Klangkunst von „Sonic Architect“ Merlin Modulaw

Merlin Züllig alias Merlin Modulaw bezeichnet sich als „Sonic Architect“. Der in Paris lebende Zürcher hat Komposition und Sound Design in der Schweiz studiert und entdeckt mit seinen Verknüpfungen von Akusmatik, 3D-Klang, Sound Design und Pop-Referenzen neue künstlerische Räume.

 

Merlin Modulaw © Andreas Lumineau

 

Friedemann Dupelius
„Einen Tisch dekorieren ist komponieren, ein Blumenstrauß ist eine Komposition. Für mich ist Komposition ein sehr weiter Begriff. Auch Sound Design gehört dazu“. Merlin Züllig alias Merlin Modulaw denkt viel in Verbindungen und Assoziationen. Kaum ein Musikgenre und kaum eine gestalterische Tätigkeit gibt es, die er nicht im Zusammenhang miteinander sieht. Das zeigt sich schon früh in seiner musikalischen Biografie: Merlin Modulaw ist noch keine 30 und gehört zu einer jungen Generation, die in den 2010er-Jahren auf Online-Musikplattformen wie Soundcloud sozialisiert wurde. Hier tummelten sich Musiker:innen, die (oft aus dem Jugendzimmer heraus) ihre Stücke mit der Welt teilten, ohne dass ein Plattenlabel oder ein Vertrieb nachhelfen mussten. Angefixt von HipHop-Produktion und elektronischer Clubmusik vertiefte Modulaw seine Fähigkeiten in Komposition und Klangkunst in Studien in den Musikhochschulen in Basel und Bern. Dort kam er in Kontakt mit zeitgenössischer und akusmatischer Musik, Musik für Lautsprecher ohne sichtbare Instrumente, und vertiefte sich in das Thema 3D-Audio.

 

Klänge für Räume: Der „Sonic Architect“

So entstand die Selbstbezeichnung „Sonic Architect“. Denn: Ob Musiker, Komponist, Produzent, Klangkünstler oder Sound Designer, all diese Begriffe reichten für Merlin Modulaw nicht aus, um den zitierten Blumenstrauß zu beschreiben, aus dem sich seine Aktivitäten komponieren. „Sonic Architect“ bedeutet einerseits, Klänge und Musik für spezifische Räume zu gestalten, wie etwa in der Konzertreihe „Spectres“, die Modulaw gemeinsam mit Axel Kolb in Zürich veranstaltet. Hier erschließen sich Komponist:innen unterschiedlichste Räume mit Lautsprecher-Konstellationen – von großen Industriehallen über Kellergewölbe bis zu Kunstgalerien.

 


Die akusmatischen Kompositionen von Merlin Modulaw kombinieren Fieldrecordings und Synthesizerklänge und führen an verschiedene imaginäre Orte

 

Je nach Ort und künstlerischer Intention werden die Boxen im Kreis aufgestellt, frontal aufs Publikum gerichtet oder beschallen auch mal Wände und Winkel des Raumes mit elektronisch-akusmatischen Kompositionen, die speziell für diese Lautsprecher und die Räume mit ihren Eigenfrequenzen und Nachhallzeiten abgemischt und inszeniert werden. Die beteiligten Komponist:innen rotieren von Ausgabe zu Ausgabe. Im Dezember 2023 war die „Spectres“-Reihe Teil des Zürcher Sonic Matter-Festivals. Bei der „Biennale Son“ im Herbst 2023 im Wallis verräumlichte Merlin Modulaw die Klangspuren anderer Künstler:innen in einer Installation von Deborah Joyce-Holman. Er verteilte das Tonmaterial auf fünf in einer Reihe aufgestellte Lautsprecher und auf Subwoofer unter einer Sitzbank für das Publikum. Auch das ist für ihn ein eigener kompositorischer Akt, selbst wenn er die Klänge nicht selbst gestaltet hat.

 

Kreis aus acht Lautsprechern am Rindermarkt Zürich

 

„Sonic Architect“ bedeutet für Merlin Modulaw aber noch mehr: Nicht nur, mit Klängen Architektur zu betreiben, sonder auch, Identitäten zu schaffen – aus dem unbestimmten Klangstrom der Gegenwart etwas Spezifisches festzuhalten und zugänglich zu machen. Das lässt sich auf alle Tätigkeitsfelder von Merlin Modulaw übertragen, auch etwa auf seine Arbeit als Mastering-Engineer, wenn er der Musik anderer Künstler:innen den filigranen Schliff gibt, der sowohl ihre als auch seine eigene Identität in Szene setzt – oder als Sound Designer, der mit Klängen für Atmosphäre und Identität in Filmen oder Werbeclips sorgt.

„Oft nerven mich Filme mit einer markanten Filmmusik, die einfach drübergeklatscht ist und dir vorschreibt, welche Emotionen du fühlen musst. Also versuche ich, die musikalische Information bereits auf der Ebene des Sound Designs und diegetisch, also direkt in der Szene einzubringen. So könnte dann ein Wind im Hintergrund einen Moll-Akkord beinhalten, den niemand bewusst als solchen wahrnimmt, der aber die Umgebung subtil einfärbt und eine bestimmte Aura erzeugt.“

 

Für die Zürcher Design-Marke Casella Meyer gestaltete Merlin Modulaw das Sound Design eines Image-Videos mit der für ihn typischen Klangsprache

 

Klänge für Stimmen: Der Assoziierer

Die musikalischen Ergebnisse, die aus dieser Denk- und Arbeitsweise resultieren, haben andere Künstler:innen neugierig darauf gemacht, mit Merlin Modulaw zu kooperieren. Oft sind es Vokalist:innen – singend, rappend, mit der Stimme oder mit Effekten wie Autotune experimentierend –, die ihre Stimme in Modulaws Soundgewand kleiden wollen. Neun davon fanden Platz auf dem 2023 veröffentlichten Album Ignition. Auch in der Arbeit mit Vokalist:innen geht es Merlin Modulaw viel um Assoziationen: „Die Stimme ist für mich ein Referenzpunkt, an dem sich Hörer:innen schnell orientieren können. Ich kann dann Stimm-Elemente, die oft mit Popmusik im weitesten Sinne assoziiert sind, mit Referenzen aus zeitgenössischer oder elektroakustischer Musik kombinieren und damit experimentelle Musik einem anderen Publikum näherbringen.“

 


Das Stück C ist Teil des Modulaw-Albums Ignition und entstand in Kollaboration mit dem kalifornischen Rapper DÆMON.

 

Diese Kombinationen von Referenzen sind für Merlin Modulaw – neben technischen Neuerungen – die Möglichkeit, mit der Innovation in der Musik stattfinden kann. Als Grenzgänger zwischen dem Noch-Bekannten und dem So-noch-nicht-Dagewesenen hat sich Merlin Modulaw in den letzten Jahren gleich mehrere neue Räume erschlossen.
Friedemann Dupelius

 

Merlin ModulawMerlin Modulaw auf BandcampMerlin Modulaw – Ignition (Album)Konzertreihe Spectres in ZürichDeborah Joyce-Holman, Axel Kolb

neo-Profile:
Merlin ModulawFestival Sonic Matter

Uraufführung in 100 Jahren?

„Zukunftsmusik – dem Zeitgeist entkommen“ heißt ein Projekt zum 100. Geburtstag SUISA. 40 Schweizer Musikerinnen und Musiker sollten ihre Ideen zu einer Musik notieren, die erst in hundert Jahren uraufgeführt werden soll: Ein Gruß aus der Gegenwart für das Jahr 2123 zum hoffentlich 200. Geburtstag der SUISA. Am 16. April 2024 wurde das Projekt im Yehudi Menuhin Forum in Bern vorgestellt. Bettina Mittelstraß hat sich unter beteiligten Musikerinnen und Musikern umgehört.

Die Komposition des HYPER DUOs trägt als Titel die Anzahl Sekunden die von Jetzt aus bis 2123 vergehen – 3 406 699 560, hier eine Aufnahme des HYPER DUOs an einer Vinylséance am 21.11.2020 © 2020 Pablo Fernandez.

 

Bettina Mittelstrass
Helena Winkelman, das HYPER DUO, Joke Lanz, Martina Berther, Patrick Frank, Annette Schmucki, Fritz Hauser, Leo Hofmann oder Nik Bärtsch – das sind nur sieben von insgesamt 40 Schweizer Musikerinnen und Musikern, deren „Zukunftsmusik“ im April 2024 in einer Archivbox landete, ohne zuvor zu Gehör zu kommen. Hermetisch verschlossen wird dieses Archiv für 100 Jahre von der eidgenössischen Nationalphonothek in Lugano beaufsichtigt und im Eingangsbereich der «Città della Musica» ausgestellt. Erst 2123 wird das Archiv hoffentlich wieder geöffnet, die Musik aus dem Dornröschenschlaf geweckt und für ein Publikum gespielt, das heute noch nicht einmal geboren ist.

Leo Hofmann beschreibt seine Zukunftsmusik in grafisch gestaltetem Text.

 

 

Wie klingt die Schweiz in 100 Jahren?

Wie klingt die Schweiz in 100 Jahren? Eine erste Antwort könnte in der Archivbox schlummern. Leicht fielen die Antworten den 40 Befragten nicht. Skepsis herrschte vor. Welche Instrumente stehen in 100 Jahren überhaupt zur Verfügung? Gibt es noch westliche Notenschrift? Holzinstrumente? Oder hat der Klimawandel die Bäume dahingerafft? Man könne nicht wissen, ob man vor dem Hintergrund schwindender Ressourcen auf diesem Planeten „schlussendlich die Geige verbrennen muss, um nicht zu erfrieren, oder ob man dann die Darmseiten aufkochen muss, um nicht zu verhungern“, sagt der Schlagzeuger Fritz Hauser. Daher hat er seine Komposition in Morsezeichen hinterlegt – in der Hoffnung, dass diese archaischen Zeichen die Menschen der Zukunft zum rhythmischen Musizieren inspirieren, mit welcher Instrumentierung dann auch immer.

Fritz Hauser notiert seine Zukunftsmusik in reinem Morsecode. Hier sein Schraffur für Gong und Orchester, Basel Sinfonietta 2010, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Musik als Botschafterin des Zusammenspiels?

Bei aller Skepsis gegenüber dem, was in 100 Jahren Musik noch ausmacht oder überhaupt möglich macht – zwei gesellschaftliche Funktionen werden ihr wohl bleiben, meint die schweizerisch-niederländische Komponistin und Violinistin Helena Winkelmann: Musik als Botschafterin des Zusammenspiels und als Vermittlerin einer integrierenden guten Energie. Noch eine andere Sache bleibe menschlichen Gesellschaften wahrscheinlich erhalten, nämlich „dass die Menschen auch zukünftig Probleme mit Ihrem Zusammenleben haben werden.“

Helena Winkelmann hat daher die Anleitung zu einem „Musikrat“ der Zukunft in die Archivbox gelegt. Es ist die musikalische Variante eines tausende Jahre alten Konzepts, dem „Council of Chiefs“ indigener amerikanischer Gesellschaften. In einem Kreis übernehmen Musizierende unterschiedliche Funktionen – musikalisch wie gesellschaftlich. Es gibt zum Beispiel eine hinterfragende, eine erfinderische, eine bewahrende, eine warnende, eine erzählerische und eine entwickelnde Stimme. „Das ist dann auch die Magie von diesem ganzen Kreis, dass das, was uns wirklich weiterbringt, der Austausch von Perspektiven ist.“


Helena Winkelmann trägt zur Archivbox die Anleitung zu einem Musikrat der Zukunft bei. Auch in Geisterlieder, einem Zyklus über Gedichte in 18 europäischen Originalsprachen mit Begleitung verschiedener Instrumentalgruppen, befasst sich Helena Winkelmann mit der Überwindung von zeitlichen und regionalen Grenzen, UA 5.8.2023, Kirche Ernen, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Ein Raumschiff voller Perspektiven und Gegenwartskritik

„In diesem kleinen Raumschiff befindet sich im Grunde ein Querschnitt durch das momentane Schweizer Musikschaffen“, so beschreibt es der Musikethnologe und Kurator Johannes Rühl, Erfinder der Projekts. Neue Musik, elektronische Musik, Jazz, Pop und Volksmusik sind unter den 40 Kompositionsvorschlägen vertreten, aber auch Klanginstallationen und so verrückte Ideen wie eine Musik mit Pilzen, deren Aminosäuren man heute schon in Klänge umwandeln kann. Ein anderer Vorschlag nimmt das Geräusch von schmelzenden Gletschern auf und transportiert es in Form von DNA in eine Zukunft, in der es in den Schweizer Alpen vermutlich kein ewiges Eis mehr geben wird.

Das Geräusch von schmelzenden Gletschern transportiert Pablo Diserens in listening to glacial thaw in der Form von DNA in die Zukunft. © Clément Coudeyre.

 

Die meisten der eingereichten Vorschläge für die Archivbox wurden von einem skeptischen und gesellschaftskritischen Zeitgeist geprägt, bestätigt Johannes Rühl. Der Versuch, dem Zeitgeist zu entkommen, müsse verständlicherweise scheitern. „Wir kommen aus dem Jetzt offensichtlich nicht raus. Man hat zudem das Gefühl, dass heutzutage eine Dynamik in der Entwicklung ist, die es in der Vergangenheit so nicht gegeben hat.“ Ob das so stimmt? Wir werden 2123 nicht mehr da sein, um das zu überprüfen. Mögen die nach uns „unsere“ Zukunftsmusik spielen oder nicht.
Bettina Mittelstrass

 

Zukunftsmusik – dem Zeitgeist entkommen: 100 Jahre SUISA.
Die Idee stammt von Johannes Rühl, dem Ethnologen und Kurator von Musikprogrammen.
Città della Musica 

Sendung SRF Kultur:
Zukunftsmusik, Passage, 12.4.2014: Redaktorin Bettina Mittelstrass

Neoprofile:
Helena Winkelman, HYPER DUO, Joke Lanz, Martina Berther, Patrick Frank, Annette Schmucki, Fritz Hauser, Leo Hofmann, Nik Bärtsch, u.a.

Komponieren für Streichquartett mit dem Arditti Quartett

Es gilt als Synonym für zeitgenössische Musik für Streichquartett: das Londoner Arditti Quartett. Seit 1974 widmet sich das Quartett rund um den Violinisten Irvine Arditti ganz dem neuen und neusten Repertoire, sowohl in Konzerten und Einspielungen als auch im Arbeiten mit jungen Komponistinnen und Komponisten. Ende Februar begleitete ich die vier Musiker an einem öffentlichen Workshop an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK). Da machte das Quartett Halt auf seiner Konzerttournee zum 50-Jahr-Jubiläum.

 

Das Arditti Quartett an der Lecture Performance zusammen mit Isabel Mundry in der ZHdK am 28.2.2024 Foto zVg. ZHdK

 

Gabrielle Weber
«Gut ist ein Stück, wenn es Zeit und Raum gut füllt», erklärt mir Irvine Arditti im Gespräch am Vorabend des Workshops, nach einer Lecture Performance. Der quirlige Stargeiger mit dem charakteristischen grauen Lockenschopf äussert sich stets etwas doppeldeutig und humorvoll. Die Musik müsse «funktionieren», unabhängig vom Stil oder der Art. Auf Qualitätskriterien lässt er sich nicht ein: «Wir spielten viele gute und auch viele schlechte Stücke. Neue Stücke müssen zuerst einmal die Chance erhalten, gespielt zu werden. Erst dann zeigt sich ob sie gut oder schlecht sind».

 

«Gut ist ein Stück, wenn es Zeit und Raum gut füllt»

Und solche Chancen bietet das Arditti Quartett. Irvine Arditti, erster Geiger und Gründer des Quartetts, Lucas Fels, Cello, Ashot Sarkissjan, zweite Geige, und Ralf Ehlers, Bratsche, sind neugierig auf das junge Musikschaffen und fördern es gezielt. Sie unterrichten begeistert, sei es an internationalen Festivals wie den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik oder an Musikhochschulen wie der ZHdK.

An der Lecture Performance erläuterten sie zunächst generelle Herausforderungen der Notation und Einstudierung neuer Stücke für Streichquartett: dies anhand von Stücken von Komponisten, die für ihre komplexe Kompositionsweise berüchtigt sind, Iannis Xenakis und Helmut Lachenmann, und die sie gemeinsam uraufgeführt hatten.


An Tetras (1983) von Iannis Xenakis exemplifizierte das Arditti Quartett in der Lecture Performance Herausforderungen des Komponierens für Streichquartett, Eigenproduktion SRG/SSR 2023.

 

Mit neun Kompositionsstudierenden probten sie am Folgetag deren neue Stücke fürs Schlusskonzert. Fast alles sind Uraufführungen. Geprobt wird im grossen Konzertsaal mit Publikum.

Schmerzquartett heisst die Komposition von Franziska Eva Wilhelm. Wilhelm stammt aus München und studiert seit Herbst 2021 in Zürich Komposition bei Isabel Mundry. Mit Jahrgang 2003 ist sie eine der jüngsten Teilnehmerinnen am Workshop.

Portrait Franziska Eva Wilhelm © Franziska Eva Wilhelm


«Schmerz hat für mich viel mit Reibung zu tun und auch der Ton der Streichinstrumente entsteht durch eine Art Reibung», meint Wilhelm. «Schmerz ist ein schwieriges Thema und ich wollte es nicht romantisieren. Es geht mir um die Wahrnehmung von Schmerz und wie er sich in Musik verkörpern lässt: um die Textur, nicht um eine Geschichte».

Humor muss sein..

Es wird konzentriert gearbeitet und auch viel gelacht: An einer Stelle verlieren die Musiker die Orientierung in der Partitur und Lucas Fels lockert mit einer Episode auf: «New York, Carnegie Hall!», das sei die laute Antwort Sergej Rachmaninoffs mitten in einem von ihm dirigierten Konzert gewesen, auf die Frage eines Musikers, wo sie im Stück seien. Der Humor baut Spannung ab und integriert die Komponierenden.


In Schmerzquartett von Franziska Wilhelm geht es um die Textur des Schmerzes, UA Konzert Arditti Quartett ZHdK, 1.3.2024.

 

“That’s all? How’s that?” fragt Irvine Arditti zum Ende der Probe von Schmerzquartett, wieder lachend. Wilhelm ist zwar zufrieden, möchte aber noch Weiteres ausprobieren. Das wird fraglos ausgeführt.

Ihr Fazit nach den Proben: «Ich habe viel über spezifische Notationen gelernt. Sie überlassen nichts dem Zufall und wenn es etwas zu entscheiden gibt, entscheidet die Person, die komponiert hat. Ich muss als Komponistin genau wissen, was ich will. Und das muss ich auch kommunizieren können.».

Das Arditti Quartett am Konzert im grossen Saal der ZHdK vom 1.3.2024 Foto zVg. ZHdK

 

Die notierte Idee so exakt wie möglich in Klang umsetzen

Bei Uraufführungen geht es dem Quartett stets darum, die notierte Idee so exakt wie möglich in Klang umzusetzen. Das gelte genauso für grosse Namen wie auch für junge, noch unbekannte Musikschaffende, sagt Irvine Arditti. Mehrere hundert Streichquartette sind dem Quartett über die 50 Jahre gewidmet worden. Die meisten erarbeiteten sie zusammen mit den Komponistinnen und Komponisten.

 «I really want to play the piece the way you want it to be played», lässt er in den Proben immer wieder verlauten, zum Beispiel bei Andrzej Ojczenasz.

Ojczenasz klärt letzte Notations-Fehler gleich vorab. Das wird geschätzt. Zum Beispiel soll das Cello, gleich im ersten Takt, eine Oktave tiefer spielen. «Das beginnt ja mal schon gut», kommentieren die Musiker lachend.

Sein Quartett Maris Stella ist inspiriert von Gregorianischem Choral. «Die Struktur basiert auf dem Kontrapunkt des Chorals. Ich verbinde dadurch Tradition und Gegenwart», erläutert er.

 

Portrait Andrzej Ojczenasz zVg. Andrzej Ojczenasz

 

Andrzej Ojczenasz stammt aus Polen. Er studierte zunächst an der Krysztof Penderecki Musikhochschule in Krakau, bildete sich dann an der University of Louisville in den USA weiter und absolviert nun den Master in Komposition bei Isabel Mundry.

Gröbere Notationsfehler kommen vor..

Ashot Sarkissjan deckt etwas später einen gröberen Notationsfehler auf: Was man hören wolle, müsse man auch genauso schreiben, sagt er. Gleichzeitig spürt man, dass das Stück die Musiker überzeugt. Das Probenklima ist vertrauensvoll und Ojczenasz nimmt die Korrektur gerne an.

 


Maris Stella von Andrzej Ojczenasz basiert auf Gregorianischem Choral, Aufnahme UA Konzert Arditti Quartett ZHdK, 1.3.2024.

Gegen Schluss der Probe fragt Irvine Arditti auch ihn, ob es ihm gefallen habe: «Ja, aber..» — auch er möchte noch ein paar Stellen korrigieren.

Ojczenaszs fasst seine Learnings folgendermassen: «Präzise notieren, dann wird es auch so gespielt! Und: unbedingt sich selbst und seiner Message gegenüber ehrlich bleiben und niemand anderen darstellen wollen.»
Gabrielle Weber

Das Arditti Quartett im Konzert im grossen Saal der ZHdK am 1.3.2024 Foto zVg. ZHdK

 

Am Schlusskonzert vom 1.3.2024 im grossen Konzertsaal der ZHdK waren zu hören:
Wojciech Chalpuka: Wohin jetzt? (UA)
Luis Escobar Cifuentes: Ewige Leben (UA)
Wenjie Hu: The Rift (UA)
Amir Liberson: Emptiness (UA)
Franziska Eva Wilhelm: Schmerzquartett (UA)
Nuño Fernández Ezquerra: Lienzo de Luz (2021)
Fabienne Jeannine Müller: Incertain (UA)
Pengyi Li: … Echo … (UA)
Andrzej Ojczenasz: Maris Stella (UA)
Isabel Mundry: Linien, Zeichnungen (2004)

Sendungen SRF Kultur:
Musik unserer Zeit, 3.4.&14.8.2024: Streichquartett heute, Das Arditti Quartett und der NachwuchsRedaktion Gabrielle Weber
Neue Musik im Konzert, 3.4.&14.8.2024: Das Arditti Quartett im Konzert mit jungen Komponierenden, Redaktion Gabrielle Weber

neo-profiles:
Arditti QuartetIsabel Mundry, Franziska Eva Wilhelm, Andrzej OjczenaszWojciech ChalpukaLuis Escobar CifuentesWenjie HuAmir LibersonNuño Fernández EzquerraFabienne Jeannine MüllerPengyi Li

 

Thomas Kessler – Klangutopist und Elektronikpionier ist verstorben

 

Er hat die elektronische Musik in der Schweiz weiterentwickelt wie nur wenige, und er überraschte immer wieder mit frischen Ideen: Thomas Kessler.

Wie heute Mittag bekannt wurde, ist der Schweizer Komponist im Alter von 86 Jahren gestorben. Der Nachruf von Thomas Meyer.

 

Thomas Meyer
Ein Rapper und ein Streichquartett – eine ziemlich ungewöhnliche Kombination. 2007 trat der kalifornische Slam Poet Saul Williams zusammen mit dem Arditti Quartet bei den Tagen für Neue Musik Zürich auf, um das Stück NGH-WHT zu performen. Es war nicht seine erste Begegnung in einem klassischen Rahmen. Zwei Jahre zuvor hatte er schon in Basel mit einem Orchester seine Texte rezitiert, in ‘said the shotgun to the head. Beide Stücke stammten von Thomas Kessler.

 

Thomas Kessler, Basel 29.11.2018 ©Copyright: Thomas Kessler / Priska Ketterer

 

Der Schweizer hatte sich 2001, frisch pensioniert, in Toronto auf die Suche nach dem ungewöhnlichen Sound gemacht. „Ich suchte Poetry, mit Rap, aber nicht mit einem aggressiven Bumm-Bumm-Rhythmus, sondern etwas Offeneres oder Experimentelles. Und ich suchte lange, aber plötzlich hörte ich etwas; da sprach ein Poet mit einem Cellosolo, das war phantastisch. Das hatte Rhythmus, Puls, aber nicht so, wie kommerzielle Musik klingt. Ich dachte, den Mann möchte ich kennenlernen.“ Kurz darauf stand er bei Saul Williams vor der Tür, der rappte ihm bei der ersten Begegnung gleich sein jüngstes Buch vor und meinte: Willst Du das nicht verwenden? So kam es zur Zusammenarbeit.

 


Thomas Kesslers NGH WHT für Sprecher und Streichquartett aus dem Jahr 2006/07, hier interpretiert vom Mivos Quartet und Saul Williams am Lucerne Festival, KKL Luzern 17.8.2019, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Diese Suche nach dem Unverbrauchten, diese Neugierde zeichnete Thomas Kessler zeitlebens aus. Geboren 1937 in Zürich, hatte er sich von jeher eigenständig in – und neben der Avantgarde bewegt. In den 60er Jahren gründete er in Berlin ein eigenes Studio. Bald gingen in diesem Electronic Beat Studio die jungen Rockmusiker ein und aus, entdeckten neue Geräte und entwickelten einen neuen Sound. Von da her war es kaum erstaunlich, dass sich Kessler später dem Rap zuwandte.

 

Thomas Kessler und Saul Williams © Werner Schnetz

 

Ab 1973 baute er in Basel das Elektronische Studio der Musik-Akademie auf und führte es zu internationalem Renommee. Aber auch da suchte er nach unkonventionellen Lösungen. Eine bedeutende Schiene seines Schaffens waren etwa jene live-elektronischen Stücke, bei denen die Solomusiker selber die Kontrolle über den Sound übernehmen und das Klangergebnis somit nicht mehr von einem zentral gesteuerten Mischpult beherrscht wird. Was 1974 mit dem Solo „Piano Control“ begann, kulminierte im neuen Jahrtausend in einer Serie von Orchesterstücken, Utopia genannt.“

 


Thomas Kessler, Utopia II, für Orchester und Elektronik, 2010/11, Basel Sinfonietta, Leitung Jonathan Stockhammer, Stadtcasino Basel 30.3.2014,  Eigenproduktion SRG/SSR.

 

„Ich wollte das ultimative Live-Elektronik-Stück zu machen, eine Utopie. Ich brauche dafür achtzig Steckdosen auf der Bühne, mehr nicht. Jeder Orchestermusiker kommt mit seinem eigenen Setup, mit einem kleinen Köfferchen, in dem der Synthesizer oder ein Laptop liegt. Er steckt die Kabel ein; neben dem Stuhl steht ein Lautsprecher und fertig. Keiner mischt im Saal den Sound zusammen; keine Lautsprecher rundherum.  Der Klang kommt vom Podium, aus den Musikern heraus.“ Die Orchester hatten tatsächlich Spass daran, diesen neuartigen Mischsound selber entstehen zu lassen, einen Klang, so Kessler, „wie er so noch nie gehört wurde“.

 


Thomas Kessler, Utopia III für Orchester (in fünf Gruppen) und multiple Live-Elektronik, Tonhalle-Orchester Zürich, Leitung Pierre-André Valade, Tonhalle Zürich 18.10.2016, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Er war ein quer- und eigenständig denkender Komponist, und doch wäre es falsch, Thomas Kessler auf den Technikfreak oder den genreübergreifenden Innovator zu beschränken. All das wurde nie zum Selbstzweck, sondern mündete jeweils in ein erfrischendes, sensibel ausformuliertes und durchaus mitreissendes musikalisches Endergebnis.
Thomas Meyer

 

Thomas Kessler, Basel, den 29.11.2018  © Thomas Kessler / Priska Ketterer

 

Saul WilliamsElektronische Studio der Musik-Akademie Basel

Sendungen SRF Kultur:
Neue Musik im Konzert, Oratorium von Thomas Kessler und Lukas Bärfuss, 5.1.2022, Redaktion Florian Hauser.
Musik unserer Zeit, My lady Soul I, 28.10.2020, Redaktion Florian Hauser.
neoblog, 8.8.2019: „Ein Mischklang, den man noch nie gehört hat: Thomas Kessler – composer in residence am Lucerne Festival, Autor Thomas Meyer

Neo-Profil:
Thomas Kessler

Daniel Zea komponiert für Kartonschachteln und Avatare

Der kolumbianisch-schweizerische Komponist Daniel Zea versteht Klang als plastische Materie. Er verbindet in seinem Werk Klänge, Bewegung, Elektronik und Video mit digitalen Setups. Ein Portrait von Jaronas Scheurer.

Jaronas Scheurer
«Ich komponiere Musik eher als Designer denn als Komponist», meint Daniel Zea im Laufe unseres Interviews. «Mich beschäftigen Dinge wie Symmetrie bzw. Asymmetrie, Ergonomie und Balance und ich verstehe Klang als plastische Materie.» Und Industriedesign hat er auch studiert in Kolumbien, bevor er in Bogotá bei Harold Vasquez-Castañeda ein Kompositionsstudium aufnahm, bevor er nach Genf kam, um bei Eric Gaudibert an der haute école de musique (HEM) fertig zu studieren. Bevor er in Den Hague zwei Jahre am Institut für Sonologie studierte, bevor er das Ensemble Vortex mitgründete und bevor er in Genf an der HEM interaktives Design zu unterrichten begann: Daniel Zeas CV ist lange und vielseitig – Industriedesigner, Komponist, Audiodesigner, Medienkünstler, Programmierer.

 

Daniel Zea als Avatar in seinem Stück “Autorretrato”. © Daniel Zea

 

Daniel Zea schreibt meistens Musik für ein komplexes Netzwerk: Interpret:innen, selbst entwickelte und herkömmliche Instrumente, Elektronik, Videoprojektionen und Computerprogramme werden miteinander verbunden. «Wenn ich mit interaktiven Systemen arbeite, ist es eigentlich jeweils ein Design Projekt: Ich entwickle ein Setup, das Hardware, Software und menschliche Interaktion so verbindet, dass Klang, dass Musik entsteht.» Seine Werke verbinden Bewegung und Klang und resultieren in selbst entwickelten Instrumenten oder in sich in Echtzeit generierenden Partituren – wie z.B. im Stück Box Tsunami von 2021.

 

Daniel Zea hat Box Tsunami 2021 während der Corona-Pandemie für die vier Musiker:innen des Concept Store Quartets komponiert.

 

Box Tsunami

Die Unmenge an verschickten Paketen als Symbol für den Konsumwahn war Ausgangspunkt für Zea: «Ein Mensch vor einer leeren Schachtel – das ist schon sehr poetisch. Was bedeutet das? Wieso sitzt der Mensch da? Wieso ist die Schachtel leer?» Und so beginnt Box Tsunami denn auch: Die vier Musiker:innen sitzen mit ihren Instrumenten und einem Laptop vor grossen Kartonschachteln. Diese sind oben offen und weisses Licht scheint heraus. Es klopft, raschelt und knarzt in den Schachteln. Die Musiker:innen schauen konzentriert auf ihre Laptops und legen zarte, filigrane Klänge über das Rumpeln aus den Schachteln – alle für sich, ohne gross aufeinander zu achten.

Zea hat für Box Tsunami zuerst die klingenden Schachteln entwickelt. Er stattete die Schachteln mit kleinen elektrischen Hämmern und sogenannten Transducern aus, die als eine Art Lautsprecher Signale übertragen. So wird die Kartonschachtel zu einem Instrument, das er elektronisch ansteuert. Die Signale sind jedoch eher leise, weshalb auch die vier Musiker:innen nur leise und zart spielen können. Um die Musiker:innen und die Schachteln kompositorisch zu verknüpfen, werden die elektrischen Hämmer von der Perkussionist:in mittels einem Midi-Drumpad angesteuert. Ein interaktiver Loop verknüpft Musiker:innen und Kartonschachteln und die Partitur wird daraus in Echtzeit generiert. Ähnlich wie während den Corona-Lockdowns sitzen alle gebannt vor ihren Bildschirmen. Sie sind von den Handlungen der anderen und vor allem von den technologischen Kommunikationsmitteln abhängig, aber begegnen sich gar nie dabei. Und darum herum türmen sich die Kartonschachteln aus den Online-Käufen – Box Tsunami.

 

In In Daniel Zeas Selbstporträt und der Soloshow Autorretrato von 2023 sieht man ihn vor einer Kamera sitzen und auf der Leinwand einen überlebensgrossen Avatar von ihm.

 

Autorretrato

Das Setting für Zeas Komposition Autorretrato (Selbstporträt) ist simpler: Zea selbst sitzt vor einer Kamera und auf der Leinwand hinter ihm sieht man einen Avatar, der dieselben Gesichtsbewegungen ausführt. Ein digitaler Doppelgänger. Mit seinen Gesichtsbewegungen kann Zea Klänge ansteuern und manipulieren. Mit der Zeit wird die Leinwand von unterschiedlichen Objekten wie einer Cola-Dose, High Heels, einer Handgranate oder einem Kruzifix bevölkert. Gemacht ist das mittels einer App für Facetracking, die Zea mit dem Audioprogramm verknüpft. Für Autorretrato ist Zea Komponist, Audiodesigner, Softwareentwickler und Interpret in eins. «Das Schwierigste daran war sicherlich das Performen», meinte Zea. «Ich bin es nicht gewohnt, alleine in der Mitte der Bühne zu stehen, und vor der Premiere war ich dementsprechend nervös. Es ist auch ein sehr persönliches Stück. Das ist einerseits riskant, aber es erlaubt mir auch Dinge zu sagen und zu tun, die ich sonst nicht machen würde.»

Autorretrato ist neu und Zea bezeichnet es als «Work in progress»: «Ich würde das Stück gerne noch ausarbeiten und einige Teile ausbauen. Wir arbeiten jeden Tag irgendwie an unserem Selbstporträt weiter», so Daniel Zea. Und so baut Zea weiter: Verbindet Klang und Bewegung, untersucht kompositorisch die subtilsten Regungen des Gesichts, entwickelt Instrumente und bettet dies alles in seinen gesellschaftspolitischen Überlegungen ein.
Jaronas Scheurer

 

Portrait Daniel Zea © Vincent Capes

 

Vom 30. April bis am 5. Mai 2024 widmet sich das Festival les Amplitudes in La Chaux-de-Fonds dem Werk von Daniel Zea. Unter anderem spielt das von Zea mitgegründete Ensemble Vortex Werke von ihm, es wird sein neues Werk für Orchester uraufgeführt und während der ganzen Zeit findet eine Klanginstallation von Daniel Zea und Alexandre Joly statt.

Nejc Grm, Alicja Pilarczyk, Pablo González Balaguer

Sendungen SRF Kultur:
neoblog, 14.10.2020: la ville – une composition géante, auteur Anya Leveillé
neoblog, 23.01.2022 : Portrait unserer Zeit, Autorin Gabrielle Weber

Neo-Profile: Daniel Zea, Concept Store Quartet, Ensemble Vortex, Eric Gaudibert, Jeanne Larrouturou

 

Eigenwilliger Avantgardist aus Zullwil: Der Komponist Hermann Meier

Hermann Meier (1906-2002) war Dorfschullehrer in Zullwil im Schwarzbubenland und hatte fünf Kinder zu ernähren. Trotzdem fand er immer die Zeit, um an seinen ungewöhnlichen Kompositionen zu arbeiten – wenn auch erstmal nur für die Schublade, weil größere Erfolge und Aufführungen zu seinen Lebzeiten ausblieben. Die Musikwissenschaftlerin Dr. Michelle Ziegler hat seinen Nachlass erforscht. Ein Gespräch mit Friederike Kenneweg.

 

Ausschnitt aus dem grafischen Plan von Hermann Meier für sein Stück für zwei Klaviere HMV44 aus dem Jahr 1958. Vergilbtes Papier mit Linien, darauf mit Buntstift in rot, schwarz und blau eingetragene Flächen-
Ein Ausschnitt des graphischen Plans zu einem Klavierstück von Hermann Meier aus dem Jahr 1958 (HMV44). “Mondriane” nannte Meier diese Pläne, die er seit den 1950er Jahren erstellte, bevor er die Werke in Notenschrift ausarbeitete. Der Nachlass des Komponisten ruht seit 2009 in der Paul Sacher Stiftung – und damit auch eine Vielzahl dieser Graphiken, eingerollt und in Kartons verstaut. © Paul Sacher Stiftung.

 

Friederike Kenneweg
“Angefangen hat es damit, dass ich 2011 erstmals Musik von Hermann Meier im Konzert gehört habe”, erinnert sich Michelle Ziegler, “und das hat mich gleich fasziniert.” Damals spielten Tamriko Kordzaia und Dominik Blum die Dreizehn Stücke für zwei Klaviere von Hermann Meier aus dem Jahr 1959. “Das sind dreizehn voneinander abgetrennte Abschnitte von sehr unterschiedlichem Charakter. Ich habe mich damals schon mit der Umsetzung von bildnerischen Vorstellungen in Musik beschäftigt, und das fand ich hier konsequent umgesetzt.”

 

 


In den Dreizehn Stücken für zwei Klaviere offenbart sich der Facettenreichtum von Hermann Meiers Musik, der laut und direkt, aber auch zart und manchmal humorvoll klingen kann. Tamriko Kordzaia, Dominik Blum, Konzert vom 19.Mai 2011, Museum für Gestaltung Zürich, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

Als Michelle Ziegler hörte, der Nachlass dieses Komponisten läge noch weitgehend unerforscht in der Paul Sacher Stiftung und es gäbe dort allerhand graphische Pläne zu entdecken, hatte sie ihr Dissertationsprojekt gefunden. “Das war dann am Ende auch der Schwerpunkt meines Projekts: Meiers Klaviermusik und seine bildliche Notation.”

 

 Die Musikwissenschaftlerin Michelle Ziegler bei einer Führung durch die Ausstellung "Mondrian-Musik. Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier". © Daniel Allenbach/HKB
Michelle Ziegler bei einer Führung durch die Ausstellung ‘Mondrian-Musik. Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier’ (Kunstmuseum Solothurn, Oktober 2017 – Februar 2018) © Daniel Allenbach/HKB.

 

Aufzeichnungen in Schulheften

Um die Notizen von Hermann Meier lesen zu können, lernte Michelle Ziegler sogar eigens eine bestimmte Stenografie-Schrift. Denn in dieser Form hielt Meier, der als Primarschullehrer unbegrenzt Zugang zu Schulheften hatte, unentwegt seine Gedanken fest: zur Musik, zur zeitgenössischen Kunst und zum Fortgang seiner Arbeit. “Man kann ihn geradezu als graphoman bezeichnen”, sagt Michelle Ziegler. Mit der Vielzahl an Heften, Plänen und Noten, die heute in der Paul Sacher Stiftung ruhen, könne man sich noch ein ganzes Leben lang beschäftigen.

 

Quer zum Musikbetrieb seiner Zeit

Dass Hermann Meier trotz der stetigen Produktivität zu seinen Lebzeiten nur wenig Anerkennung erfuhr, hat mit seinem eigenwilligen kompositorischen Weg zu tun. Schon seit den 1930er Jahren beschäftigte er sich im Selbststudium mit der Zwölftonmusik und fand mit Wladimir Vogel nach dem Zweiten Weltkrieg auch zunächst einen wohlwollenden Lehrer. Doch er verabschiedete sich mehr und mehr davon, fand erst einen umso radikaleren Umgang mit dem seriellen Komponieren und ging schließlich, inspiriert von der Bildenden Kunst um Piet Mondrian und Hans Arp, zur Arbeit mit Klangflächen über. Seit 1955 arbeitete Meier mit graphischen Plänen, in denen er visuell die Struktur skizzierte, die er später in Notenschrift ausformulierte.

Mit seiner Art zu Komponieren stieß er damals auf Unverständnis. Obwohl er sich um Aufführungsmöglichkeiten bemühte, erhielt er nur Absagen. Er komponierte zwar unbeirrt weiter, aber für die Schublade.

 

Der Komponist Hermann Meier 1979 in Yverdon am Klavier.
Hermann Meier 1979 in Yverdon. © Privat

 

Klang als Leinwand

Eine zentrale Rolle im Werk Meiers, der selbst ein sehr guter Pianist war, spielen Tasteninstrumente. Das Klavierstück von Hermann Meier, das Michelle Ziegler besonders schätzt, ist das Stück für zwei Klaviere aus dem Jahr 1958 (Hermann-Meier-Verzeichnis HMV 44).

“Das ist für mich ein umwerfendes Stück. Ich kann es mir immer wieder anhören und höre immer wieder andere Dinge.”

 

 


Im Stück für zwei Klaviere HMV 44 aus dem Jahr 1958, hier gespielt von Tamriko Kordzaia und Dominik Blum, experimentiert Hermann Meier mit den drei Strukturelementen Punkte, Striche und Flächen. Diese werden gegeneinander gesetzt, überlagern sich, werden übereinander geschichtet.

 

 

Ausschnitt aus dem graphischen Plan zu dem Stück für zwei Klaviere HMV44 von Hermann Meier aus dem Jahr 1958. Auf vergilbten Karopapier sind schwarze, blaue und rote Flächen eingezeichnet, mit Bleistift Anmerkungen des Komponisten verzeichnet. © Paul-Sacher-Stiftung, Basel
Ausschnitt aus dem graphischen Plan zum Stück für zwei Klaviere HMV 44. In dem frühen Plan sind die drei Formelemente Punkte, Striche und Flächen in verschiedenen Farben ausgedrückt: Punkte rot, Striche blau und Flächen schwarz. © Paul-Sacher-Stiftung, Basel

 

Späte Anerkennung: ‘Klangschichten’

Dass Meiers Bemühungen um Aufführung seiner Werke nicht fruchten wollten, liegt auch daran, dass sie für die damaligen Instrumentalist:innen zu schwierig waren. So nimmt es nicht wunder, dass Meier sich der elektronischen Musik zuwandte. Und tatsächlich gelang es ihm, 1976 und damit im Alter von siebzig Jahren, im Experimentalstudio des SWF sein erstes Werk für Tonband Klangschichten zu realisieren – mit dem er im Dezember des gleichen Jahres einen Preis gewann.

 

Im Alter ein neuer Stil

Ab 1984 Jahren war es der Pianist und Komponist Urs Peter Schneider, der sich für Hermann Meiers Musik interessierte und einige seiner Werke im Rahmen der Konzertreihe “Neue Horizonte Bern” zur Uraufführung brachte.

 


Mit der späten Möglichkeit, seine Instrumentalstücke aufgeführt zu erleben, entwickelte Hermann Meier einmal mehr einen neuen Stil. Diesen entdeckt Michelle Ziegler zum Beispiel im Klavierstück für Urs Peter Schneider aus dem Jahr 1987, hier gespielt von Gilles Grimaître. Konzert HKB Bern 2017, Eigenproduktion SRG/SSR.

 

“Das Rhythmische und das Element der Dauer werden dann sehr wichtig. Da war er schon über achtzig und hat sein Komponieren noch einmal ziemlich verändert, einfach weil ihn etwas anderes noch mehr fasziniert hat.”

Unterdessen hat das Werk Hermann Meiers doch noch einiges an Aufmerksamkeit erfahren. Im Jahr 2018 gelangte beispielsweise Meiers Stück für großes Orchester und Klavier vierhändig aus dem Jahr 1965 bei den Donaueschinger Musiktagen zur Uraufführung. Solche Konzerte freuen Michelle Ziegler besonders.
“Mir ist wichtig, dass die Musik von Hermann Meier nicht nur Papier bleibt, sondern dass sie unbedingt auch gehört werden soll.”
Friederike Kenneweg

 

Die Paul Sacher Stiftung hat den Nachlass von Hermann Meier geordnet, zu einem großen Teil restauriert und ein Werkverzeichnis angelegt.

Der Komponist und Fagottist Marc Kilchenmann hat die Noten als Faksimile-Ausgabe im aart Verlag zugänglich gemacht.

Der Pianist Dominik Blum hat sämtliche Werke für Klavier Solo von Hermann Meier ab 1948 vollständig eingespielt.

Michelle Ziegler veröffentlichte den Band Musikalische Geometrie. Die bildlichen Modelle und Arbeitsmittel im Klavierwerk Hermann Meiers im Verlag Peter Lang, Bern und gab gemeinsam mit Heidy Zimmermann und Roman Brotbek den Katalog zur Ausstellung Mondrian-Musik. Die graphischen Welten des Komponisten Hermann Meier im Chronos Verlag, Zürich heraus.

Webseite Hermann Meier, Paul Sacher Stiftung, Aart Verlag, Michelle Ziegler

 

Sendung SRF Kultur:
Kontext, 10.1.2018: Hermann Meier, ein lang verkannter Musikpionier, Autor Moritz Weber

neo-profile:
Hermann Meier, Urs Peter Schneider, Gilles Grimaître, Tamriko Kordzaia, Dominik Blum, Marc Kilchenmann

Simone Keller – vergessene Klaviermusik wiederentdeckt

Schwarz, schwul und provokant: Julius Eastman (1940–1990) zerfetzte die Oberfläche gepflegter minimal music. Mit seiner Bekenntnismusik platzte er in die Blase der weissen Avantgarde New Yorks. Die Schweizer Pianistin Simone Keller trug mit dem Kukuruz Quartett massgeblich zur Wiederentdeckung bei und setzt sich auch für weitere «vergessene» Klaviermusik ein.

Portrait Simone Keller © Doris Kessler

 

Corinne Holtz
Als Julius Eastman in der Aula Rämibühl in Zürich über eine Stunde improvisiert, ist Simone Keller drei Jahre alt. Der Maler Dieter Hall hat den unbekannten Pianisten, Komponisten, Sänger und Performer 1983 für ein Debüt in die Schweiz eingeladen, bevor er selbst für Jahrzehnte in die brodelnde Metropole eintauchen sollte.

Eastman hinterlässt in Zürich ein «verstörtes» Publikum und schenkt seinem Gastgeber eine mit fugue no 7 überschriebene Skizze, die das Kukuruz Quartett Jahre später zusammen mit anderen Transkripten sowie Fotos und Aufnahmen auswerten wird. Die «Eastman-Leidenschaft» setzte ein. Sie beförderte Einrichtungen und Ausdeutungen von Stücken, «die auch Insidern noch nicht bekannt waren», sagt Simone Keller.

Dazu zählt Buddha (1983), das den Interpretierenden gleichzeitig zu realisierende 20 Einzelstimmen auferlegt, ohne bestimmte Instrumente oder deren Anzahl festzulegen. Das Kukuruz Quartett hat sich für Präparationen entschieden, die Klangflächen im Pianissimo an der Schwelle der Hörbarkeit ermöglichen.

Ganz anders Gay Guerrilla (1979) und sein wilder Mix aus Jazzharmonik und Luther-Choral, eine Niederlegung von Eastmans Lebensfragen. «Ich habe lange mit Gott gekämpft», sagte er in einem Interview, und hoffte, dereinst Frieden mit ihm schliessen zu können. Seine panreligiöse Spiritualität fand auch auf die Bühne. 1984 etwa führte er das Solo The Lord give it and the Lord take it away auf, ein 15 Minuten langes Gebet in tiefem Ernst.


Das Kukuruz Quartett spielt Gay Guerilla von Julius Eastman 2019 an der Brown University, Providence, Rhode Island, USA.

 

Überschreiten von Grenzen, Stilen und Konventionen

Eastman überschreitet Grenzen von Stilen, Genres und Konventionen und hinterlässt Musik, die klanggewordener Protest ist. Das gilt insbesondere für die Trilogie Evil Nigger, deren Titel 1980 afroamerikanische Studierende auf dem Campus der Northwestern University in Evanston (Illinois) protestieren liess. Sie forderten, das «N.»-Wort müsse aus dem Programm gestrichen werden. Eastman wandte sich vor dem Konzert ans Publikum und begründete seinen sprachlichen Rassismus historisch. Das beleidigende Wort verwende er, um die Rolle der Afroamerikaner in der US-amerikanischen Geschichte sichtbar zu machen. «Die Grundlage des ökonomischen Aufstiegs des Landes baut auf der Arbeitskraft der Afroamerikaner, insbesondere der Field-Niggers.» 250 Jahre lang hatten Sklaven und Sklavinnen Reichtum für Weisse erwirtschaftet, während ihnen selbst Eigentum und Bildung in der Regel untersagt waren.

Eastman sagt, was ist, und wird dafür von der eigenen Community abgestraft. Ist hier ein Mechanismus im Gang, dem wir heute im Cancelling unerwünschter Meinungen begegnen? «Nein», findet Simone Keller. «Eastman wollte provozieren und damit zeigen können, warum es wichtig ist, über diese Titel und ihre Sprengkraft nachzudenken.» Es sei richtig, dass wir im Zuge «des kulturellen Wandels sensibler» mit dem tradierten Rassismus auch in der Sprache umgehen würden.

Heruntergewirtschaftete Klaviere machen schmerzhafte Schönheit hörbar..

Das Kukuruz Quartett hat Eastman für Europa entdeckt und seine Musik zuerst in Clubs, Bars und Bierbrauereien gespielt – auf vier «heruntergewirtschafteten» Klavieren, die bereits viele Präparationen überlebt haben und mit ihren «geschundenen Resonanzkörpern genügend Widerstand bieten», um die «Repetitionswut» bei gleichzeitig schmerzhafter «Schönheit» zeigen zu können.

Damit wird das Quartett einer von Drogenexzessen getriebenen Musik gerecht, die im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung während Demonstrationen durch die Strassen schallte und heute in etablierten Konzertsälen erklingt. MaerzMusik in Berlin gab 2017 den Auftakt, kürzlich zog das Lucerne Festival Forwardnach.

Was der visionäre Eklektiker zur Anerkennung durch das Establishment sagen würde, wissen wir nicht. Er selbst verbrachte seine letzten Lebensjahre im Obdachlosenlager im Tompkins Square Park in New York und starb 1990 vergessen in einem Spital in Buffalo.

St. Gallen – Portrait der Pianistin Simone Keller anlässlich der Verleihung des IBK-Preises für Musikvermittlung © Lisa Jenny

 

«Ich bin als weisse Musikerin verpflichtet, auch Musik von Menschen anderer Hautfarbe zu spielen», sagt Simone Keller. Im Studium habe sie ausschliesslich Musik von weissen Männern gespielt und das noch in den 2000er-Jahren, als bereits die eine und andere weisse Komponistin wiederentdeckt wurde, etwa Clara Schumann, Fanny Mendelssohn und Lili Boulanger.

Höchste Zeit, auch an afroamerikanische Komponistinnen wie etwa Irene Higginbotham und ihre berühmteste Komposition Good Morning Heartache (1945) zu erinnern und «Ungleichheits- und Machtverhältnisse» sichtbar zu machen, findet Simone Keller und titelt ihre neuste CD mitsamt Buch Hidden Heartache.

Irene Higginbotham (1918-1988), Good Morning Heartache, interpretiert von Simone Keller, Klavier, und Michael Flury, Posaune, 2024.

 

Anders als Julius Eastman ist Julia Amanda Perry (1924–1979) vergessen. Die afroamerikanische Pianistin, Komponistin und Dirigentin feiert am 25. März ihren 100. Geburtstag. Nach ihrer Grundausbildung am Westminster Choir College Princeton studierte sie in Europa bei Luigi Dallapiccola und Nadia Boulanger, war Guggenheim-Stipendiatin in Florenz und dirigierte zwischen 1952 und 1957 so berühmte Orchester wie das BBC Philharmonic und die Wiener Philharmoniker. Dennoch standen Perry zurück in den USA kaum Türen offen. Mit Hidden Heartache verweist Simone Keller auf Strukturen dieses Vergessens und bringt Klaviermusik von Ausgesperrten der Musikgeschichte ans Licht.
Corinne Holtz

Julius Eastman (1940-1990), Irene Higginbotham (1918-1988), Olga Diener (1890-1963), Lucerne Festival ForwardFestival MärzMusik.

An Julia Amanda Perrys Geburtstag (25.3.2024), erscheinen Buch und Doppel-CD mit 100 Minuten Klaviermusik der letzten 100 Jahre, mit Werken von u.a. Julius Eastman, Julia Amanda Perry, OIga Diener, Jessie Cox u.a., Intakt records.
CD: Kukuruz Quartet, Julius Eastman, Piano interpretations, Intakt records 2018.

Simone Keller: Hidden Tour, 19.–27. März 2024.

Julia Perry Centenary Celebration & Festival, New York City, 13.–16. März 2024.

Sendung SRF Kultur:
Musik unserer Zeit, 17.1.2024: Erst vergessen, heute ein Hype: Julius Eastman (1940–1990), Redaktion Corinne Holtz.

neo-profiles:
Simone Keller, Kukuruz Quartett, Jessie Cox.

Musik ist immer politisch! Luigi Nono 100

Luigi Nono (1924-1990) gilt als zentrale Figur der internationalen Musikavantgarde: Ein Portrait von Florian Hauser zu seinem 100. Geburtstag am 29. Januar.

Florian Hauser
Alle sind sie gekommen. Mehrere Tausend Arbeiter versammeln sich in ihrer Betriebspause und wollen hören, was Nono aus den Geräuschen gemacht hat. Das brüllend laute Dröhnen und Zischen des Hochofens in ihrer Stahlfabrik hatte er aufgenommen, und jetzt stellt er ihnen seine Tonbandcollage vor. Und anschliessend diskutieren die Arbeiter darüber, beginnen sie nachzudenken über ihre Arbeitsbedingungen. ‘La fabbrica illuminata’ heisst das Stück, das Luigi Nono Mitte der 60er Jahre den Stahlarbeitern in Genua widmet. Ein Paradebeispiel von Partizipation, würde man heute sagen. Hochmodern, bis heute. Und darum war es ihm immer gegangen: Luigi Nono machte Musik, um ein politisches Bewusstsein zu schaffen.

Luigi Nono, am 12. November 1976 in der Roten Fabrik in Zürich. Nono führt elektronisch bearbeitete Originalgeräusche aus einer Fabrik vor und diskutiert mit den Zuhörern über seine Werke © Keystone.

 

Luigi Nono stammt aus einem Venezianischen Bildungsbürgerhaushalt. Als er ein Jahr alt ist, wird Benito Mussolini zum faschistischen Diktator Italiens. Das prägt Nonos gesamte Entwicklung, ja sein ganzes Leben. Gegen Unterdrückung, Krieg und soziale Missstände will er kämpfen. Dass er das als Komponist tut, ist nur ein Zufall, sagt er: denn er findet Anschluss an die musikalische Avantgarde nach dem 2. Weltkrieg.

Es ist die Zeit des grossen Aufbruchs. Eine junge Komponistengeneration will auch musikalisch eine neue Welt errichten, die alten Expressionen haben ausgedient, klare Strukturen müssen her, neue Komponier-Techniken, auch neue Hilfsmittel wie Elektronik.
Ein wichtiges Zentrum der neuen Avantgarde, die sich formiert, ist das deutsche Darmstadt.


Luigi Nono, Incontri für 24 Instrumente, UA 1955, Eigenproduktion SRG/SSR: 1955 – Nono ist bereits fest eingebunden in die Darmstädter Ferienkurse – schreibt er eine musikalische Liebeserklärung an seine zukünftige Frau, Nuria, die Tochter Arnold Schönbergs: Incontri für 24 Instrumente, die Begegnung selbstständiger musikalischer Strukturen. „So wie zwei Wesen, verschieden voneinander und selbstständig in sich, sich begegnen und aus ihrer Begegnung zwar keine Einheit werden kann, aber ein Sich-Entsprechen, ein Zusammensein, eine Symbiose”. Nach der Uraufführung in Darmstadt verloben sich Nuria Schönberg und Luigi Nono, kurze Zeit später heiraten sie.

 

Drei Komponisten werden bei den sogenannten ‘Internationalen Ferienkurse für neue Musik’ Darmstadt zu den zentralen Figuren: der Franzose Pierre Boulez, der Deutsche Karlheinz Stockhausen und der Italiener Luigi Nono.

Was zunächst als wunderbare und intensive Künstlerfreundschaft beginnt, ändert sich bald, Differenzen werden deutlich. Nono ist derjenige, der nicht l’art pour l’art machen will, wie die Kollegen. Er will raus aus dem Elfenbeinturm, auf die Strasse, zu den Menschen. Und vertont zum Beispiel Abschiedsbriefe zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer….

“Das Menschliche, das Politische lässt sich nicht trennen von Musik” 

Das Menschliche, das Politische lässt sich nicht trennen von der Musik, sagt Luigi Nono. Er versucht immer dringlicher, den Finger auf soziale Missstände zu legen. Mit allen musikalischen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, macht er das: wilden Orchesterimpulsen, Klängen an der Grenze zum Verstummen, mit Collagen, Elektronik oder Musik, die sich im ganzen Raum verteilt.

„Das Ohr aufwecken, die Augen, das menschliche Denken, die Intelligenz, die grösstmögliche entäusserte Innerlichkeit”, mit diesen Worten umschrieb Nono 1983 sein ewiges Ziel, „als Musiker wie als Mensch Zeugnis abzulegen”.


Luigi Nono, No hay caminos, hay que caminar, UA 1987, Eigenproduktion SRG/SSR: Den Satz „Caminantes, no hay caminos, hay que caminar« (Wanderer, es gibt keinen Weg, du musst einfach gehen) hatte Nono auf der Wand eines Klosters in Toledo gelesen. Daraus wurde sein letztes Orchesterwerk, der Titel könnte geradezu als Motto für Nonos gesamte kompositorische Arbeit stehen. No hay caminos, hay que caminar. Dynamik und Tempo sind extrem zurückgenommen, nur für kurze Augenblicke entstehen dramatische Klangrisse. Nono verwendet nur einen Ton, das g mit vierteltönigen Erhöhungen und Erniedrigungen, also sieben Töne im Vierteltonabstand in allen Oktavlagen. Die Unterschiede zwischen Tonhöhen und Klangfarben verschwinden, es ist ein magisches Spiel, das die Beziehungen zwischen den Parametern radikal überdenkt.

 

Sein Leben, sein Musik-Machen ist anstrengend, und letztlich zerbricht Nono vielleicht an seinem eigenen Anspruch. ‘Ich habe eine Selbstzerstörung an mir vorgenommen,’ wird er am Ende sagen, und als er mit Mitte 60 stirbt, hat er einsehen müssen, dass auch Musik keine Revolutionen auslösen kann.

Was von ihm bleibt? Seine kompromisslose Haltung. Sein Motto. Ascolta! Hör doch zu!
Florian Hauser

Luigi Nono (1924 – 1990) conducting his piece ‘Canti di vita e d’amore: sul ponte di Hiroshima’ in rehearsal at the Royal College of Music, London, 7th September 1963. © Erich Auerbach/Hulton Archive/Getty Images.

 

Sendungen SRF Kultur:
Luigi Nono zum 100: Helmut Lachenmann und seine Erinnerungen an Luigi Nono, Musik unserer Zeit, 31.01.2024, Redaktion Florian Hauser.
Er vertonte die Abschiedsbriefe von Widerstandskämpfern, online-Text srf.ch, 29.01.2024: Autor Florian Hauser.
Zum 100. Geburtstag: Luigi Nono: Fragmente – Stille. An Diotima, Diskothek, 29.01.2024, Redaktion Annelis Berger

neo-profil:
Luigi Nono

Klangkunst und Musik von Martina Lussi

Die Luzernerin Martina Lussi hat Kunst studiert. Über das Hören kam sie dazu, selbst Klangkunst und Musik zu produzieren. Mit Mikrofonen und Audiorekorder bewegt sie sich durch Natur und Alltag und geht mit ihren Eindrücken zurück ins Studio. Dort verdichtet sie ihre Hörerlebnisse in Installationen, Performances und Studioalben, aber auch in Fieldrecordings und Soundwalks.

Friedemann Dupelius
Am Anfang unseres Zoom-Gesprächs gesteht Martina Lussi ein, dass sie sich etwas unsortiert fühlt. Sie arbeitet gerade viel in einer Kunst-Bibliothek, so fehle momentan die Zeit, die für sie so wichtig ist: Zum Hören, sich auf Klänge einzulassen. „Hören ist etwas sehr Langsames. Man kann nicht einfach in etwas hineinhören – man muss von vorne beginnen und sich darin absorbieren, sonst verliert man den Zusammenhang. Wer hat denn heute noch wirklich Zeit zu hören?“

Martina Lussi © Calypso Mahieu

Um sich auf unsere Unterhaltung einzustimmen, hat sie an diesem Morgen ihre Routine-Route am Vierwaldstätter See zu einem Soundwalk gemacht – zu einem Spaziergang also, bei dem man aktiv auf die Umgebung hört. Sie liest mir ihr Hör-Protokoll wie eine Einkaufsliste vor: „Rollkoffer, Gespräche, vorbeirennende Joggerin, meine Jacke, Atmen eines Hundes, Schiffsmasten, ein Mensch ahmt eine Ente nach…“ Wir merken beide, dass wir uns zwar die einzelnen Geräusche vorstellen können, dass solch einer Beschreibung aber eines abgeht: Die Räumlichkeit und Gleichzeitigkeit der Szenerie. „Meine Musik lebt davon, dass sich viele unterschiedliche Geräusche miteinander verbinden und ineinander fließen. Sie ist wie ein Stream, in dem Klänge plötzlich ganz nahe sind, um sich dann wieder in etwas aufzulösen.“

Frösche oder Holz?
Ende 2019 war Martina Lussi auf einer Residency im brasilianischen Regenwald und konnte dort in eine unbekannte Klangwelt eintauchen. „Manche Sounds waren beunruhigend, weil ich sie nicht kannte, vor allem nachts. Und es gab einen Frosch, der wie Holz klingt – das musste mir erst jemand erklären.“ Ihre Komposition Serrinha Do Alambari Soundwalk basiert auf einem Hörspaziergang in dem gleichnamigen Ort.

Hören als gemeinsame Erfahrung: Martina Lussi und ihre Soundwalk-Gruppe im Regenwald von Brasilien, © Karina Duarte

Schritte einer Gruppe von Menschen knirschen auf unebenem Untergrund und geben den Rhythmus vor, über dem die Stimmen verschiedener Vögel zirpen. Allmählich steigt eine Synthesizer-Klangfläche wie Nebelschwaden aus der Geräuschkulisse des Regenwaldes und geht über in sanften tropischen Regen, bis irgendwann die Frösche klappern. Es geht Martina Lussi nicht darum, die Umwelt wiederzugeben, wie sie scheinbar real klingt – sie fügt künstliche Klänge hinzu und erzeugt so neue Klangräume, wie traumhafte Erinnerungen. Auch den Wind, der manchmal in den Audiorekorder pustet, hat sie nicht herausgeschnitten. Manche Fieldrecording-Purist:innen würden das für eine schlechte Aufnahme halten. Martina Lussi nicht.


Die Komposition Serrinha Do Alambari Soundwalk erschien 2020 auf Vinyl beim Label Ōtium, zusammen mit einem Stück von Loïse Bulot.

Jacke oder Vögel?
Im Gegenteil: Immer wieder lässt sie in ihren Arbeiten ungewollte Nebengeräusche mit in die Kompositionen einfließen. In ihrem Stück The Listener werden diese sogar zum einzigen Klangmaterial. Es besteht ausschließlich aus den Geräuschen von Jacken. Die gerieten in Martina Lussis Fokus, als sie im Rahmen eines Forschungsprojekts zu Vogelklängen Aufnahmen in der Natur machte: „Man stellt sich das so idyllisch vor, aber frühmorgens ist es oft so kalt, dass ich friere und mich ständig bewegen muss. Und in einer dicken Jacke eingepackt, klingt diese eben mit.“ Ihr fiel auf, dass diese Klänge oft selbst wie die Stimmen oder auch die Flügelschläge von Vögeln anmuteten. Sie nahm vier Jacken, improvisierte mit jeder für zehn Minuten und erstellte daraus eine Vierkanal-Installation und eine Komposition.


Das Stück The Listener ist Teil der Compilation Synthetic Bird Music und 2023 auf dem Label mappa als Kassette erschienen

Die 4-Kanal-Klanginstallation „The Listener“ wurde 2022 im Kunstraum sic! Elephanthouse in Luzern gezeigt, © Andri Stadler

Martina Lussi schärft ihre Ohren nicht bewusst mit Hörübungen, bevor sie sich ins Feld begibt: „Das passiert ganz beiläufig. Wenn ich in den Wald gehe, rieche ich die Öle der Bäume, ich sehe nicht weit, da komme ich automatisch in einen aufmerksamen Zustand, auf den ich mich gar nicht vorbereiten muss.“ So eindringlich, wie sie Jahre später noch vom brasilianischen Regenwald erzählt, wird klar: Hören geht über den Moment hinaus. Es erzeugt Erinnerungen, die lange nachwirken und von denen man auch in unruhigeren Zeiten zehren kann.
Friedemann Dupelius

Portrait Martina Lussi © Johanna Saxen

Martina LussiMartina Lussi auf BandcampSerrinha Do Alambari (Vinyl)Forschungsprojekt „Birdscapes“Kunstraum sic! Elephanthouse in LuzernCompilation: „Synthetic Bird Music“

Kommende Veranstaltungen:
18.05.2024 – Konzert in Tbilisi (Georgien), Left Bank
24.05.2024 – Moa Espa, Genf (Soundwalk)
18.06., 19:30 Uhr – Dampfzentrale Bern (UA Proximity mit dem Ensemble Proton, + Offene Probe am 17.06.)
23.06., 17 Uhr – Postremise Chur

neo-Profil: Martina Lussi

Komponieren mit mobiler Technologie: Lara Stanic – Medienkünstlerin

 

Elektronische Komposition, Performance, Klangkunst: die Zürcher Komponistin, Performerin, Medienkünstlerin und Flötistin Lara Stanic ist schwer zu labeln. In ihren Konzertperformances verbindet sie Medien, Instrumente, Objekte und Musikerkörper und bezieht sich dabei auf die jeweils konkreten Orte und Kontexte. Im Gespräch gibt sie Einblick in die Entstehung ihrer neusten Werke für das Zürcher Barockorchester.

 

Lara Stanic in ‘waves’, Festival Rümlingen 2020 © Kathrin Schulthess

 

Gabrielle Weber
Lara Stanic treffe ich an einem verschneiten Samstag anfangs Januar zum morgendlichen Kaffee an ihrem Küchentisch. Wir sprechen über ihre jüngste Komposition Du matin au soir: Sie entstand im Sommer 2023 für das Zürcher Barockorchester und besteht aus acht Sound-Interventionen, die zwischen einzelnen Symphoniesätzen von Haydn aufgeführt wurden. Die Konzerte fanden zu verschiedenen Tageszeiten an verschiedenen Orten in Zürich statt: im botanischen Garten, in einem Freibad und in der Kirche St. Peter.

Lara Stanic verwendet für ihre Stücke in der Regel elektronische Medien und integriert oft auch kontextbezogene Objekte. Die Auswahl der konkreten Medien sei ein Prozess, meint Stanic. «Ich lasse mich inspirieren vom Kontext, den Interpreten, den Instrumenten und deren möglicher Spielweisen. Dann höre ich Klänge in meinem Kopf und sehe Spielweisen.»
In Sonnenstand, der Sound-Intervention zur Haydn-Sinfonie Der Mittag, ‘spielen’ die Musikerinnen und Musiker mit runden Handspiegeln, die mittels Smartphones Klang erzeugen. Die Idee stammt aus einer Kindheitserinnerung. «Als Kind fing ich mit Handspiegeln das Sonnenlicht der Mittagssonne ein und erzeugte damit an einer nahen Wand Schatten und Lichtspiegelungen», sagt Stanic.

 

Sonnenstand von Lara Stanic aus Du matin au soir, komponiert für das Zürcher Barockorchester, Uraufführung Zürich 2023. Botanischer Garten und Kirche St. Peter Zürich, Videos © Andreas Pfister und Philip Bartels.

 

Auch in Sonnenstand fangen die Musiker:innen mit Handspiegeln Sonnenlicht ein, wobei diesmal daraus Musik entsteht. Auf der Rückseite der Spiegel sind Handys angebracht. Darin eingebaute Bewegungssensoren, Mikrofone und Lautsprecher erfassen die Bewegungen der Spiegel und setzen sie in Klänge um. So sei, erklärt Stanic, eine hybride Form aus zwei Medien, dem Handspiegel und dem Smartphone, entstanden.

Sonnenstand spiegelt damit auch ein Grundthema, das Stanics künstlerische Arbeit prägt: In der elektronischen Musik stört sie sich oft an der Schwerfälligkeit von grossen, fürs Publikum fast bedrohlichen Lautsprechern und Mischpulten. Mit dem Einsatz von mobilen Geräten sucht sie nach Leichtigkeit und Beweglichkeit. Stanic tritt auch oft als Performerin ihrer eigenen Werke auf. Was sie entwickelt, erprobt sie zunächst an sich selbst. «Ich war und bin mein bestes Versuchskaninchen», meint sie.

Stanic studierte zunächst Querflöte, dann Musik und Medienkunst in Zürich und Bern. Die Querflöte spielt und unterrichtet sie weiterhin und sieht sie als ihr musikalisches Zuhause. «Die Ausbildung zur Interpretin und Pädagogin lieferte mir einen Boden und ein Wissen über kompositorische Denkweisen. Das Kreieren von Klängen interessiert mich gleichermassen auf akustischen Instrumenten wie in der Elektronik.» Den ersten Zugang zu Musik hat sie in ihrer Kindheit im damaligen Jugoslawien über Radio und Fernsehen erfahren. Schon da sei sie fasziniert gewesen, wieviel an Emotionen Schallwellen auslösten. Die Verbindung von Musik und Elektronik sei deshalb naheliegend gewesen, ergänzt sie lachend: «Natürlich wusste ich damals nicht, dass es sich um Schallwellen handelte.»

 

Lara Stanic Performance ‘Spielfeld Feedback’ 2003 © EDITION DUMPF – Florian Japp

 

Humor und spielerische Leichtigkeit prägen auch ihre Arbeiten mit Alltagsgegenständen. In Kafi, einer weiteren Sound-Intervention, diesmal zur Haydn-Sinfonie Der Morgen, wird zum Beispiel eine überdimensionale Bialletti-Espressomaschine zum Instrument: die zwei Konzertmeisterinnen brühen auf der Bühne Kaffee und ‘spielen’ mit den Klängen des Blubberns. «Wenn ich am Morgen aufstehe, koche ich mir den Kaffee und in einer Bialetti-Maschine. Das klingt sehr schön und ich verbinde den Kaffeeduft immer mit diesem Klang. Ich erinnere mich an die Klänge und Düfte seit meiner Kindheit. Und dann muss ja auch ein Orchester in den Probenpausen immer Kaffee trinken. Das ist also ganz praktisch gedacht…»
Kafi, eine weitere Sound-Intervention von Lara Stanic aus Du matin au soir, komponiert zur Hayn-Sinfonie Der Morgen, Zürcher Barockorchester, UA Zürich 2023, Kirche St. Peter, Video © Andreas Pfister, Renate Steinmann.

 

In Kafi geht es um Verwandlung: Klang und Duft des Kaffes werden in Musik verwandelt. Hinzu kommt die elektronische Erweiterung der klassischen Instrumente: die Geigenbögen der Konzertmeisterinnen sind mit Bewegungssensoren versehen. Mit ihnen berühren sie die Kaffeemaschine wie mit Zauberstäben, die sie anschliessend durch die Luft schwingen. Dadurch verstärkt sich der Klang des Brodelns, verteilt sich im Raum und mischt sich mit dem Beginn der Sinfonie. «Die Geigenbögen werden zu Zauberstäben, die den Duft des Kaffees wiederum in Musik verwandeln» so Stanic.

Der Prozess dahinter sei aber ganz einfach. Zuerst gebe es die Idee, dann einen Klang, hier das Brodeln des Kaffees, und dann suche sie nach einer Lösung, wie dieser mit dem Klang der Instrumente in Verbindung gebracht werden könne. Die performativen Aktionen der Konzertmeisterinnen bilden für das Publikum eine Brücke zwischen dem klingenden Alltagsgegenstand und den Instrumenten. Aus diesem einfachen Grundprinzip verzaubert Stanic Alltagsobjekte in Musik und hinterlässt auch bei mir bleibende Spuren beim morgendlichen Kaffee.
Gabrielle Weber

 


Lara Stanic, Du matin au soir, Videocollage der acht Sound-Interventionen für das Zürcher Barockorchester zu Haydn-Symphonien, UA Zürich 2023, Video © Andreas Pfister, Renate Steinmann, Philipp Bartels.

 

Lara Stanic ist Mitbegründerin und Mitglied des Trios „Funkloch“ mit Petra Ronner und Sebastian Hofmann, das jährlich sechs Komponist:innen zum experimentellen Studiokonzert mit Direktübertragung on air einlädt, oder des GingerEnsemble, einem in Bern basierten Composer-Performer-Kollektiv. Sie komponiert für Soli, Ensemble oder Orchester, sowie für eigene Performances, und ist damit regelmässig an den internationalen Festivals präsent, und sie ist seit 2011 Dozentin für Performing New Technologies an der Hochschule der Künste Bern.

FunkLoch feierte am Samstag, 20.1.24, 17h im Kunstraum Walcheturm sein sechsjähriges Jubiläum mit Stücken von Annette Schmucki, Daniel Weissberg, Svetlana Maraš, Dorothea Rust und Joke Lanz.

 

Sendungen SRF Kultur:
MusikMagazin, 10.2.2024: Cafégespräch mit Lara Stanic von Gabrielle Weber, Redaktion Benjamin Herzog.
Zämestah, 21.12.2020: TV-Portrait Lara Stanic
Musik unserer Zeit, 21.09.2013: Spiel mit urzeitlicher Elektronik: Das Ginger Ensemble, Redaktion Lislot Frey

neo-profiles:
Lara StanicFunkloch OnAir, Kunstraum Walcheturm, Sebastian Hofmann, petra ronner, Annette SchmuckiDaniel WeissbergSvetlana Maraš, Joke Lanz, Neue Musik Rümlingen.