Happy Birthday Nouvel Ensemble Contemporain!

Das Nouvel Ensemble Contemporain (NEC) aus La Chaux-de-Fonds feiert dieses Jahr seinen 25-jährigen Geburtstag und lädt zum Jubiläumswochenende. «Time to Party» heisst es am grossen Geburtstagskonzert am Samstagabend mit Stücken von Anton Webern, Claire-Mélanie Sinnhuber und Daniel Zea. Und am Sonntag gibt es als Finale einen Marathon an Mini-Konzerten.

Le NEC Nouvel ensemble contemporain © Pablo Fernandez, 25 mars 2017, Temple Allemand, La Chaux-de-Fonds

Jaronas Scheurer
«Wenn man nach Neuer Musik in der Schweiz fragt, fällt den meisten Menschen das NEC nicht gleich ein. Aber wenn man es dann erwähnt, dann zaubert der Name NEC ein Lächeln auf die Lippen.» – so Antoine Françoise, Pianist und künstlerischer Leiter des Nouvel Ensemble Contemporain (NEC) aus La Chaux-de-Fonds, auf die Frage, was denn die geheime Superkraft des NEC sei. Ein Lächeln auf die Lippen zaubern – das bringt die Philosophie des NEC ziemlich gut auf den Punkt. Vor rund 25 Jahren haben sich einige befreundete Musiker*innen in La Chaux-de-Fonds zusammengefunden, um gemeinsam ihrer Freude an Neuer Musik nachzugehen.

Eine Gruppe von Freund*innen – eine feste Institution

Inzwischen hat sich viel getan: Die Gruppe von Freund*innen wurde zu einer festen Institution der Schweizer Musikszene und neue Musikerinnen und Musiker sind dazu gestossen, unter anderem Antoine Françoise. Er stieg vor circa 13 Jahren als Pianist beim NEC ein und löste 2016 das Gründungsmitglied Pierre-Alain Monot als künstlerischen Leiter ab.

Antoine Françoise dirigiert das Nouvel Ensemble Contemporain in: Mathis Saunier, Palindrome for String Orchestra, am Antigel Festival Genève 2019,

Für Françoise ist der ständige Wandel essentiell. Er möchte so lange künstlerischer Leiter bleiben, wie er die Ästhetik des NEC verändern könne. Wenn ihm das nicht mehr gelänge, dann hoffe er, die Leitung an jemanden mit frischen Ideen abgeben zu können. Doch was trotz aller Veränderung bleibt, ist die gemeinsame Liebe zur Musik. So ist das NEC heute noch immer eine Gruppe von Freund*innen, die ihre Leidenschaft für Neue Musik teilen möchte.

Eine Woche lang Party

Zum 25. Geburtstag schenkt das NEC sich und La Chaux-de-Fonds eine ganze Jubiläumskonzertwoche. Die Woche beginnt mit einer Reihe von kleinen Mini-Konzerten mit Solostücken an verschiedenen Orten in der Stadt. Am Freitag wird das Ensemble dann für die «Suitcase Suite» vom Punkrock-Gitarrist Louis Jucker mit selbstgebastelten Instrumenten ausgerüstet. Am Samstagabend findet das grosse Geburtstagskonzert mit dem passenden Titel «Time to Party» statt und als Abschluss spielen die Musiker*innen des NEC am Sonntag die Solostücke der Mini-Konzerte noch öffentlich.

Portrait Daniel Zea

Gerade das Konzert am Samstag steht dabei repräsentativ für das Nouvel Ensemble Contemporain: Zuerst spielen sie die Variationen für Orchester, op. 30 von Anton Webern aus dem Jahre 1940. Ein Schlüsselwerk der Musik des 20. Jahrhunderts, das der ehemalige Leiter des NEC, Pierre-Alain Monot, für Ensemble arrangiert hat. Danach wird das Stück «Soliloque» der französischen Komponistin Claire-Mélanie Sinnhuber zu hören sein. Es ist das erste Mal, dass das NEC ein Stück von Sinnhuber spielt. Das Stück «Pocket enemy» aus dem Jahre 2017 des kolumbianischen Komponisten Daniel Zea wird den Abend abrunden. Zea hat schon öfters mit dem NEC zusammengearbeitet und «Pocket enemy» speziell für Antoine Françoise geschrieben.


Daniel Zea, Pocket enemy, Ensemble Vortex, 2017

Zuerst also ein Klassiker des 20. Jahrhunderts mit einem Gruß an den früheren Dirigenten Pierre-Alain Monot. Dann ein neueres Werk von einem Freund des Ensembles und eine Entdeckung einer neuen Komponistin – eigentlich eine gute Zusammenfassung der NEC-Philosophie. Alle drei Stücke sind für ein grösseres Ensemble geschrieben. So kommen möglichst viele Musiker*innen des NEC zum Zuge. Ganz nach der wohl einzigen Regel, nach der Françoise die Programme des NEC zusammenstellt: «Ich gestalte die Programme nicht, um dem Publikum, sondern um meinen Musiker*innen eine Freude zu machen. Und wenn die Musiker*innen glücklich sind, dann weiss ich, dass das Publikum das spürt.» Gemäss der NEC-Devise – um allen ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern…
Jaronas Scheurer

Les musiciens du NEC © 2019 Pablo Fernandez. La Chaux-de-Fonds, février 2019

Freitag, 13. März, 18:30h, Eröffnung der Festivitäten und Vernissage, Théâtre ABC, Ausstellung: Annick Burion & Pablo Fernandez (geöffnet Sa: 11-24h; So: 11h-20h), musikalische Intervention: Matthieu Grandola
20:30h Louis Jucker, The Suitcase Suite, Temple Allemand
22h Marcel Chagrin, tourneur de 78 tours
Samstag, 14. März, 20:30h, Time to party, Temple Allemand La Chaux-de-Fonds:
Anton Webern, Variations pour orchestre op. 30, nouvel arrangement pour ensemble Pierre-Alain Monod, création
Claire-Mélanie Sinnhuber, Soliloque pour ensemble
Daniel Zea, Pocket enemy pour sampler et ensemble
Sonntag, 15. März, ab 14h, Miniatures, Temple Allemand La Chaux-de-Fonds
14h Miniatures I
14:40h Pierre Jodlowski: Typologies du regard pour piano et électronique
15h Apéritif SONART
16h Miniatures II
16:40h Matthieu Grandola, flûte: Werke von Eliott Carter, Toru Takemitsu, Kaija Saariaho, Ofer Pelz
17:15h MIniatures III


25ans le NEC: SRF 2 Kultur, Kultur aktuell, 12./13.3.20: Redaktion Annelis Berger

Nouvel Ensemble Contemporain, Daniel Zea, Claire-Mélanie Sinnhuber, Louis JuckerSONART – Musikschaffende Schweiz

Sendungen SRG:
RTS, musique d’avenir, Redaktion: Anne Gillot
SRF 2 Kultur:
Aktuell & Kultur kompakt, 12./13.3., Redaktion Annelis Berger
Musikmagazin, 14./15.3., Redaktion Annelis Berger

Neo-Profiles: Nouvel Ensemble Contemporain, Daniel Zea

GRiNM? = [GRiNäM]!

GRiNM Network-Conference: Experiences with Gender and Diversity in New Music – ZHdK, 14.-16. November 2019

GRiNM ©Berliner Festspiele

Gabrielle Weber
GRiNM – ‘Gender Relations in New Music’ – steht für ein internationales Kuratorenkollektiv mit Basis in Berlin. Im Anschluss an ein offenes Diskussionsforum an den Darmstädter Ferienkurse 2016 entstanden, war es seither in gezielten Aktionen an zahlreichen Neue Musik-Festivals in ganz Europa präsent. In Zürich veranstaltet GRiNM nun erstmals eine dreitätige internationale Network-Konferenz zum Thema Gender und Diversity, zusammen mit dem Departement Kulturvermittlung (DKV) der ZHdK.

Brandon Farnsworth, GRiNM-Member und Kurator der Tagung, gibt im Gespräch Auskunft zu GRiNM und zur Network-Conference.

Wie erklären Sie das kryptische Kürzel GRiNM?

Wir sind ein heterogenes Kollektiv mit verschiedene Hintergründen und Haltungen. Wir setzen uns alle für ähnliche Sachen ein: wir repräsentieren und streben nach Diversität in der Neuen Musik und machen durch Aktionen auf unser Anliegen aufmerksam. Was uns verbindet ist unsere Unabhängigkeit: wir haben keine festen Anstellungen in diesem Bereich, sind keine rechtliche Organisation, beanspruchen keine Fördergelder für unsere GRiNM-Tätigkeit.

‘Musik und Kontext oder Form und Inhalt lassen sich nicht voneinander trennen.’

Woher stammt ihr Engagement für die Genderthematik?
Mein eigener Zugang ist eher intuitiv. Er kommt aus dem kuratorischen Blickwinkel: Wie verhalten sich die institutionellen Rahmenbedingungen und die musikalische Produktion zueinander? Was haben die Rahmenbedingungen für eine Auswirkung auf die musikalische Produktion?

Wofür steht in diesem Kontext der Begriff ‘Gender’?
Gender als Label ist ein Ansatzpunkt, der rein Zahlenmässig vieles reflektiert: 90% Männer – 10% Frauen, wenn’s hoch kommt 80%-20% als Faustregel für Lehraufträge, Repertoire in Konzertsälen, Kompositionsaufträgen an Festivals, usw.. Wenn wir Statistiken mit solchen Zahlen zur Diskussion stellten, führte das immer auch zu Themen wie Eurozentrismus, soziale Schicht, Einkommens- und Bildungsniveau. Gender beinhaltet Vieles, er bezieht sich nicht nur auf die Geschlechterfrage. Es gleichbedeutend mit Diversität, mit dem Infragestellen von postkolonialen Ausschlüssen oder einem Kanon, der geprägt ist durch gut gebildete weiße männliche Europäer aus reichen Ländern.

Donaueschingen Statistics mit freundlicher Genehmigung von GRiNM

‘Gender ist ein Sammelbegriff für verschiedene Arten von Ausschluss

Seit der Gründung von GRiNM 2016 sind drei Jahre vergangen. Die Genderbalance (bspw. in Donaueschingen) hat sich stark verschoben: hatte GRiNM einen Anteil an der Veränderung?

Das lässt sich nicht beweisen. Unsere Aktionen waren sicherlich wichtig. Wir veranstalteten einerseits auf Einladung Workshops, zweimal am Festival Maerzmusik Berlin 2017 und 2018, machten eine Stickeraktion mit der provokativen Forderung 50%-50% oder veröffentlichten Statistiken. Andererseits waren wir ohne Einladung am Rand von Festivals präsent, bspw. Darmstadt 2018. Wir boten eine Plattform, um über Erfahrungen mit Gender und Diversity zu sprechen, was innerhalb keinen Platz hatte. Wir stellten fest, dass es dafür ein grosses Bedürfnis gab, aber kaum Möglichkeiten für Austausch. Mit der Konferenz schaffen wir nun einen solchen Rahmen.

GRiNM ©Berliner Festspiele

Was ist das Ziel der Konferenz?
Aktuell finden zahlreiche ähnliche Projekte an verschiedenen Orten statt, von denen man oft gegenseitig kaum weiss: da besteht ein Bedürfnis nach Networking. Wir schaffen eine Plattform für den Austausch von Erfahrungen und best practices oder das Angehen von Synergien – die Grösse der Konferenz ist einzigartig. Wir haben vierzig internationale Teilnehmende.

Was sind Themen der Tagung – was gibt es für Formate?
Es gibt Projektpräsentationen und Diskussionsforen. Am ersten Tag geht es um allgemeine Definitionen und Problemstellungen. Am zweiten Tag steht die Ausbildung im Zentrum. Die ‘Association of European Conservatories’ stellt z.B. vor, was unternommen wird, um Diversität an europäischen Hochschulen zu steigern. Am dritten Tag liegt der Fokus auf Ensembles und Festivals.

Am Vorabend gibt’s einen Netzwerkapéro mit SONART – Musikschaffende Schweiz und ein Konzert im Jazzclub Mehrspur der ZHdK. Zu hören sind zwei Musikschaffende aus Berlin, Neo Hülcker und Stellan Veloce, sowie Fågelle aus Schweden.
Interview Gabrielle Weber


Ear action for earprotection and objects, Stellan Veloce and Neo Hülcker, dark music days 2017

Ist die Tagung allen Interessierten zugänglich, werden die Resultate publiziert?
Die Tagung ist öffentlich. Danach ist eine Publikation der Beiträge und einer Auswahl an Best practices und Statistiken geplant.

GRiNM Network Conference: Full Schedule, SONART – Musikschaffende Schweiz 

neo-profile: Zürcher Hochschule der Künste