..wie ein „elektrifiziertes Streichquartett“: Ensemble Nikel

Sommerserie zum Schweizer Musikpreis No. 3 : Ensemble Nikel.
Vibrierende und virtuose Interpretation zeitgenössischer Musik bilden die einzigartige DNA des Ensemble Nikel um den Elektrogitarristen Yaron Deutsch (*1978). Nikel tritt dabei fast als Popband auf und unterwandert das Image eines oft radikal lauten Elektrosounds. Nikel sei „radikal zeitgenössisch“ heisst es in der Begründung zum Schweizer Musikpreis 2023 ans Basler Ensemble: Yaron Deutsch, Elektrogitarrist und Ensemblegründer, im Gespräch:

 

Portrait Ensemble Nikel © Amit Elkayam

 

Gabrielle Weber
Was bedeutet der Preis für Nikel?

Es ist schlicht berührend, wenn die eigene Arbeit so unverhofft anerkannt und ausgezeichnet wird. Wir waren komplett unvorbereitet als wir informiert wurden: das macht es sehr besonders. Und ganz pragmatisch eröffnet uns der Preis neue Türen und verschafft uns zusätzliche Mittel, um grössere Pläne für unser künstlerisches Wachstum zu realisieren.

Ein ‚alternativer Kammermusikklang‘ aus einer Mischung von elektronischen und instrumentalen Klängen ist charakteristisch für das Ensemble. Sprechen wir über den Anfang von Nikel: Wie fanden Sie mit der E-Gitarre zur zeitgenössischen klassischen Musik – die  Kombination ist nicht naheliegend?

Mit der E-Gitarre war ich zunächst assimiliert in der Musik des Rock und Jazz, fühlte mich aber dort wie eine ‘Copy Cat’ einer amerikanischen Kultur, die nicht meine ist. Da stiess ich 2005 über ein Stück von Luis Andriessen: ‘Hout‘ (1991) für die Besetzung Saxophon, E-Gitarre, Percussion und Klavier. Es fühlte sich wie ein ‘Heureka’-Moment an. Das Stück mischt Musikgenres und -elemente unkompliziert. Ich fand darin eine Verbindung zu meinen europäischen Wurzeln und fühlte mich wie zuhause angekommen in der europäischen klassischen Musikavantgarde. Es gab mir eine Art Richtung vor, in welche Klangwelt ich gehen wollte.

Mit ‘Hout‘ gaben wir unser erstes Konzert in Tel Aviv 2006. Die Instrumente des Stücks wurden zur festen Besetzung von Nikel. Nach wenigen Wechseln bilden wir nun seit ungefähr zehn Jahren die feste Stammformation: Brian Archinal an der Perkussion, Antoine Françoise, Klavier, Patrick Stadler, Saxofon, und ich mit der E-Gitarre. Wir inspirieren uns gegenseitig.

 

 

Ensemble Nikel in Luzern and Bern 2016 © Markus Sepperer

 

..und was bedeutet der Name?

Drei Punkte: Zuerst wollte ich keinen Namen der Musik assoziiert. Im Namen sollte zudem ‘Metall’ als eine unserer Klangfarben anklingen. Und zuletzt erinnert Nikel an die israelische Künstlerin Lea Nikel und ihre abstrakten farbintensiven Arbeiten. Sie war In den sechziger und siebziger Jahren in Paris und New York tätig und verstarb 2005 in Tel Aviv.

 

Es ist wie wenn Wassertropfen langsam zu einem Organismus zusammenfinden.

 

Wie kam es zum Standort Schweiz..?

Dass drei von vier Mitgliedern in der Schweiz sind, ergab sich von selbst. Ich war immer ein ‘Missionar’ für Musikschaffen ohne Nationalität, für ein Modell von Ensembles ohne eine nationale oder lokale Festlegung: es geht mir darum, mit den Musikern zusammenarbeiten, die ich am spannendsten finde, die mich inspirieren, egal wo sie leben. So kam es bspw. zu Patrick Stadler in Basel. Unsere Vision ist aber eine internationale.
Es ist wie wenn Wassertropfen langsam zu einem Organismus zusammenfinden.

Ausgehend von einer Einladung für ein Konzert finden wir zusammen. Unsere Aufgabe als Künstler ist es, so faszinierend, interessant und auch gut zu sein, um einen Bedarf zu schaffen. Es geht dabei um Passion: solange wir passioniert sind, existieren wir als Gruppe.

 

Ihr erster Auftritt in Donaueschingen 2012 war legendär – diese vibrierende Energie und rasende Virtuosität bspw. in der UA von Michael Wertmüllers Stück „Skip a beat“ ist mir in bleibender Erinnerung: Wie kam’s zur Einladung?

2010 traten wir an den Darmstädter Ferienkursen auf. Der damalige neue künstlerische Leiter Thomas Schäfer wollte in seiner ersten Ausgabe neue Stimmen präsentieren und lud uns ein. Der Auftritt hatte ein grosses Echo. Kurz danach rief uns Armin Köhler, der damalige Intendant von Donaueschingen an, und lud uns zwei Jahre später ans Festival ein.

 

 

Michael Wertmüller, Skip a beat, Ensemble Nikel, UA Donaueschinger Musiktage 2012

 

Was bewirkte dieser Auftritt für Nikel?

Der Auftritt vor grossem Publikum mit internationaler Resonanz war das eine: ein Karriere-‘boost’: die Vertrautheit mit der internationalen Szene, das war sehr wichtig für unser Wachstum. Donaueschingen ermöglichte uns aber auch, vier Uraufführungen von vier substanziellen Komponist:innen zu spielen, die ihre Stücke extra für unsere Besetzung schrieben. Wir hatten nicht die finanziellen Möglichkeiten, solche Stücke selbst in Auftrag zu geben. Diese völlig unterschiedlichen Stücke spielten wir seither in der ganzen Welt.

Und dieser Mechanismus geht weiter: wenn wir eingeladen werden, geben die Festivals Stücke für uns in Auftrag. Diese behalten wir danach im Repertoire. Bei der Auswahl schlagen wir Komponist:innen vor, von denen wir begeistert sind. Und diese Begeisterung ist danach in unseren Auftritten spürbar.

 

Unser Gedächtnis neigt dazu, sich an Extreme zu erinnern

 

Die Konzerte von Nikel sind bekannt für einen oft radikal lauten Elektroniksound..

Zuerst muss ich das Prädikat ‘lautes’ Ensemble zurückweisen: Wir spielen auch viele subtile Stücke, stille, taktile Musik. Wahrscheinlich führt unsere virtuose Qualität zum Eindruck: “die Musiker können spielen, dass die Wände wackeln..”. (lacht..). Ein maskuliner Power, das ist nicht unser Ding. Unser Gedächtnis neigt dazu, sich an Extreme zu erinnern. Aber es geschieht so viel ausserhalb der Extreme, eigentlich das Meiste..

Wir sind wie ein ‘elektrifiziertes Streichquartett’, ein Organismus der sehr gut zusammen funktioniert und dessen Klang sich sehr gut mischt. Wir können ganz fein abstufen zwischen laut und leise.

2017 gab Nikel zum 10 Jahr- Jubiläum der Ensemblegründung eine umfassende CD heraus – inwiefern sind die Stücke charakteristisch für den spezifischen „Nikel-Sound“?

Das erste Jahrzehnt war sehr prägend. Aus der Vogelperspektive fasst die Sammlung und Kuration der in der Box enthaltenen Stücke unsere Charakteristika zusammen: Wir spielen immer Stücke die eklektisch sind, die Elemente mischen, aber nie zufällig oder unnötig. Eine klare musikalische, nicht eindimensionale Linie verbindet alles. Wenn man näher heranzoomt, stellt man fest, dass jedes einzelne Werk zwar die wesentlichen Merkmale der Gruppe spiegelt, dass aber unser künstlerischer Charakter nicht im Einzelnen fassbar ist.

 


Stefan Prins, Fremdkörper 2, Ensemble Nikel 2010 (Decennial-Box).

 

Sie kommen gerade zurück von einem Auftritt an den Darmstädter Ferienkursen mit neuen Stücken von Jennifer Walshe und Matthew Shlomowitz: wie war die Stimmung am Ort eines der ersten wichtigen Auftritte von Nikel?

Darmstadt war fantastisch: es war unser vierter Besuch dort. Wir kamen mit einem Stück, mit dem wir uns sowohl künstlerisch als auch persönlich sehr wohl fühlen: eine außergewöhnliche, über zwei Jahre dauernde Zusammenarbeit mit Matthew & Jennifer, die uns auch auf der Bühne begleiteten. Mit zwei ausverkauften Shows und einer sehr positiven Kritik in der New York Times war es eine perfekte Premiere für das Projekt.

 


Minor characters, Matthew Shlomowitz / Jennifer Walshe, Ensemble Nikel, UA Ferienkurse Neue Musik Darmstadt 2022.

 

Was kommt als nächstes?

Es steht ein neues Album (Radio Works) an mit Stücken, die von verschiedenen europäischen Radiosendern während der Pandemie in Auftrag gegeben und aufgenommen wurden, u.a. das Stück von Shlomowitz/Walshe. Dann folgt die Uraufführung eines vierteiligen Zyklus der Komponistin Sarah Nemtsov für Nikel und Orchester in Köln und Essen mit dem WDR Sinfonieorchester. Und unsere neue Saison in der Schweiz beginnt im Januar 2024 mit einer Uraufführung von John Menoud.
Gabrielle Weber

 

Sarah Nemtsov, Tikkun pour orchestre, Teil 1 der Tetralogie, Ensemble Nikel, Camerata Ataremac, Ensemble Vertigo, Leitung: Peter Rundel, Festival Les amplitudes 2022, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Kritik Darmstadt 2023: Seth Colter Walls, New York Times, 13.8.2023

A Decade, Decennial-Box  2017, 4 CDs mit Doku-DVD und Buch zum Ensemble.

Yaron Deutsch, Live in New York City, 2022

Yaron Deutsch, Jennifer Walshe, Matthieu Shlomowitz, Sarah Nemtsov, Peter Rundel, WDR Sinfonieorchester, Brian Archinal, Patrick Stadler, Thomas Schäfer, Armin Köhler

Schweizer Musikpreise 2023:
Grand Prix Musik: Erik Truffaz
Musikpreise:
Katharina Rosenberger, Ensemble Nikel, Carlo Balmelli, Mario Batkovic, Lucia Cadotsch, Sonja Moonear, Saadet Türköz
Spezialpreise:
Helvetiarockt, Kunstraum Walcheturm, Pronto 

Sendungen SRF Kultur:
SRF Kultur online, 11.5.23: Trompeter Erik Truffaz erhält den Grand Prix Musik, Redaktion Jodok Hess.

Musikmagazin, 22.7.23Carlo Balmelli: Ein Leben für die Blasmusik, Redaktion Annelis Berger, Musiktalk mit Carlo Balmelli (ab Min 9:40).

Musikmagazin, 17.6.23, Inspirationen mit offenem Ende: Die Vokalkünstlerin Saadet Türköz, Redaktion Florian Hauser, Musiktalk mit Saadet Türköz (ab Min 8:38).

Musikmagazin, 13.5.23, Schweizer Musikpreise 2023, Redaktion Florian Hauser, Musiktalk mit Katharina Rosenberger (ab Min 4:55)

 

neo-Profiles:
Ensemble Nikel, Michael Wertmüller, Donaueschinger Musiktage, John Menoud, Antoine Françoise, Les amplitudes, Swiss Music Prizes

Ein Wettbewerb lässt aufhorchen

Die drei Preisträger stehen fest!
1. Preis: Yiquing Zhu
(Shanghai) für sein Werk Deep Grey mit der Basel Sinfonietta unter Peter Rundel
2. Preis: Arthur Akshelyan
(Yerevan) für sein Werk Three pieces for Orchestra mit dem Sinfonieorchester Basel unter Francesc Prat
3. Preis: Miguel Morate
(Valladolid) für sein Werk Comme s’en va cette onde mit dem Kammerorchester Basel unter Frank Ollu

Gabrielle Weber
Bereits zum dritten Mal findet die Basel Composition Competition (BCC) statt. Eine Woche lang wird Basel zum Zentrum der Neuen Orchestermusik. Zwölf internationale Kandidaten treten zum Wettstreit mit Ihren neuen Stücken an, uraufgeführt durch die drei grossen Basler Klangkörper, dem Sinfonieorchester Basel, der Basel Sinfonietta und dem Kammerorchester Basel. Pandemiebedingt finden die Konzerte ohne Live-Publikum statt, werden aber live gespielt und online gestreamt. Am Finalkonzert am Sonntag kommen drei bis fünf aus den Vorrunden bestimmte Werke nochmals zur Aufführung. Und die Jury vergibt die finalen Preise live, vor Ort.

Portrait Michael Jarrell, Juryvorsitz ©zVg Basel Composition Competition

 

Der internationale biennale Wettbewerb soll neue Werke für Orchester aus der Taufe heben. Und er knüpft damit an die Tradition der Förderung gewichtiger Orchesterwerke durch Paul Sacher an. Die Paul Sacher -Stiftung ist denn auch am Wettbewerb mit in der Jury vertreten und bringt ihr Knowhow ein.

Dass ein solches Grossprojekt in Basel Realität werden konnte, ist dem Initianten und Leiter Christoph Müller zu verdanken, der auch das Kammerorchester Basel managt. Er ist überzeugt, dass Neue Musik so spannend ist, dass sie nicht nur einen Platz als Zugabe neben Klassikern der Orchesterliteratur verdient. Ihm schwebt vor, dass der Wettbewerb möglich macht, dass die Stücke ins Standartrepertoire der drei oder auch weiterer grosser Klangkörper Eingang finden.

Zum Wettbewerb wurden 12 Kandidaten eingeladen. An drei Konzerten werden ihre neuen Stücke durch die drei Orchester uraufgeführt. Sieben für Sinfonieorchester, fünf für Kammerorchester. Das ist erstaunlich zu Pandemiezeiten.

Müller ist deshalb speziell glücklich über den Austragungsort Don Bosco, das neue Basler Kulturzentrum. Hier finden sich ideale Bedingungen. Es können bspw. pandemiebedingte Abstände zwischen den Musiker*innen eingehalten werden und es gibt genügend räumliche Distanz zwischen Jury und Orchester.

Sakiko Kosaka, Micro roots, Kandidatin BCC 2019

Der Basler Wettbewerb auferlegt -ungleich anderen- kaum Ausschlusskriterien oder Einschränkungen, weder eine Alterslimite, noch Diplome. Einzige Bedingungen: die eingereichten Stücke dürfen noch nicht aufgeführt oder prämiert worden sein.

Kandidat*innen aus der ganzen Welt

Dass die Basel Composition Competition damit ein Desiderat erfüllt, zeige auch die hohe Zahl an Anmeldungen, meint Müller. Denn nicht alle Komponierenden absolvieren einen ‘geraden Weg’ und sind im genau richtigen Alter ‘reif’ für einen Wettbewerb.

355 Bewerbungen waren es insgesamt, aus allen Alterssgruppen – es gab Kandidat*innen zwischen 14 und 87 Jahren-, mit unterschiedlichstem musikalischem Hintergrund. Und sie stammten aus der ganzen Welt. Allerdings war der Anteil an Frauen mit nur 8% sehr bescheiden.

Natürlich sind auch die Dirigenten Peter Rundel, Franck Ollu und Francesc Prat, die höchstes musikalisches Niveau versprechen, die online-Verbreitung der Stücke und die hohe Gesamtpreissumme von 100’000.- CHF, die ansehnliche Preise verspricht, attraktiv.

Anonymes Verfahren

Das Verfahren der Vorausscheidung verlief anonym. Bewertet wurden einzig die eingereichten Partituren, ohne die zugehörigen CVs.

Für die Auswahl war eine hochkarätige internationale Jury zuständig, die unter dem Vorsitz des Komponisten Michael Jarrell aus Genf tagte. Die Vorauswahl fand an einem intensiven Wochenende im November 2020 statt.

Der Jury gehören die in Berlin lebende koreanische Komponistin Unsuk Chin, die Schweizer Komponisten Beat Furrer und Andrea Lorenzo Scartazzini und Dr. Felix Meyer, der Direktor der Paul Sacher Stiftung an. Mit dabei sind auch drei Vertreter*innen der mitwirkenden Orchester.

 

Unsuk Chin, Komponistin / Jurymitglied 2021 ©zVg Basel Composition Competition

Zum Wettbewerb sind -ausser zwei Kandidaten, die pandemiebedingt per Zoom dabei sind- alle Eingeladenen angereist. Und das von weit her, aus Japan, Korea, China, Spanien, Deutschland oder den Vereinigten Staaten. Üblicherweise wohnen die Komponierenden den Proben der Konkurrent*innen bei. Diesmal begleiten sie -pandemiebedingt- nur die Entstehung ihres eigenen Stücks.

Das Schweizer Musikschaffen ist diesmal untervertreten. Mit Artur Ashkelyan aus Armenien ist ein Tonschöpfer aus der Schweizer Szene vertreten, er studierte Komposition an der Haute école de musique de Genève. Für ihn hat der Wettbewerb eine besondere Bedeutung, denn ungleich den meisten anderen Kandidaten komponierte er bislang vor allem kammermusikalische Werke. Sein neues Stück ‘Three pieces for orchestra‘ wird nun vom Sinfonieorchester Basel uraufgeführt.

Artur Akshelyan, Kandidat 2021: Sinouos for Piano Trio 2015

Die letzte, die zweite Ausgabe von 2019 des hochdotierten Basler Preises wurde in der Szene konträr diskutiert. Denn trotz allmählich grösserer Gender-Balance in den einschlägigen Neue Musik-Institutionen gelang es dem jungen Wettbewerb offenbar nicht, Komponistinnen in die Jurorenrunde zu integrieren.

Man habe sich bemüht, geeignete Frauen für die Jury zu gewinnen, sagt Müller. Verschiedene seien angefragt worden, aber aus diversen Gründen kam es zu Absagen.

Das sieht nun etwas anders aus. Mit Unsuk Chin ist eine international renommierte Komponistin dabei.

Hingegen schaffte es diesmal, entgegen den Ausgaben 2017 und 2019, keine einzige Frau in den Final-Wettbewerb. Das ist alarmierend, aber nicht erstaunlich angesichts der geringen Zahl eingereichter Werke von Frauen. Müller möchte deshalb Frauen speziell ermutigen sich zu bewerben.

Die Basel Composition Competition setzt ein Zeichen dafür, dass grosse Klangkörper zusammenstehen und sich fürs heutige Musikschaffen einsetzen können. Das ist wichtig, gerade in einer Zeit, in der es kaum Auftrittsmöglichkeiten gibt und Orchester hohe Auflagen zu bewältigen haben.

Rückmeldungen der Komponisten, die es in den Wettbewerb schafften, bestätigen das. Dass sein neues Stück durch ein tolles Orchester live gespielt und einem weltweiten Publikum zugänglich gemacht werde, gerade jetzt, sei eine unschätzbare Chance, meint der Kandidat aus Deutschland, Oliver Mattern. Und der Japaner Hiroshi Nakamura, angereist aus Tokyo, kann es kaum fassen, dass sein Stück von Peter Rundel dirigiert wird. Denn er bewundere den Dirigenten schon seit jungen Jahren, seitdem er in Japan einer von ihm geleiteten Aufführung von Luigi Nonos Prometeo beiwohnte.

Zu hören gibt es diesmal auf jeden Fall Spannendes: 12 Stücke aus der ganzen Welt, 12 völlig verschiedene Zugänge auf die Gattung Orchesterwerk. Viele Stücke nehmen Bezug auf andere Sparten und Medien, auf Visuelle Kunst, auf Philosophie, Nô-Theater, oder Physik und Astronomie. Zudem geht es um die Gegenwart, die aktuelle Pandemie-situation oder um Spiritualität oder Religion.

Und spannend bleibt es bis zum Schluss, wenn die drei Preise vergeben werden.

Zu wünschen fürs nächste Mal wären weitere Jurorinnen, und vor allem auch mehr Frauen, die sich bewerben und wieder weibliche Preisträgerinnen.
Gabrielle Weber

Die drei Wettbewerbskonzerte werden live gestreamt und sind später online nachzuhören, auf youtube und auf neo.mx3.ch.
Die Wettbewerbsbeiträge der letzten Ausgabe 2019 sind gleichfalls dort zu finden.

Basel Composition Competition, 3. Durchführung: 4.-7.März 2021
Live-Stream 1. Wettbewerbskonzert, Donnerstag, 4.3.21., 19h: Basler Sinfonieorchester, Leitung Francesc Prat
2. Wettbewerbskonzert, Freitag, 5.3.21., 19h: Basel Sinfonietta, Leitung Peter Rundel
3. Wettbewerbskonzert, Samstag, 6.3.21., 19h: Kammerorchester Basel, Leitung Franck Ollu
Abschlusskonzert udn Preisbekanntgabe, Sonntag, 7.3.21., 20h: auf Idagio

Sendungen SRF 2 Kultur:
in Musikmagazin, 6./7.3.21 (anfangs): Annelis Berger im Gespräch mit Gabrielle Weber zur BCC, Redaktion Annelis Berger
Kultur Aktuell / Kultur kompakt, 8.3.21: Besprechung Finalkonzert, Redaktion Benjamin Herzog
Musik unserer Zeit, 21.4.21: Basel composition competition 2021 – drei grosse Klangkörper blicken in die Zukunft, Redaktion Gabrielle Weber

Profile neo.mx3:
Basel Composition CompetitionMichael Jarrell, Beat Furrer, Andrea Lorenzo ScartazziniArtur Akshelyan

Der Tausendsassa der Neuen Musik

Heinz Holliger zum 80. ist das nächste Konzert der Basel Sinfonietta gewidmet. Bei dieser Gelegenheit wird die neue SRG-Plattform neo.mx3.ch für die Deutsche Schweiz lanciert.

Heinz Holliger © Daniel Vass

Thomas Meyer
„Tausendsassa“ ist das dritte Konzert dieser Saison überschrieben, das die Basel Sinfonietta unter der Leitung von Peter Rundel vorstellt. Mit dem Titel gemeint ist jener Schweizer Komponist, Oboist, Dirigent, Pianist u.a., der seit über sechs Jahrzehnten massgeblich am Glanz helvetischen Musikschaffens beteiligt ist: Heinz Holliger. Es kommt mir ein bisschen überflüssig hervor, hier nochmals all die Verdienste dieser Musikerpersönlichkeit aufzuzählen, die er sich dabei erworben hat, angefangen von seinen vorzüglichen Interpretationen über seinen instrumentalen Erfindungsreichtum (die Oboe klingt nach Holliger anders als früher) bis hin zu seinen Kompositionen, ganz abgesehen von seiner Begeisterung für seine KollegInnen und für die Literatur. Der Platz würde ohnehin nicht reichen.

Vielmehr möchte ich – das als persönliche Reminiszenz – den unbedingten, glühenden Furor hervorheben, mit der sich dieser Vollblutmusiker engagiert. Begegnet bin ich ihm erstmals, als ich vor vielen Jahrzehnten seinen Siebengesang hörte. Vom ersten Ton der Oboe weg bleibt man durchdrungen von dieser Musik, die sich in all den Jahrzehnten zwar deutlich gewandelt, dabei aber nichts von ihrer Intensität verloren hat. 


Heinz Holliger, (S)irato, Monodie für grosses Orchester (1992), Basel Sinfonietta Musicaltheater Basel 2020

Nach seinem 80. Geburtstag am vergangenen 21. Mai ist ihm vielerorts gehuldigt worden. Er hat es angenommen – und sich bei der Gelegenheit weiter für die Musik eingesetzt. Die Musik-Akademie Basel, wo er allerdings nie studierte oder fest unterrichtete, hat so derzeit einen Fokus auf Holliger gesetzt. Bis 9. März noch sind zahlreiche Veranstaltungen angesagt. In der Vera Oeri-Bibliothek ist zudem eine höchst informative Ausstellung über den Musiker zu sehen.

Der komponierende Interpret

Und nun erscheint seine Musik auch bei der Basel Sinfonietta, gleich in mehreren Facetten. Da ist zum einen der Komponist mit seinem Orchesterstück (S)irató von 1992. Da ist aber auch der komponierende Interpret in den beiden Liszt-Transkriptionen, bei denen Holliger nicht einfach späte Klavierstücke orchestriert, sondern sie gleichsam ins Orchester weiterkomponiert hat. Es sei der „Versuch, die beiden wie erratische Blöcke, aber auch wie Wegweiser ins Unbekannte in der Musiklandschaft des späten 19. Jahrhunderts stehenden Enigmen des alten Liszt „hinüber zu schieben“ (zu transkribieren) in meine eigene Art zu sprechen, zu denken, – die Stücke aus meinem Unterbewusstsein wieder heraufzuholen…“

Heinz Holliger © Priska Ketterer / Lucerne Festival
Heinz Holliger © Priska Ketterer/ Lucerne Festival

Schliesslich setzte sich Holliger ja zeitlebens für die Musik seiner KollegInnen ein, gab Aufträge für neue Oboenstücke oder dirigierte ihre Stücke.
So ist hier das Orchesterwerk Tenebrae des 2017 verstorbenen Klaus Huber zu hören.


Klaus Huber, Tenebrae für grosses Orchester (1966/67), Basel Sinfonietta, Musicaltheater Basel 2020

Ausserdem erklingt ein ganz junges Werk. Die Schweizer Erstaufführung des deutschen Komponisten, Pianisten und Sänger Steffen Wick: Autobiography, ein Auftragswerk der Basel Sinfonietta, beschreibt jenen Moment, in dem ein ganzes Leben kondensiert an einem vorbeigleitet.

Steffen Wick, Autobiography, UA 2020 Basel Sinfonietta

Deutschschweizer Lancierung neo.mx3

Vorgestellt wird bei dieser so günstigen Gelegenheit schliesslich auch diese neue gesamthelvetische Plattform für zeitgenössisches Schweizer Musikschaffen, die die SRG im Sommer 2019 als Pilotprojekt lanciert hat: neo.mx3.ch.
Sie bietet einen Einblick insbesondere ins aktuelle komponierte wie improvisierte Musikschaffen hierzulande. Aber auch internationale Ereignisse mit Schweizbezug werden reflektiert wie kürzlich die Uraufführung der neuen Oper „Orlando“ von Olga Neuwirth in Wien mit Beteiligung des Schweizer Perkussions-Solisten Lucas Niggli.

Es ist ein Ort der Vorschauen, Porträts und Debatten, aber auch der Diskussionen in dem von Redaktorin Gabrielle Weber betreuten neo-blog. Zudem können sich Musikschaffende, Ensembles und Kulturinstitutionen hier selbst präsentieren, in Ton, Video, Bild und Text.
Endlich – muss man sagen, denn neo.mx3.ch schliesst eine lange klaffende Lücke im Schweizer Musikleben.

Angesagt ist nun also die offizielle Deutschschweizer Eröffnung: Im Rahmen des Konzerts stellen wir neo.mx3 mit einem kurzen Surprise-Talk erstmals einem Publikum in der deutschen Schweiz vor – und in der Pause gibt es eine weitere kleine Surprise..
Thomas Meyer

Über Ihre Kommentare auf dem neoblog zu Text, Konzert, neo.mx3-Launch oder auch zu den Heinz Holliger-Sendungen auf SRF 2 Kultur freuen wir uns!

2.2.2020, 19h, 3. Abo-Konzert Basel Sinfonietta, Musicaltheater Basel, Leitung: Peter Rundel
18:15h Einführung: Florian Hauser im Gespräch mit Heinz Holliger

Programm:
Heinz Holliger, Zwei Liszt-Transkriptionen (1986)
Klaus Huber, Tenebrae (1966/67)
Stephen Wick, Autobiography (2017, CH-Erstaufführung)
Heinz Holliger, (S)irató (1992)

Lancierung neo.mx3: Nach der Pause: Surprise-Talk:
Florian Hauser im Gespräch mit:
Barbara Gysi, Leiterin Radios & Musik SRF Kultur
Gabrielle Weber, Redaktorin / Kuratorin neo.mx3
Katharina Rosenberger, Komponistin

Basel Sinfonietta, Heinz Holligersonic space Basel / FHNWMondrian Ensemble, Klaus HuberSteffen Wick

SRF 2 Kultur
:
Kultur-Aktualität, 21.6.2019: Neue Schweizer Plattform für zeitgenössische Musik

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, Mittwoch, 15.1.2020, 20h: Heinz Holliger und die Literatur
Neue Musik im Konzert, Mittwoch, 15.1.2020, 21h: Portraitkonzert Heinz Holliger
Musikmagazin mit Moritz Weber, Aktuell, 1./2.2.2020

neo-profiles
: Heinz Holliger, Basel Sinfonietta, Klaus Huber, Mondrian Ensemble, Katharina Rosenberger