Der Ostschweizer Komponist Michael Pelzel feilt fürs Opernhaus Zürich an der Vollendung seiner ersten Oper. Im Interview mit Bjørn Schaeffner spricht er über Gratwanderungen, Nullenergiezustände und die gewisse Lockerheit, die es bei der Arbeit braucht.
Michael Pelzel, wie läuft das Leben?
Es ist grad alles sehr hektisch. Ich bin gerade am Limit. Und arbeite im Moment von zuhause aus.
Sie stecken im Schlusspurt für ihre Oper «Last Call».
Zum Glück kann ich mich auf eine tolle Equipe verlassen. Es ist ja ein Gemeinschaftswerk. Als Opernkomponist muss man immer auch auf die anderen Künste eingehen.
Gab es Diskussionen?
Nur in einem Punkt. Ich hatte mir für den «Last Call» einen traumwandlerischen Schlusspunkt ausgemalt. Eine Art Schwerkraft-Song, der etwas an einen Kirchenchoral erinnert, aber auch ein wenig wie man es vom Vokalquartett Manhattan Transfer kennt. Der sollte am Schluss dramaturgisch einen Nullenergiezustand herstellen. Aber meine Partner Chris Kondek und Jonathan Stockhammer fanden, dass das schon früher eingelöst wird, und es diesen Moment nicht nochmals zum Ende der Oper braucht. Das hat mich letztlich überzeugt.
Wie entstand die Idee zu «Last Call»?
Der Luzerner Autor Dominik Riedo kam auf mich zu. So haben wir den Stoff gemeinsam entwickelt. In einem inspirierenden Ping-Pong. Riedos Text hat sich meiner Musik angenähert und verwendet eine lautmalerische Sprache. Sie ist schon fast Comic-artig. Pling! Plong! Brrr!
In «Last Call» geht es darum, dass die Menschheit endgültig die Kontrolle über die Kommunikationsmedien verliert und darum auf einen fernen Planeten übersiedelt.
Sie kennen das sicher auch – ich erlebe es auf jeden Fall tagtäglich. Kaum hast Du 30 Mails abgearbeitet, ist das Postfach schon wieder voll. Auf allen möglichen Kanälen wird man bombardiert. Und dann sind da die Techgiganten wie Amazon oder Google, die immer mehr über unser Leben wissen. Das stimmt einen schon nachdenklich.
Im Programmtext lesen wir, die Oper sei grotesk-überspitzt.
Ja, es soll skurril werden, irgendwo zwischen «Die Physiker» von Dürrenmatt oder «Le Grand Macabre» von György Ligeti. Ich bin da auch ein bisschen von Christoph Marthaler inspiriert, bei dessen Inszenierungen man öfters auch nicht weiss: Ist es jetzt ernst gemeint? Oder ist das ein Witz? Ich mag solche Gratwanderungen.
Wie sind sie «Last Call» kompositorisch angegangen?
Viele Komponisten sind schon am Vorhaben verzweifelt, dass sie alle musikalischen Parameter aufeinander abstimmen wollten. Man muss mit einer gewissen Lockerheit ans Werk gehen. Und bei einer Länge von 90 Minuten kannst du nicht alles neu komponieren. Ich habe also alte Motive weiterentwickelt und vertieft.
Und natürlich mehr in Richtung Theater gearbeitet. In der zeitgenössischen Oper stört mich, dass da diese latente Tragik in allen Dingen steckt. Eine schon fast klischeehafte Tiefgründigkeit. Dem wollte ich entgegen wirken. Ich habe mir erlaubt, hie und da etwas frecher zu sein.
Frecher?
Wir haben zum Beispiel die Melodie von der «Sendung mit der Maus» leicht abgewandelt. Das ist natürlich nichts Neues. Das hat schon Mozart gemacht: Dieses Variieren innerhalb der eigenen Musiksprache. Oder Wagner, der plötzlich überraschend Barockes anklingen liess.
Worauf darf man sich als Besucher freuen?
Ich bin selbst gespannt, wie das alles zusammenkommt. Das Kind muss selbst laufen lernen. Aber man darf sicher auf die Videokunst von Chris Kondek gespannt sein. Toll, wie er mit ganz wenigen Mitteln eine trashige Pop-Art in die Oper zaubert. Und das Bühnenbild von Sonja Füsti, das die Videokunst sehr gut zur Geltung bringt. Und auch die Kostüme von Ruth Stofer. Eigentlich alles. Wie ich schon sagte: es ist ein Gemeinschaftswerk.
Interview Bjørn Schaeffner
Opernhaus Zürich, Michael Pelzel
SRF-Sendungen:
29.Juni 2019: “Musikmagazin“, Kaffee mit Michael Pelzel (auch als Podcast)
1. Juli 2019, “Kultur-Aktualität“: Bericht zur Premiere; “Kultur Kompakt“
neo-profiles:Michael Pelzel, Opernhaus Zürich, Jonathan Stockhammer, Philharmonia Zürich