in Auftrag gibt.


Adrian Nagel, Netzwerk, UA: protonwerk no.7 / ensemble proton bern 2017

“Unser auf Mai geplantes Programm terrible ten, ein Konzert mit Uraufführungen von Thomas Kessler (My lady soul) sowie Michael Pelzel und Stefan Wirth, konnten wir kurzfristig verschieben und bereits im September spielen. So ging zumindest nichts von unseren geplanten Programmen ganz verloren“ freut sich Bliggenstorfer.

Gemeinsames Musizieren vermisst

Den Wiedereinstieg ins Konzertleben nach dem Lockdown konnte das Ensemble kaum erwarten. terrible ten war dann auch etwas ganz Besonderes: erstmals wieder gemeinsam zu musizieren und das Musikmachen mit dem Publikum live zu teilen, sei für alle Beteiligten ein Erlebnis gewesen, meint Bliggentorfer.


Thomas Kessler, My lady soul, UA ensemble proton bern 2019

Auch wenn die Musiker*innen des Ensembles die Zeit des Lockdowns produktiv nutzen konnten. “Was uns gefehlt hat, war das gemeinsame Musizieren, der direkte Kontakt miteinander, die Proben mit den Konzerten vor Augen. Zugleich hatte es aber auch etwas Gutes, für ein paar Wochen Kopf und Körper etwas ausruhen zu lassen.”

Existenzangst musste das Ensemble bis zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise keine haben. “Wir mussten für ausgefallene Konzerte keine Subventionen und Unterstützungsbeiträge zurückgeben. So konnten wir unsere Honorare und die unserer Gäste auszahlen.” Bliggenstorfer ist sehr dankbar für die grosszügige Haltung der Geldgeber in der Schweiz.

“Das Universum der Klänge ist unendlich..”

Das ensemble proton bern  ist also  nach wie vor bestens aufgestellt und will sich stetig weiter entwickeln. Dies jedoch ohne seinen langjährigen Dirigenten Matthias Kuhn, der seit der Gründung dabei war. “Er will sich künstlerisch neu ausrichten.” Das versteht Bliggenstorfer, so wichtig Kuhn für den Aufbau des jungen Ensembles gewesen ist. Künftig arbeitet das Ensemble mit achtköpfiger Stammbesetzung und ohne festen Dirigenten. Kammermusikalische Projekte sollen so vorangetrieben werden, wie auch Konzerte und Auftritte mit grösseren Besetzungen und Gastdirigenten.

Ungebrochen ist die Leidenschaft für die Neue Musik in ihren unterschiedlichen Stilen und Ausrichtungen. Denn Scheuklappen hat das ensemble proton bern keine. Es zeigt mit seiner Spielfreude, wie lustvoll, lebendig und vital zeitgenössiche Musik ist. “Das Universum der Klänge und deren Kombinationsmöglichkeiten ist unendlich”, weiss Bliggenstorfer: “Es gibt ein Leben lang Neues zu entdecken”.


Verschiedene Komponisten click & faun, ensemble proton bern 2019

Auch seien die Klangmöglichkeiten der neuen Instrumente noch lange nicht ausgeschöpft: so die von Richard Haynes wiederentdeckte Klarinette d’amore, die von Martin Bliggenstorfer und Elise Jacoberger gespielten Doppelrohrblattinstrumente Lupophon und Kontraforte, auch Maximilian Hafts Strohgeige – oder die Vielfalt im Bereich der elektronischen Klangerzeugung. Das ensemble proton bern wird weiter forschen.
Christian Fluri

2. Gespräch am 21. Oktober 2020:
Gabrielle Weber
Trotz der wachsenden Unsicherheit und drohender Einschränkungen war Bliggenstorfer am 21. Oktober noch zuversichtlich, Konzerte so lange als möglich durchzuführen: “Kulturelle Veranstaltungen sollten nicht abgesagt werden, solange sie nicht verboten sind. Natürlich muss das Schutzkonzept perfekt umgesetzt sein. Das funktionierte bislang auch gut.”

Fest standen noch Auftritte als main act im Jubiläumsprogramm „5 Jahre Kultur-Kino Rex“ zusammen mit zwei Visual Artists. Da sollte der Komponist Ennio Morricone von einer unbekannten Seite beleuchtet werden. „Morricone kennt man ja landläufig als Filmmusikkomponisten – er war aber auch in der ‘Kunstmusik’ aktiv, u.a. als Trompeter der Gruppo di improvisazzione Nuova Consonanza, in den 60er/70er Jahren”.

Mit den neuen Berner Auflagen vom 23. Oktober – Kinos und Museen waren per sofort zu schliessen – mussten die Konzerte aber wenig später abgesagt werden.

“fette fête” – das Konzert zum 10 Jährigen Bestehen des Ensembles

Die “fette fête” war für den 16. November in Bern geplant: eine grosse Geburtstagsfeier mit Uraufführungen und Werken von Louis Andriessen, Christian Henking und Annette Schmucki. Ausserdem vergab das Ensemble einen Kompositionsauftrag an den jungen Schweizer Komponisten Tobias Krebs. “Wir freuen uns ausserordentlich darüber – er ist ein hervorragender junger Komponist, den wir von protonwerk kennen”.


Tobias Krebs, ambra, UA Duo Vers 2018

An einer Durchführung hielt Bliggenstorfer beim Gespräch noch fest, denn “solange es möglich ist, Kunst live erlebbar zu machen, wollen wir die Möglichkeit zu Konzertieren nicht aufgeben. Wir wollen verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, indem wir das Schutzkonzept einhalten”.

Auf das Konzert muss nun leider – seit den neuesten Auflagen – doch ganz verzichtet werden (Stand 30.10.20). Es soll im Februar 2021 nachgeholt werden (tbc.)..

Eine weitere Planungsunsicherheit kommt für zukünftige Projekte mit Gästen aus dem Ausland hinzu: “Wenn sie nicht einreisen können, müssen wir nach Ersatz suchen.” Und geplante Auslandengagements fallen vorläufig aus. Für die Jubiläumssaison hatte das Ensemble Einladungen bspw. nach New York und Salzburg.

Was das alles finanziell bedeutet,  ist noch nicht abzuschätzen: “Momentan stehen wir finanziell immer noch gut da. Aber ungewiss sind die mittel- bis langfristigen Auswirkung der Krise auf die Förderlandschaft.”

Das ensemble proton bern zeigt sich weiterhin voller Tatendrang. Forscher- und Innovationsgeist sind ungebrochen, Spiel- und Entdeckungslust ebenso. Wie aber die langfristigen Folgen für Konzerte, und insbesondere die weitere internationale Positionierung, ist gerade nicht abzusehen.
Gabrielle Weber

 

ensemble proton bern Gruppenportrait © Oliver Oettli

 

Konzerte Jubiläumssaison 20/21 &aktuelle updates

30.Oktober: The dark side of Ennio Morricone, Kino Rex Bern: ABGESAGT

16. November: “fette fête” – 10Jahre proton, Dampfzentrale Bern: ABGESAGT: VERSCHIEBEDATUM 2. Februar 2021 (tbc)**
17. November, 20h, Konzert Gare du Nord Basel: protonwerk nr.9 (Wiederaufnahme)

Sendungen SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 28.10.20: Redaktion Florian Hauser, Gespräch zu My lady soul, mit Thomas Kessler, Martin Bliggenstorfer, Bettina Berger, Vera Schnider
Neue Musik im Konzert
, 28.10.20: My lady soul mit terrible ten, Konzertaufzeichnung vom 15.9.20, Dampfzentrale Bern, Redaktion Florian Hauser.
Musikmagazin, 25.7.20: u.a. Richard Haynes, Redaktion Florian Hauser

**DATUM OFFEN: Neue Musik im Konzert: “fette fête”, Konzertaufzeichnung, Dampfzentrale Bern, Redaktion Florian Hauser.

ensemble proton bern, Martin Bliggenstorfer, Matthias Kuhn, Richard HaynesHanspeter Kyburz, Louis Andriessen

neo-profiles: ensemble proton bern, Thomas Kessler, Michael Pelzel, Stefan Wirth, Christian Henking, Annette SchmuckiTobias KrebsTobias Krebs

Wenn aus Leidenschaft Subversion wird

Portrait Simone Keller – Pianistin, Kuratorin, Performerin und Musikvermittlerin

Corinne Holtz
Das Jahr 2020 beginnt dicht getaktet mit Konzerten. Für Laptop4, ein instrumentales Theaterstück von Lara Stanić, schaltet das Kukuruz Quartett auch Kamera und Mikrofon ein. Für die Produktion des Ensemble Tzara und Uraufführungen von Patrick Frank und Trond Reinholdtsen sitzt Simone Keller am Klavier. Am Tag vor der Ankündigung des Lockdown, am 12. März, präsentiert sie zusammen mit dem Ensemble thélème ein launiges Programm mit Vokalmusik von Guillaume de Machaut bis Francis Poulenc.

Portrait Simone Keller © Lothar Opilik

Dann gehen die Lichter aus. Auch die Uraufführung Grosse Stimmung  von Edu Habensak für verschieden gestimmte Klaviere ist betroffen. Die Ruhrtriennale wird abgesagt, das Festival Wien Modern jedoch soll Ende Oktober stattfinden. Die Parkettsessel im grossen Saal des Wiener Konzerthaus müssen weichen. Es wird Platz geschaffen für insgesamt zehn unterschiedlich gestimmte Konzertflügel.

Simone Keller, Tomas Bächli und Stefan Wirth haben fest vor, am 31. Oktober den über drei Stunden dauernden Zyklus zu spielen. Das Finale ist ein neu beauftragtes Tutti, bei dem Studierende der Universität für Musik und darstellende Kunst mitwirken.
«Ja, wir reisen nach Wien, ausser es gäbe wirklich ein Einreise-Verbot. Auch die Quarantäne würden wir in Kauf nehmen. Ich habe Anfang September bei den Wiener Festwochen gespielt. Die Veranstalter haben unendlich sorgfältig Regeln und Massnahmen eingehalten, damit die Vorstellungen stattfinden konnten.»


Rat einer Frau: “weniger Emotionen zeigen und die Frisur vorgängig mit einem Mann absprechen..”

Simone Keller spricht auch offen über die finanziellen Folgen der Pandemie. 80% der Verdienstausfälle konnte sie in den letzten Monaten durch die staatlichen Unterstützungsmassnahmen decken. Das neue Covid-Gesetz, seit September in Kraft, sichert den Erwerbsersatz bis Juni 2021. Berechtigt ist aber nur, wer gegenüber den Einnahmen von 2015-2019 eine Umsatzeinbusse von mindestens 55% belegen kann. “Das ist natürlich ein Hohn, wenn man wie ich im Jahr nur 40’000 Franken verdient, also auch mit 100% nur knapp durchkommt.”

 

Simone Keller in Lara Stanic, Fantasia für Klavier-Solo und Elektronik, 2020

Die Krise ist existenziell. Trifft sie Frauen härter als Männer? «Als freischaffende Künstlerin bin ich sowieso zuunterst in der Nahrungskette. Dort wird wahrscheinlich nicht mehr nach Geschlecht abgestuft.» Anders sieht es aus, wenn Frauen auf die Bühne kommen und Signale senden, die das Publikum bewertet. «Für mich war die Rückmeldung einer Frau in einer hohen Leitungsfunktion ein Schlüsselerlebnis. Sie riet mir, weniger Emotionen beim Musizieren zu zeigen und meine Frisur immer vorgängig mit einem Mann abzusprechen. Sie selber würde immer ihren Ehemann fragen, wie er ihr Äusseres bewerte, bevor sie zu einem wichtigen Termin gehe.» Seither schaut sich Simone Keller «auch den Sexismus unter Frauen genauer» an.

Simone Keller spielt Julia Amanda Perry © Wiener Festwochen 2020 reframed

“möglich machen, was unmöglich ist”

Die Musikerin erforscht sich selbst, wenn sie wenig bekanntes Repertoire erschliesst und erfrischende Formen der Programmierung wagt. Zum Beispiel im Rahmen der Carte blanche, die ihr der Jazzclub Moods in Zürich gewährt hat. «Möglich machen, was unmöglich ist», sagt die Pianistin und Kuratorin am ausverkauften Eröffnungsabend des Festivals ‘Breaking Boundaries’. Ihr Treiber scheint Leidenschaft und Subversion in einem zu sein, getragen vom Feuer, endlich wieder vor Publikum spielen zu dürfen.

Drei Spielorte hat sich Simone Keller für die drei Programmpunkte ausgedacht: vier Konzertflügel in jeweils eigener Stimmung für einen Querschnitt aus Edu Haubensaks Klavierzyklus Grosse Stimmung, sechs Klaviere für Musik von Julius Eastman -interpretiert auch von drei Asylsuchenden als MitmusikerInnen-, sowie den Flügel aus dem Moods für die Improvisation von Vera Kappeler und Peter Conradin Zumthor am Schlagzeug. «Der Aufwand war enorm, die Realisierung verdanken wir dem Einsatz des Klavierbauers Urs Bachmann und seinem Team.»


Einladung zum Farbenhören – eine einzige Taste wird zum Mikrocluster

Simone Keller versprüht Funken wenn sie loslegt. Jeder Ton bekommt jene Zufuhr an Energie, die er braucht. Präzise platziert in Raum und Zeit, geformt aus pianistischem Feinsinn. Patterns werden zu nachvollziehbaren Phrasen. Schockmomente sind ebenso überlegen ausgearbeitet wie lyrische Gesten. Die extrem physische Musik Haubensaks wird plastisch. Als “Geräuschkuben” bezeichnet Haubensak die resultierenden Klänge: sie springen die Zuhörerin regelrecht an. Das Schwirren der sich überlagernden Schwingungen etwa in Collection II  setzt nie gehörte Farben frei. Es wetterleuchtet im Ohr. Haubensak hat für die Skordatur von Collection II eine eigene Mischstimmung kreiert. Jede Lage des Klaviers bekommt dadurch einen besonderen Charakter. Werden alle drei Saiten (bzw. Töne) einer Taste unterschiedlich gestimmt, weitet sich der Horizont. Eine einzige Taste wird zum Mikrocluster. Das Klavier entgrenzt sich, wenn alle 241 Saiten anders gestimmt sind. Und der Angriff auf das Herrschaftsinstrument wird zur Einladung zum Farbenhören.


Simone Keller spielt Edu Haubensak Pur, für Klavier in Skordatur (2004/05, rev. 2012)

Simone Keller formuliert über die Kunst hinaus «kühne Wünsche»: Soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, ein Grundeinkommen bei gleichzeitiger Selbstverantwortung des Risikos, Einbindung von Aussenseitern in die kulturelle Praxis. Dort wird es vermehrt zu tun geben, denn die Krise hat eben erst angefangen. Die Pianistin leitet seit 2014 zusammen mit dem Regisseur Philipp Bartels das Künstlerkollektiv ‘ox+öl’. Es führt Kompositions- und Improvisationswerkstätten durch: für und mit Kindern mit Migrations­hintergrund. Es gibt partizipative Konzerte: mit jugendlichen Gewalt­verbrechern im Gefängnis.

Simone Keller wappnet sich für die unwägbare Zukunft. Im Sommer hat sie sich auf ein weiteres Feld eingelassen: eine «Intensiv-Weiterbildung in Gebärdensprache, ausgelöst von einem Musiktheaterprojekt mit Gehörlosen». Vielleicht macht sie eine Ausbildung und wird Gebärdensprache-Dolmetscherin, «ein sehr gesuchter Beruf». Es kann sein, «dass ich meine soziokulturelle Arbeit im Gefängnis und im Asylbereich vertiefen werde und weniger selber konzertiere.»
Corinne Holtz

Portrait Simone Keller

Festival Wien Modern, Edu Haubensak: Grosse Stimmung, 31.10.20

Simone Keller, Wien Modernox&öl – Breaking Boundaries Festival, Philipp Bartels, Edu Haubensak, Tomas Bächli, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Lara Stanic, Patrick Frank, Ensemble thélème, Duo Kappeler Zumthor, Urs Bachmann, Trond ReinholdtsenMoods Club, Kukuruz Quartett

Sendungen SRF 2 Kultur:
Kontext, Mittwoch, 21.10.20, 17:58h: Künste im Gespräch, Redaktion Corinne Holtz

in: Musik unserer Zeit, Mittwoch, 21.10.20., 20h: Redaktion Florian Hauser / Roman Hošek / Gabrielle Weber: Sc’ööf! & neo.mx3

Neo-Profiles:
Simone KellerEdu Haubensak, Lara Stanic, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Patrick Frank, Peter Conradin Zumthor, ox&öl, Kukuruz Quartett, Trio Retro Disco

Texte:
Thomas Meyer: Edu Haubensak – Das wohlverstimmte Klavier, in: Schweizer Musikzeitung, Nr. 11, November 2011
Edu Haubensak: von früher…von später. Im Dickicht der Mikroharmonien, in: MusikTexte 166, August 2020
Pauline Oliveros: Breaking Boundaries