Wien Modern spielt ohne Publikum

17 Neuproduktionen als Stream im Lockdown: 6.-29.11.20

Gabrielle Weber
Die Stadt Wien traf es hart. Zuerst frühzeitig zur Quarantäneregion erklärt, dann der kurzfristig ausgerufene Lockdown für den Monat November. Kurz darauf die unfassbare Terrorattacke. Das einzigartige Musikfestival Wien Modern ist zeitlich und geographisch mittendrin. Es bespielt die Wiener Innenstadt normalerweise jeweils während des ganzen Monats an diversen Orten.

Saal Konzerthaus ohne Publikum ©Markus Sepperer 

Unter dem Motto “Stimmung” spürt das Festival vielschichtig und vieldeutig der aktuellen Stimmungslage im Jahr 2020 nach. 44 neue Produktionen und 85 neue Stücke hätten zur Aufführung kommen sollen, verteilt auf 32 Tage. Nur das Eröffnungswochenende fand mit Publikum statt. Gezeigt wurden sechs Produktionen und damit gerade mal 14% des Gesamtprogramms.

Am dritten und zugleich zweitletzten Abend konnte noch die Uraufführung von Edu Haubensaks Grosser Stimmung gespielt werden. Wien Modern scheut keinen Aufwand – fast vorausahnend wurde der Zuschauerraum des Wiener Konzerthauses für die elf verschieden gestimmte Konzertflügel leergeräumt. Das Publikum war freilich noch präsent – auf den Rängen.

So konnte Haubensaks Grosse Stimmung erstmals als Ganzes live erlebt werden. Denn nach Teilaufführungen wurde die geplante integrale Uraufführung im Sommer an der Ruhrtriennale bereits Pandemiebedingt abgesagt. Angereist waren trotz Quarantäne die drei Schweizer Pianistinnen Simone Keller, Tomas Bächli und Stefan Wirth.

Edu Haubensak, Grosse Stimmung © Markus Sepperer

Dann kam der Lockdown mit Veranstaltungsverbot und Ausgangsbeschränkung. Rasch fiel der Entscheid: Insgesamt 24 Veranstaltungen und damit über die Hälfte der Konzerte werden nun ohne Publikum aufgeführt und per Stream kostenlos öffentlich zugänglich gemacht.

Bereits fünf Tage nach dem Lockdown fand das erste Konzert vor leerem Saal für den Stream statt: die Uraufführung von Sofia Gubaidulinas lange erwartetem neuem Orchesterwerk Der Zorn Gottes im Musikverein am Freitag, 6. November. Unter dem Dirigat von Oksana Lyniv spielt das Radiosinfonieorchester Wien (RSO). Die geplante Uraufführung bei den Salzburger Osterfestspielen mit der Staatskapelle Dresden und Christian Thielemann erlebte nach mehrmaligem Verschieben bereits eine coronabedingte Absage.

Dass es nun online doch zur Uraufführung kam, ist gerade jetzt, in der vom Terror versehrten Stadt Wien, wichtig. Die Aufführung versteht Gubaidulina als Zeichen des Friedens in einer Zeit des zunehmenden Hasses und «einer allgemeinen Überanspannung der Zivilisation“.

Klaus Lang: tönendes Licht

Klaus Lang, tönendes Licht, Livestream aus dem Stephansdom, 19.11.20

Wichtige weitere Highlights sind am 18. November im Wiener Konzerthaus ein Konzert mit drei Uraufführungen. Nebst neuen Werken von Friedrich Cerha und Johannes Kalitze wird auch ein Stück von Matthias Kranebitter, dem Preisträger des Erste Bank Kompositionspreises uraufgeführt – eine neue Enzyklopädie der Tonhöhe und Abweichung. Aufgeführt durch das Klangforum Wien und dirigiert von Kalitzke selbst. Oder live aus dem Wiener Stephansdom am 19. November die Uraufführung tönendes licht von Klaus Lang, ein “Riesenorgelkonzert” (Zit. Wien Modern) für die weit auseinandersitzenden Wiener Symphoniker unter Leitung von Peter Rundel.

20 Jahre Ensemble Mondrian – Jubiläumskonzert in Wien: Die Produktion musste am 16.11.2020 aufgrund einer Schweizer Quarantänevorschrift leider auf 2021 verschoben werden.

 

Portrait Mondrian Ensemble & Thomas Wally © Markus Sepperer

Auch aus der Schweiz gibt es etwas zu hören: Am 21. November präsentiert das Mondrian Ensemble zu seinem 20Jahr-Jubiläum in Wien Werke von Martin Jaggi und Thomas Wally, beides langjährige Weggefährten des Basler Ensembles.


Ensemble Mondrian, Thomas Wally, Podcast

Uraufführungen von Andres Bosshard mit Zahra Mani und Mia Zabelka mussten hingegen auf November 2021 verschoben werden. Ebenso das Konzert des Basler Ensembles Nikel mit Werken von Thomas Kessler und Hugues Dufourt.

Bernhard Günther, der künstlerische Leiter von Wien Modern, äusserte sich in einem längeren Statement zum Lockdown und zur kulturellen Stimmung in Österreich folgendermassen: ” Die Stimmungslage in diesem Bereich ist derzeit so, dass es dringend ganz deutliche Signale braucht, damit Kultur nicht als Opfer des Gesundheitswesens, des Wintertourismus in den Bergen und des Weihnachtsgeschäfts empfunden wird. Es ist klar, dass ein Kapitän versuchen muss, einem Eisberg auszuweichen, aber er muss jetzt alles dafür tun, damit das Schiff nicht an der anderen Seite auf Grund läuft.”  (Zit. Günther)

Durch die Streams versucht nun Wien Modern, einen Teil des Wiener kulturellen Lebens aufrecht zu erhalten und zugänglich zu machen. Vielleicht kann damit immerhin -gemäss dem Festivalmotto- die aktuelle Stimmungslage etwas verbessert werden, auch wenn die existenzbedrohende Lage für das Kulturschaffen dadurch nicht geschmälert wird.

Als Zeichen der Solidarität seitens SRF 2 Kultur und neo.mx3 freuen wir uns, an dieser Stelle auf die Streams hinzuweisen.
Gabrielle Weber

Portrait Bernhard Günther © Wien Modern

 

Der Zorn Gottes ist ab 6. November 7 Tage lang per Stream nachzuhören auf: www.wienmodern.at

Alle Streams sind zu finden auf: Wien Modern
sowie teilweise auf den Homepages von Musikverein und ORF RSO 

Sendungen SRF 2 Kultur

Kultur kompakt Podcast9.11.20: Theresa Beyer, “Der Zorn Gottes” entlädt sich im Stream zur UA Wien Modern, Sofia Gubaidulina:

Neoblog, Corinne Holtz: Wenn aus Leidenschaft Subversion wird – Portrait Simone Keller

Kontext, 21.10.20, Corinne Holtz: Zehn neu gestimmte Klaviere

In Musik unserer Zeit21.10.20: Florian Hauser / Gabrielle Weber:  zu neo.mx3: Simone Keller & Edu Haubensak

Neo-profiles
Simone Keller, Stefan Wirth, Wien Modern, Edu Haubensak, Mondrian Ensemble, Martin Jaggi, Thomas Kessler

“Das Universum der Klänge ist unendlich”

Hier sollte zunächst ein rundum strahlendes Geburtstagsportrait zu 10 Jahren ensemble proton bern stehen. Dazu gehörten zahlreiche Veranstaltungshinweise zur Jubiläumssaison.

Mit Martin Bliggenstorfer, dem Managing director, führte Christian Fluri deshalb kurz nach dem Lockdown der ersten Pandemiewelle ein Gespräch. Zu diesem Zeitpunkt äusserte er sich voller Zuversicht und Tatendrang.

Jetzt, kurz vor der ursprünglich geplanten grossen Geburtstagsfeier am 16. November, stecken wir mitten in der zweiten Welle. Und sie trifft uns mit unerwarteter Heftigkeit.

Wie sich die neue Situation aufs ensemble proton bern und seine Jubiläumssaison auswirkt, besprach ich daher mit Bliggenstorfer nochmals. In einem zweiten Gespräch, direkt nach der Bekanntgabe der neuen Vorgaben des Bundesrates vom 18. Oktober. Seither ändern sich die Maßnahmen laufend weiter und die meisten Aufführungen sind faktisch unmöglich geworden.

Das ensemble proton bern steht damit im Beitrag auch stellvertretend für viele Ensembles, Musikschaffende und Veranstalter, die plötzlich mit Absagen, Verschiebungen und einer unplanbaren Zukunft konfrontiert sind.

ensemble proton bern: Gruppenportrait © Oliver Oettli


Christian Fluri
Das ensemble proton bern forscht mit grosser Passion seit zehn Jahren nach neuen Klängen, neuen Stücken und neuen Komponisten wie Komponistinnen. Es gehört international zu den gefragtesten Ensembles und wird oft an Festivals und zu Konzerten in- und ausserhalb Europas eingeladen.

Seit seiner Gründung 2010 hat das in der Dampfzentrale Bern domizilierte Ensemble in 128 Konzerten 273 Werke von 180 Komponist*innen gespielt, 175 davon waren Uraufführungen. Es trat vor grossem Publikum in der Mariinsky Concert Hall in St. Petersburg auf und tourte nebst weiteren Highlights an der Westküste der USA.

Während der ersten Coronawelle hat das Ensemble noch einigermaßen Glück gehabt, wie Managing Director, Oboist und Lupophonspieler Martin Bliggenstorfer im Gespräch sagt: “Gerade vor dem Lockdown konnten wir in der Dampfzentrale noch das Konzert protonwerk no. 9 spielen. Die Wiederholung im Gare du Nord Basel mussten wir aber bereits absagen.”

protonwerk, das ist ein Förderprogramm für junge Komponist*innen, denen das Ensemble Kompositionen in Auftrag gibt.


Adrian Nagel, Netzwerk, UA: protonwerk no.7 / ensemble proton bern 2017

“Unser auf Mai geplantes Programm terrible ten, ein Konzert mit Uraufführungen von Thomas Kessler (My lady soul) sowie Michael Pelzel und Stefan Wirth, konnten wir kurzfristig verschieben und bereits im September spielen. So ging zumindest nichts von unseren geplanten Programmen ganz verloren“ freut sich Bliggenstorfer.

Gemeinsames Musizieren vermisst

Den Wiedereinstieg ins Konzertleben nach dem Lockdown konnte das Ensemble kaum erwarten. terrible ten war dann auch etwas ganz Besonderes: erstmals wieder gemeinsam zu musizieren und das Musikmachen mit dem Publikum live zu teilen, sei für alle Beteiligten ein Erlebnis gewesen, meint Bliggentorfer.


Thomas Kessler, My lady soul, UA ensemble proton bern 2019

Auch wenn die Musiker*innen des Ensembles die Zeit des Lockdowns produktiv nutzen konnten. “Was uns gefehlt hat, war das gemeinsame Musizieren, der direkte Kontakt miteinander, die Proben mit den Konzerten vor Augen. Zugleich hatte es aber auch etwas Gutes, für ein paar Wochen Kopf und Körper etwas ausruhen zu lassen.”

Existenzangst musste das Ensemble bis zu diesem Zeitpunkt glücklicherweise keine haben. “Wir mussten für ausgefallene Konzerte keine Subventionen und Unterstützungsbeiträge zurückgeben. So konnten wir unsere Honorare und die unserer Gäste auszahlen.” Bliggenstorfer ist sehr dankbar für die grosszügige Haltung der Geldgeber in der Schweiz.

“Das Universum der Klänge ist unendlich..”

Das ensemble proton bern  ist also  nach wie vor bestens aufgestellt und will sich stetig weiter entwickeln. Dies jedoch ohne seinen langjährigen Dirigenten Matthias Kuhn, der seit der Gründung dabei war. “Er will sich künstlerisch neu ausrichten.” Das versteht Bliggenstorfer, so wichtig Kuhn für den Aufbau des jungen Ensembles gewesen ist. Künftig arbeitet das Ensemble mit achtköpfiger Stammbesetzung und ohne festen Dirigenten. Kammermusikalische Projekte sollen so vorangetrieben werden, wie auch Konzerte und Auftritte mit grösseren Besetzungen und Gastdirigenten.

Ungebrochen ist die Leidenschaft für die Neue Musik in ihren unterschiedlichen Stilen und Ausrichtungen. Denn Scheuklappen hat das ensemble proton bern keine. Es zeigt mit seiner Spielfreude, wie lustvoll, lebendig und vital zeitgenössiche Musik ist. “Das Universum der Klänge und deren Kombinationsmöglichkeiten ist unendlich”, weiss Bliggenstorfer: “Es gibt ein Leben lang Neues zu entdecken”.


Verschiedene Komponisten click & faun, ensemble proton bern 2019

Auch seien die Klangmöglichkeiten der neuen Instrumente noch lange nicht ausgeschöpft: so die von Richard Haynes wiederentdeckte Klarinette d’amore, die von Martin Bliggenstorfer und Elise Jacoberger gespielten Doppelrohrblattinstrumente Lupophon und Kontraforte, auch Maximilian Hafts Strohgeige – oder die Vielfalt im Bereich der elektronischen Klangerzeugung. Das ensemble proton bern wird weiter forschen.
Christian Fluri

2. Gespräch am 21. Oktober 2020:
Gabrielle Weber
Trotz der wachsenden Unsicherheit und drohender Einschränkungen war Bliggenstorfer am 21. Oktober noch zuversichtlich, Konzerte so lange als möglich durchzuführen: “Kulturelle Veranstaltungen sollten nicht abgesagt werden, solange sie nicht verboten sind. Natürlich muss das Schutzkonzept perfekt umgesetzt sein. Das funktionierte bislang auch gut.”

Fest standen noch Auftritte als main act im Jubiläumsprogramm „5 Jahre Kultur-Kino Rex“ zusammen mit zwei Visual Artists. Da sollte der Komponist Ennio Morricone von einer unbekannten Seite beleuchtet werden. „Morricone kennt man ja landläufig als Filmmusikkomponisten – er war aber auch in der ‘Kunstmusik’ aktiv, u.a. als Trompeter der Gruppo di improvisazzione Nuova Consonanza, in den 60er/70er Jahren”.

Mit den neuen Berner Auflagen vom 23. Oktober – Kinos und Museen waren per sofort zu schliessen – mussten die Konzerte aber wenig später abgesagt werden.

“fette fête” – das Konzert zum 10 Jährigen Bestehen des Ensembles

Die “fette fête” war für den 16. November in Bern geplant: eine grosse Geburtstagsfeier mit Uraufführungen und Werken von Louis Andriessen, Christian Henking und Annette Schmucki. Ausserdem vergab das Ensemble einen Kompositionsauftrag an den jungen Schweizer Komponisten Tobias Krebs. “Wir freuen uns ausserordentlich darüber – er ist ein hervorragender junger Komponist, den wir von protonwerk kennen”.


Tobias Krebs, ambra, UA Duo Vers 2018

An einer Durchführung hielt Bliggenstorfer beim Gespräch noch fest, denn “solange es möglich ist, Kunst live erlebbar zu machen, wollen wir die Möglichkeit zu Konzertieren nicht aufgeben. Wir wollen verantwortungsvoll mit der Situation umgehen, indem wir das Schutzkonzept einhalten”.

Auf das Konzert muss nun leider – seit den neuesten Auflagen – doch ganz verzichtet werden (Stand 30.10.20). Es soll im Februar 2021 nachgeholt werden (tbc.)..

Eine weitere Planungsunsicherheit kommt für zukünftige Projekte mit Gästen aus dem Ausland hinzu: “Wenn sie nicht einreisen können, müssen wir nach Ersatz suchen.” Und geplante Auslandengagements fallen vorläufig aus. Für die Jubiläumssaison hatte das Ensemble Einladungen bspw. nach New York und Salzburg.

Was das alles finanziell bedeutet,  ist noch nicht abzuschätzen: “Momentan stehen wir finanziell immer noch gut da. Aber ungewiss sind die mittel- bis langfristigen Auswirkung der Krise auf die Förderlandschaft.”

Das ensemble proton bern zeigt sich weiterhin voller Tatendrang. Forscher- und Innovationsgeist sind ungebrochen, Spiel- und Entdeckungslust ebenso. Wie aber die langfristigen Folgen für Konzerte, und insbesondere die weitere internationale Positionierung, ist gerade nicht abzusehen.
Gabrielle Weber

 

ensemble proton bern Gruppenportrait © Oliver Oettli

 

Konzerte Jubiläumssaison 20/21 &aktuelle updates

30.Oktober: The dark side of Ennio Morricone, Kino Rex Bern: ABGESAGT

16. November: “fette fête” – 10Jahre proton, Dampfzentrale Bern: ABGESAGT: VERSCHIEBEDATUM 2. Februar 2021 (tbc)**
17. November, 20h, Konzert Gare du Nord Basel: protonwerk nr.9 (Wiederaufnahme)

Sendungen SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 28.10.20: Redaktion Florian Hauser, Gespräch zu My lady soul, mit Thomas Kessler, Martin Bliggenstorfer, Bettina Berger, Vera Schnider
Neue Musik im Konzert
, 28.10.20: My lady soul mit terrible ten, Konzertaufzeichnung vom 15.9.20, Dampfzentrale Bern, Redaktion Florian Hauser.
Musikmagazin, 25.7.20: u.a. Richard Haynes, Redaktion Florian Hauser

**DATUM OFFEN: Neue Musik im Konzert: “fette fête”, Konzertaufzeichnung, Dampfzentrale Bern, Redaktion Florian Hauser.

ensemble proton bern, Martin Bliggenstorfer, Matthias Kuhn, Richard HaynesHanspeter Kyburz, Louis Andriessen

neo-profiles: ensemble proton bern, Thomas Kessler, Michael Pelzel, Stefan Wirth, Christian Henking, Annette SchmuckiTobias KrebsTobias Krebs

Wenn aus Leidenschaft Subversion wird

Portrait Simone Keller – Pianistin, Kuratorin, Performerin und Musikvermittlerin

Corinne Holtz
Das Jahr 2020 beginnt dicht getaktet mit Konzerten. Für Laptop4, ein instrumentales Theaterstück von Lara Stanić, schaltet das Kukuruz Quartett auch Kamera und Mikrofon ein. Für die Produktion des Ensemble Tzara und Uraufführungen von Patrick Frank und Trond Reinholdtsen sitzt Simone Keller am Klavier. Am Tag vor der Ankündigung des Lockdown, am 12. März, präsentiert sie zusammen mit dem Ensemble thélème ein launiges Programm mit Vokalmusik von Guillaume de Machaut bis Francis Poulenc.

Portrait Simone Keller © Lothar Opilik

Dann gehen die Lichter aus. Auch die Uraufführung Grosse Stimmung  von Edu Habensak für verschieden gestimmte Klaviere ist betroffen. Die Ruhrtriennale wird abgesagt, das Festival Wien Modern jedoch soll Ende Oktober stattfinden. Die Parkettsessel im grossen Saal des Wiener Konzerthaus müssen weichen. Es wird Platz geschaffen für insgesamt zehn unterschiedlich gestimmte Konzertflügel.

Simone Keller, Tomas Bächli und Stefan Wirth haben fest vor, am 31. Oktober den über drei Stunden dauernden Zyklus zu spielen. Das Finale ist ein neu beauftragtes Tutti, bei dem Studierende der Universität für Musik und darstellende Kunst mitwirken.
«Ja, wir reisen nach Wien, ausser es gäbe wirklich ein Einreise-Verbot. Auch die Quarantäne würden wir in Kauf nehmen. Ich habe Anfang September bei den Wiener Festwochen gespielt. Die Veranstalter haben unendlich sorgfältig Regeln und Massnahmen eingehalten, damit die Vorstellungen stattfinden konnten.»


Rat einer Frau: “weniger Emotionen zeigen und die Frisur vorgängig mit einem Mann absprechen..”

Simone Keller spricht auch offen über die finanziellen Folgen der Pandemie. 80% der Verdienstausfälle konnte sie in den letzten Monaten durch die staatlichen Unterstützungsmassnahmen decken. Das neue Covid-Gesetz, seit September in Kraft, sichert den Erwerbsersatz bis Juni 2021. Berechtigt ist aber nur, wer gegenüber den Einnahmen von 2015-2019 eine Umsatzeinbusse von mindestens 55% belegen kann. “Das ist natürlich ein Hohn, wenn man wie ich im Jahr nur 40’000 Franken verdient, also auch mit 100% nur knapp durchkommt.”

 

Simone Keller in Lara Stanic, Fantasia für Klavier-Solo und Elektronik, 2020

Die Krise ist existenziell. Trifft sie Frauen härter als Männer? «Als freischaffende Künstlerin bin ich sowieso zuunterst in der Nahrungskette. Dort wird wahrscheinlich nicht mehr nach Geschlecht abgestuft.» Anders sieht es aus, wenn Frauen auf die Bühne kommen und Signale senden, die das Publikum bewertet. «Für mich war die Rückmeldung einer Frau in einer hohen Leitungsfunktion ein Schlüsselerlebnis. Sie riet mir, weniger Emotionen beim Musizieren zu zeigen und meine Frisur immer vorgängig mit einem Mann abzusprechen. Sie selber würde immer ihren Ehemann fragen, wie er ihr Äusseres bewerte, bevor sie zu einem wichtigen Termin gehe.» Seither schaut sich Simone Keller «auch den Sexismus unter Frauen genauer» an.

Simone Keller spielt Julia Amanda Perry © Wiener Festwochen 2020 reframed

“möglich machen, was unmöglich ist”

Die Musikerin erforscht sich selbst, wenn sie wenig bekanntes Repertoire erschliesst und erfrischende Formen der Programmierung wagt. Zum Beispiel im Rahmen der Carte blanche, die ihr der Jazzclub Moods in Zürich gewährt hat. «Möglich machen, was unmöglich ist», sagt die Pianistin und Kuratorin am ausverkauften Eröffnungsabend des Festivals ‘Breaking Boundaries’. Ihr Treiber scheint Leidenschaft und Subversion in einem zu sein, getragen vom Feuer, endlich wieder vor Publikum spielen zu dürfen.

Drei Spielorte hat sich Simone Keller für die drei Programmpunkte ausgedacht: vier Konzertflügel in jeweils eigener Stimmung für einen Querschnitt aus Edu Haubensaks Klavierzyklus Grosse Stimmung, sechs Klaviere für Musik von Julius Eastman -interpretiert auch von drei Asylsuchenden als MitmusikerInnen-, sowie den Flügel aus dem Moods für die Improvisation von Vera Kappeler und Peter Conradin Zumthor am Schlagzeug. «Der Aufwand war enorm, die Realisierung verdanken wir dem Einsatz des Klavierbauers Urs Bachmann und seinem Team.»


Einladung zum Farbenhören – eine einzige Taste wird zum Mikrocluster

Simone Keller versprüht Funken wenn sie loslegt. Jeder Ton bekommt jene Zufuhr an Energie, die er braucht. Präzise platziert in Raum und Zeit, geformt aus pianistischem Feinsinn. Patterns werden zu nachvollziehbaren Phrasen. Schockmomente sind ebenso überlegen ausgearbeitet wie lyrische Gesten. Die extrem physische Musik Haubensaks wird plastisch. Als “Geräuschkuben” bezeichnet Haubensak die resultierenden Klänge: sie springen die Zuhörerin regelrecht an. Das Schwirren der sich überlagernden Schwingungen etwa in Collection II  setzt nie gehörte Farben frei. Es wetterleuchtet im Ohr. Haubensak hat für die Skordatur von Collection II eine eigene Mischstimmung kreiert. Jede Lage des Klaviers bekommt dadurch einen besonderen Charakter. Werden alle drei Saiten (bzw. Töne) einer Taste unterschiedlich gestimmt, weitet sich der Horizont. Eine einzige Taste wird zum Mikrocluster. Das Klavier entgrenzt sich, wenn alle 241 Saiten anders gestimmt sind. Und der Angriff auf das Herrschaftsinstrument wird zur Einladung zum Farbenhören.


Simone Keller spielt Edu Haubensak Pur, für Klavier in Skordatur (2004/05, rev. 2012)

Simone Keller formuliert über die Kunst hinaus «kühne Wünsche»: Soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, ein Grundeinkommen bei gleichzeitiger Selbstverantwortung des Risikos, Einbindung von Aussenseitern in die kulturelle Praxis. Dort wird es vermehrt zu tun geben, denn die Krise hat eben erst angefangen. Die Pianistin leitet seit 2014 zusammen mit dem Regisseur Philipp Bartels das Künstlerkollektiv ‘ox+öl’. Es führt Kompositions- und Improvisationswerkstätten durch: für und mit Kindern mit Migrations­hintergrund. Es gibt partizipative Konzerte: mit jugendlichen Gewalt­verbrechern im Gefängnis.

Simone Keller wappnet sich für die unwägbare Zukunft. Im Sommer hat sie sich auf ein weiteres Feld eingelassen: eine «Intensiv-Weiterbildung in Gebärdensprache, ausgelöst von einem Musiktheaterprojekt mit Gehörlosen». Vielleicht macht sie eine Ausbildung und wird Gebärdensprache-Dolmetscherin, «ein sehr gesuchter Beruf». Es kann sein, «dass ich meine soziokulturelle Arbeit im Gefängnis und im Asylbereich vertiefen werde und weniger selber konzertiere.»
Corinne Holtz

Portrait Simone Keller

Festival Wien Modern, Edu Haubensak: Grosse Stimmung, 31.10.20

Simone Keller, Wien Modernox&öl – Breaking Boundaries Festival, Philipp Bartels, Edu Haubensak, Tomas Bächli, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Lara Stanic, Patrick Frank, Ensemble thélème, Duo Kappeler Zumthor, Urs Bachmann, Trond ReinholdtsenMoods Club, Kukuruz Quartett

Sendungen SRF 2 Kultur:
Kontext, Mittwoch, 21.10.20, 17:58h: Künste im Gespräch, Redaktion Corinne Holtz

in: Musik unserer Zeit, Mittwoch, 21.10.20., 20h: Redaktion Florian Hauser / Roman Hošek / Gabrielle Weber: Sc’ööf! & neo.mx3

Neo-Profiles:
Simone KellerEdu Haubensak, Lara Stanic, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Patrick Frank, Peter Conradin Zumthor, ox&öl, Kukuruz Quartett, Trio Retro Disco

Texte:
Thomas Meyer: Edu Haubensak – Das wohlverstimmte Klavier, in: Schweizer Musikzeitung, Nr. 11, November 2011
Edu Haubensak: von früher…von später. Im Dickicht der Mikroharmonien, in: MusikTexte 166, August 2020
Pauline Oliveros: Breaking Boundaries

“der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten..”

Michael Wertmüller schreibt Beethovens Fragment der 10. Sinfonie weiter. Zu hören ist das Resultat in der Kölner Philharmonie am 14. Oktober. An den Donaueschinger Musiktagen* kommt gleich danach ein neues Werk zu Uraufführung: Ein regelrechter Sprint fürs SWR Sinfonieorchester, das sich in reduzierter Grösse den Bedingungen erhöhter Hygiene-Ansprüche zu stellen hat.

Der Wahlberliner vermischt meisterhaft Musik-Stile, Genres, Formate und Formationen. Er ist zugleich als Jazzschlagzeuger wie auch als Komponist international unterwegs. Und seine Stücke sind stets schrill, schnell, und hochkomplex. Damit rüttelt er permanent an Neue Musik-Clichés und lässt sich nirgends verorten.

Wertmüller und Beethoven oder Wertmüller und die Pandemieauflagen: geht das?

Ob und wie, verrät Wertmüller im Interview per Zoom nach Frankfurt, wo er sich gerade für Besprechungen zu einer kommenden Musiktheaterproduktion aufhielt.

Full blast, Peter Broetzmann sax, cl Marino Pliakas e-b Michael Wertmueller dr

Gabrielle Weber
Sie sind in Frankfurt, Sie arbeiten wieder mit Leuten zusammen, reisen.. Hat sich Ihr Arbeiten seit der Pandemie verändert?  Mehr online, weniger Reisen..?

Mein Arbeiten als Komponist hat sich nicht verändert – ich war schon vor Corona auch mal wochenlang allein zu Hause und habe niemanden gesehen. Natürlich gibt es weniger Treffen, arbeite ich mehr per Zoom – wie alle. Bis auf das Wegbrechen von Live-Auftritten hat sich wenig verändert.

Ist an Live Konzerten Vieles ausgefallen?

In den letzten fünfzehn Jahren machte ich quasi ein Cross-Fade durch: das Verhältnis kippte von vielen Tourneen und temporärem Komponieren ins Gegenteil. Deshalb war es für mich nicht so einschneidend: Nur eine grosse USA-Tournee mit meinem Trio wurde abgesagt.

Ihr Trio: Full Blast?

Ja genau, meine Jazzband mit Peter Brötzmann und Marino Pliakas. Es war eine grosse USA-Tournee geplant, quer durchs Land, von Ost nach West. Diese Absage schmerzt. Zumal wir in der Vergangenheit einige erfolgreiche Tourneen in den Staaten hatten. Wir wurden an diverse Festivals eingeladen und waren oft ohne staatliche Unterstützung, quasi selbsttragend unterwegs.


Michael Wertmüller, Full blast, Suzy, 2008

Sie stecken mitten in den Vorbereitungen zu Ihrer 10. Sinfonie in Köln.. Ihr Stück ist in eine Trilogie** eingebunden.. Teil eins wurde aufgrund der Pandemie auf später verschoben, Teil zwei anders konzipiert: gab’s auch bei Ihrem Projekt unsichere Momente?

Interessanterweise nicht. Es spielt ja in der Philharmonie. Die ist riesengross, hat 2100 Plätze. Und das Projekt war immer kammermusikalisch angelegt. Ob noch was kommt, weiss ich nicht…Es werden aber auch nur 200 Personen reingelassen.

Es sind ja noch drei Wochen bis dahin… wie sieht ihr Projekt aus?

Mein Stück, die 10. Sinfonie, findet im grossen Saal statt. Es ist ein konzertantes Musiktheater. Ich vertonte einzelne Passagen aus einem Text von Gesine Danckwart, einer jüngeren Berliner Autorin. Es interpretieren drei Sängerinnen, zwei Streichquartette und zwei Ensembles. Insgesamt sind es um die 25 Musikerinnen und Musiker.

Daneben gibt’s ein anderes, getrenntes Projekt, eine Klanginstallation. Die ist an vier Tagen zu erleben, im ganzen Haus verteilt.

Sie komponierten Beethovens 10. weiter?

Das war eher ein Arbeitstitel. Es gibt ja nur kleinste Fragmente, nicht mehr als vier-fünf-taktige Skizzen. Ich verwendete nur ein klitzekleines Thema. Beethoven ist in diesem Projekt relativ irrelevant für die Töne an sich. Novoflot, die fürs Projekt verantwortliche Opernkompanie, stellte sich und mir die (grosse) Frage: wie würde Beethoven heute klingen?

Relevant ist für mich, dass ich überhaupt zu Beethoven gefragt wurde. Denn ich wäre fast beleidigt gewesen, wenn ich zum grossen Beethoven-Jubiläum nichts hätte machen können. Ich bin der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten.

“..ich bin der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten..”

Wie kam es zu dieser Begeisterung?

Ich war schon als Kind Fan von seiner Musik. Wie auch von Miles Davis und John Coltrane.. Ich bin eigentlich ein einfacher, recht romantisch veranlagter Typ. Ich kann mich begeistern..

Portrait Michael Wertmüller

Äussert sich die Begeisterung in Ihrem Komponieren?

Beethoven ist dauernd im Unterbewusstsein präsent. Die Musik, die ich liebe, die begleitet mich immer und überall, auch im Alltag. Auch Coltrane, Miles, oder Bruckner und Shostakovich. Das fliesst automatisch in meine eigene Musik ein, sei es, dass ich spiele oder dass ich komponiere.

Wird’s in Köln konkreter oder bleibt’s beim Unterbewussten?

Es bleibt beim Unterbewussten. Die Frage wie Beethoven heute komponieren würde, beantwortet unsere Besetzung: Johnny La Marama, eine angesagte Berliner Jazzband, dazu das Ensemble of Nomades, das bringt die Neue Musik ein, und drei Sängerinnen mit klassisch-romantischen Background. Das sind die drei Welten, die für mich heutzutage gültig sind. Und das zu verbinden, könnte sicherlich etwas sein, was Beethoven heute gewollt hätte.

Es heisst oft, die Musiker seien restlos überfordert, wenn Sie Ihre Stücke zu interpretieren haben, und das Publikum auch.. wird das diesmal so sein?

Die Musik wird relativ verträglich, sogar gefällig  sein. Sehr harmonisch und auch tänzerisch. Wehtun könnte höchstens die Intensität. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dem Publikum viel zutrauen kann – ich unterschätze es nicht.


Michael Wertmüller: Musikfabrik Köln, Antagonisme contrôlé, 2014

In Donaueschingen gibt es gleich danach ein neues Stück von Ihnen in der Baarsporthalle zu hören…

Donaueschingen ist jedes Mal eine grosse Herausforderung. Diese ganze Tradition, immer wieder. Auch wenn ich schon öfters eingeladen wurde, überlege ich mir dafür immer extra etwas dazu.

..ein “grössenwahnsinniges Stück..”

Das Stück hatte sich den Bedingungen erhöhter Hygiene-Ansprüche zu stellen.. eine Kammermusikminiatur..

Es ist absolut keine Miniatur. Ganz im Gegenteil: es ist “grössenwahnsinnig” geworden. Und zwar absichtlich. Wegen dieser Corona-Betroffenheit. Die ist überall und die habe auch ich.

“Grössenwahnsinnig”? Dann waren die pandemiebedingten neuen Vorgaben inspirierend, nicht ärgerlich?

Die Besetzung wurde reduziert, das normale Sinfonieorchester quasi halbiert. Damit hatte ich keine Probleme. Ich habe das Stück solistisch besetzt und extra virtuos geschrieben. Es wird eindringlich, pathetisch, schrill und sehr virtuos. Ich habe keine Mühe damit, zu antizipieren. Als Musiker, als Künstler müssen wir antizipieren können, sonst sind wir verloren.

..antizipieren..?

Ich nehme die Situation ernst und habe vollstes Vertrauen in die Regierung, in die Experten. Jetzt gilt es aber durchzuhalten und konsequent zu bleiben.

Und die Dinge, die ich jetzt machen darf – wir können ja momentan froh sein, wenn überhaupt Kultur stattfindet-, möchte ich richtig machen: wenn schon, denn schon. Ich möchte jetzt aufschreien, richtig laut und richtig wild – das tue ich mit meinem Stück. Es wird ein Schrei, ein Aufschrei.
Interview: Gabrielle Weber


Michael Wertmüller, Zeitschrei für Piano, Bass, Schlagzeug, Steamboat Switzerland, 2015

———————————————————–

**im Rahmen des Berliner Projekts Labor Beethoven 2020 – Festival zeitgenössischer Musik zum Beethoven-Jubiläum, in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Berlin


#3 Die 10. Sinfonie, 14.10.2020, 20h: Philharmonie Köln: Novoflot Opernkompanie, Ludwig van Beethoven, Michael Wertmüller.
Weitere Vorstellungen sind im Dezember in Berlin geplant (Daten&Ort folgen später)

Neues Werk Donaueschinger Musiktage, 16.10.2020, 18h / 21h*:
SWR Symphonieorchester, Eröffnungskonzert, Dirigent Titus Engel: Paul Hindemith, Kammermusik Nr.1 (1922), Michael Wertmüller, Neues Werk / UA; Oliver Schneller, The New City / UA, Lula Romero, displaced / UA, Klaus Lang, Neues Werk / UA, Cathy Milliken, Neues Werk / UA

*DONAUESCHINGER MUSIKTAGE kurzfristig ABGESAGT (12.10.20):
Am Freitag, 16. Oktober um 20 Uhr, sendet SWR2
einen Probenmitschnitt des Eröffnungskonzerts.

Michael Wertmüller, SWR Symphonieorchester, Titus Engel,  Novoflot Opernkompanie Berlin, Steamboat SwitzerlandPeter BrötzmannDonaueschinger Musiktage, Kölner Philharmonie, Gesine Danckwart, Johnny La Marama, Ensemble of Nomades

Neo-Profiles: Michael Wertmüller, Steamboat Switzerland, Donaueschinger Musiktage

Ein Prost auf die Neue Musik!

RTR feiert den Launch von neo.mx3 mit einem Extrakonzert am 11. Oktober in Chur – zusammen mit dem Bündner Ensemble ö!. Dabei werden zahlreiche Werke von Schweizer Musikschaffenden aufgeführt. RTR zeichnet sie per Video auf und stellt sie anschliessend umgehend auf neo.mx3 und rtr.ch/musica zur Verfügung.

Thomas Meyer im Gespräch mit dem Geiger und Komponisten David Sontòn Caflisch, künstlerischer Leiter des Ensemble ö!.


Asia Ahmetjanova, La voix, UA ensemble ö!, Chur 2020

Seit 2002 existiert das Ensemble ö! Es entstand damals aus einem ebenfalls von Ihnen 1991 gegründeten Streicherensemble (Musicuria). Sie waren damals noch im Gymnasium… Was war Ihr Anliegen?

Schon bei Musicuria integrierten wir in jedem Programm ein Stück Neue Musik, ja manchmal auch eine Uraufführung. Das Interesse verlagerte sich dann immer mehr in diese Richtung, und schliesslich entstand daraus mit einigen Streichern von Musicuria sowie Bläsern, Klavier und Schlagzeug das neue Ensemble ö!.

David Sontòn-Caflisch & Ensemble ö!

Was bedeutet der ungewöhnliche Name?

Als ich das Ensemble präsentierte und dabei sagte, man solle den Unterschied zwischen E und U nicht mehr machen, hat die Bündner Presse das eigenwillig interpretiert: e und u ergäben zusammen eu und das werde, französisch ausgesprochen, zum ö. Ursprünglich jedoch dachte ich an das ö!, mit dem man sich im Bündnerland zuprostet. Es ist schlicht ein Prost auf die Neue Musik.

In der Programmation nehmen Sie sich jeweils bestimmte Themen vor.

Wir setzen uns pro Saison ein Thema, das wir mit sechs Programmen im Detail beleuchten. Es geht mir als künstlerischem Leiter nicht nur darum, gute Stücke auszuwählen, sondern auch gescheite Programme zu machen, die eine Geschichte erzählen und so aufgebaut sind, als gäbe es pro Abend ein grosses Stück, an dem verschiedene Komponisten beteiligt sind.


Stephanie Hänsler, Im Begriffe, ensemble ö! 2017

Die Weite des Alls und die Einzigartigkeit der Kunst..

Die laufende Saison steht unter dem Motto „Sonnen“.

…ein weites Feld. Wenn man in den Sternenhimmel schaut, vergisst man ja häufig, dass fast alle diese leuchtenden Punkt Sonnen sind. Jede von ihnen hat ihre eigene Welt, und diese Welten sind unglaublich weit voneinander entfernt. Unser nächster Nachbar schon ist über vier Lichtjahre weit weg. Das zeigt einerseits, wie klein, andererseits, wie einzigartig wir sind. Wir sind in der Lage, die Welt über Kunst bzw. über Musik zu reflektieren! Die Weite des Alls steht also neben der Einzigartigkeit der Kunst.

Diese Aspekte beleuchten Sie auf unterschiedliche Weise: Die Konzerte heissen „Lichtjahre“, „Unzugänglichkeit“, „Energie“, „Opium“… Wie gestalten Sie die Programme?

Beim Programm „Lichtjahre“ jetzt im September standen einander beispielsweise Masse und Leere gegenüber: Die Masse von einer Milliarde Sternen kann man sich gar nicht vorstellen; zwischen den Sternen aber ist eine grosse Leere. Zwei Werke des Konzerts (von Vladimir Tarnopolski und Gwyn Pritchard) sind unglaublich dicht komponiert, so dicht, dass man nicht jeder Note folgen kann, sondern nur einer Gesamtidee. Die Stücke von Luciano Berio und von Roland Moser arbeiten hingegen mit der Leere und sind sehr leise. Jenes von Marc-André Dalbavie schliesslich kombiniert beide Elemente.


Jannis Xenakis, Dikhthas, Ensemble ö! 2017

Neu ist, dass Sie für diese Programme mit einem Kuratorium zusammenarbeiten.

Bisher hatte ich mich jeweils intensiv in die Materie eingelesen. Dafür wollte ich nun Fachleute beiziehen. Dieses Jahr sind das ein Philosoph/Psychologe, ein Journalist, eine Schriftstellerin und ein Astrophysiker. Dadurch kommt viel Fachwissen zusammen, um die Themen, die ich wähle, zu vertiefen. In unserer ersten Sitzung gingen wir zusammen jedes Programm im Detail durch und liessen Aspekte aus allen Disziplinen einfliessen. Daraus entstehen dann kurze literarische Texte, die im Konzert eingeflochten werden. Ich möchte dem Publikum nichts rein Theoretisches zumuten; deshalb setzt die Schriftstellerin die Gedanken literarisch um. Die Texte regen aber auch dazu an, das nächste Stück intensiver zu erleben. Sie bilden einen roten Faden zur Musik, die immer noch im Vordergrund steht. Weiterhin gibt es vor dem Konzert Einführungen, in denen ich stärker auf die Musik eingehe.

Die Diskussionen gehen also den Konzerten voraus.

In diesem Jahr schon, es ist ein Pilotprojekt. Später wollen wir diese Sitzungstage auch für die Musiker und fürs Publikum öffnen. Das könnte mit der Zeit eine Begleitung zu den Konzerten werden.

Es handelt sich also um ein vermittelndes und interdisziplinäres Projekt…

Vielleicht eher „transdisziplinär“. Es sind mehrere Disziplinen, die die Musik vertiefen sollen. Es ist ja immer noch etwas in Mode, dass man Konzerte interdisziplinär mit Videoelementen oder Lichtevents anreichert. Das ist berechtigt, aber man muss aufpassen, dass es nicht nur eine äusserliche Ablenkung bleibt. Unsere Musik braucht eine ziemliche Konzentration und soll intelligent kombiniert werden. Da kann man nicht bloss Unterhaltungselemente hinzufügen.

Drei Komponisten tauchen mehrmals auf: der Franzose Tristan Murail, der Österreicher Klaus Lang und der 2017 verstorbene Schweizer Klaus Huber.

Murail schreibt eine sehr sinnliche Musik. Es ist mir wichtig, diesen Aspekt zu betonen, weil gern behauptet wird, dass Neue Musik zu abstrakt sei. Bei Lang fasziniert mich, wie er auf ganz eigene Weise musikalische Weiten schafft. Und bei Huber erinnern wir an einen grossen Schweizer Komponisten, der zurzeit nicht so häufig gespielt wird. Zeitlebens hat er sich mit der Rolle des kleinen Menschen im Universum auseinandergesetzt. Bei seinem Flötensolostück „Ein Hauch von Unzeit“ hat er übrigens einst die Interpreten aufgefordert, neue Versionen herzustellen. Wir stellen gleich zwei neue Ensemblefassungen davon vor.


Klaus Huber, Ein Hauch von Unzeit IV (Fassung für Sopran, Klavier, Flöte, Klarinette und Orgel), Ensemble Neue Horizonte Bern, 1976

Mit den Uraufführungen von Duri Collenberg und Martin Derungs verweisen Sie auch auf Ihre Bündner Ursprünge…

Die beiden stehen für die jüngste und die älteste Generation von Bündner Komponisten, dies innerhalb der „Tuns contemporans“ (Zeitgenössische Töne), unserer Biennale, die wir vor zwei Jahren zusammen mit der Kammerphilharmonie Graubünden gegründet haben. Wir fanden es nötig, dass sich die beiden professionellen Klangkörper des Kantons zusammenschliessen. Es soll die Schwellenangst gegenüber Neuer Musik nehmen. Der Finne Magnus Lindberg wird nächstes Mal als Composer-in-residence dabei sein.

Ladies only!

Für das Festival lancierten Sie auch einen Call for Scores… An wen richtete er sich?

An Komponistinnen jeden Alters aus aller Welt. Das Motto lautet: “Ladies only!”. Es sind 126 Partituren eingetroffen, von denen wir drei bei der Biennale aufführen. Aus diesem Riesenfundus werde ich aber sicher noch das eine oder andere in einer künftigen Saison berücksichtigen.
Interview: Thomas Meyer 

Ensemble ö!-Verbeugung

Concert spezial launch neo.mx3 &Ensemble ö!. 11. Oktober 2020:
Stephanie Hänsler: Im Begriffe, Alfred Knüsel: Mischzonen, Asia Ahmetjanova: La voix, David Sontòn Caflisch: aqua micans (danach als Video auf neo.mx3 und rtr.ch/musica).

Ensemble ö!: Saison 20/21
Tuns contemporans, Biennale für Neue Musik Chur: 9.-11. April 2021

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 11.11.20.: ö! Ensemble für neue musik, Redaktion Florian Hauser

Stephanie Haensler, Asia AhmetjanovaMagnus Lindberg, Tristan MurailVladimir Tarnopolski, Gwyn Pritchard, Klaus LangMarc-André DalbavieAsia Ahmetjanova

Neo-profiles: Ensemble ö!, David Sontòn CaflischKlaus Huber, Stephanie Hänsler, Martin Derungs, Roland Moser, Alfred Knüsel

Musicus universalis – Rudolf Kelterborn

Folge 4 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Rudolf Kelterborn bekommt einen der Schweizer Musikpreise 2020.

Florian Hauser
1985 wars. Da habe ich zum ersten Mal Musik von Rudolf Kelterborn gehört: die unheimlich intensive Cellosonate, die gerade frisch komponiert war. Wie kann jemand, habe ich mich als junger Mensch gefragt, eine solche Musik schreiben? Die zornig ist und klar strukturiert. Sich ihrer eigenen Kraft sehr wohl bewusst. Die diese musikalische Geste in der Tiefe umkreist, beschwört, entwickelt. Bis sie sich hinaufschwingt in die Höhen. Singt, klagt, sich windet, sich verliert. Jubelt. Die erzählt und zu mir spricht.

Rudolf Kelterborn Portrait in jungen Jahren

«Bei meiner Arbeit», hat Rudolf Kelterborn einmal gesagt, «ist für mich nicht in erster Linie wichtig, ob ich etwas grundlegend Neuartiges schaffe. Wichtig ist mir, dass mein Werk bei Zuschauern und Zuhörern etwas in Bewegung setzt. Mit Bewegung meine ich nicht eine nebulose Gefühlsduselei, sondern das Gegenteil von Erstarrung. Auch etwas, das nichts mit der Tagesaktualität zu tun hat, kann aktuell sein, indem es zum Nachdenken anregt, anrührt, beeindruckt, fasziniert, erregt.»

“Etwas grundlegend Neuartiges schaffen..”

Das ist es. Seine Musik soll aus sich selber wirken. Das war und ist immer sein Credo. Und sie braucht auch keine Zusätze. Da ist Rudolf Kelterborn ganz alte Schule, und wenn heute die Musik, die neue Musik immer interdisziplinärer wird, oder transdisziplinärer, wenn sie an den Rändern ausfranst und Allianzen, um nicht zu sagen Amalgame eingeht mit anderen Disziplinen, wenn Theater und Tanz und Installation und Elektronik und Performance und alles mögliche auch noch mitmischen will – dann ist das seine Sache nicht.


Rudolf Kelterborn, Musica luminosa für Orchester 1984/85, Basel Sinfonietta

Er ist ein Urgestein der Schweizer Musiklandschaft, Zeitzeuge fast eines ganzen Jahrhunderts, beherzt, engagiert, voller feinem Humor und unerbittlich. Er ist einer, der es sich und seinem Umfeld nie leicht gemacht hat.

..ein Urgestein der Schweizer Musiklandschaft..

Nicht zufällig hatten die Kolleg*innen seinen Namengern auch mal verballhornt, als er in den siebziger Jahren die Musikabteilung von Schweizer Radio DRS leitete: Poltergern. Ja, er konnte und kann poltern – und zwar dann, wenn er auf Gedankenlosigkeit trifft. Dann ist er streitbar und unbequem und polemisch und vielleicht auch ungerecht.


Rudolf Kelterborn, Klavierstück 7 “Quinterno”, 2005, Klavierduo Soós-Haag

Aber das ist nur die Kehrseite einer Haltung, die das Laue verabscheut und stattdessen das bedingungslose Engagement will. Einer Haltung, die dem Publikum eine dichte, erzählerische, hochemotionale Musik bietet – der es sich dann aber auch bitteschön aussetzen soll. Bequemlichkeit? Bitte nicht. Das Publikum hat ein Recht darauf, gefordert zu werden, daraus dann aber einen enormen Gewinn zu ziehen, einen Erfahrungsgewinn, Erkenntnisgewinn, Lustgewinn.
Florian Hauser

Rudolf Kelterborn Portrait © Universität Oldenburg

Rudolf Kelterborn: Musinfo; Ricordi

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 16.9.2020: Portrait Rudolf Kelterborn, Redaktion Florian Hauser

Neo-Profiles: Rudolf Kelterborn, Klavierduo Soós-Haag, Basel Sinfonietta, Swiss Music Prize

«neuen Stimmen Gehör verschaffen…»

Folge 3 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Swiss Chamber Concerts (SCC), so heisst die erste und einzige die ganze Schweiz umspannende Konzertserie mit viel Neuer Musik. Seit Beginn im Jahr 1999 präsentiert sie laufend Uraufführungen aus allen Landesteilen – insgesamt sind es bereits gegen 200. Nun erhielten die SCC den Schweizer Musikpreis 2020.

Swiss Chamber Concerts live © Miguel Bueno

Gabrielle Weber
Den Ausschlag zum Start der Konzertreihe Swiss Chamber Concerts gab die enge musikalische Freundschaft der drei Gründungsmitglieder.

Den Genfer Cellisten Daniel Haefliger, den Basler Flötisten Felix Renggli und Jürg Dähler, Geiger und Bratschist in Zürich, verband die Vision, ihre eigenen, in den drei Städten bestehenden Kammermusikreihen miteinander zu vernetzen. Im Herbst 1999 fand dann die erste nationale Konzertserie statt, unter Mitwirkung von Heinz Holliger, Wegbegleiter bis heute.

Daniel Haefliger sprach mit mir per Zoom aus Genf über Einzigartigkeit und Herausforderungen der SCC. Das Gespräch führten wir auf Französisch. Haefliger ist nicht nur als Cellist ständig unterwegs; zum Gespräch fand er sich nach einer kleinen Schweiz-Rundreise im Zug, den er als seine zweite Heimat und Arbeitsort bezeichnet: zunächst Bern, zur Koordinierung der Saison der SCC, dann Sion, zur Festlegung des Streichquartettunterrichts der Haute Ecole de Musique, und zurück in Genf zur Arbeit an der Homepage der SCC.

Herzliche Gratulation zum Musikpreis! Waren Sie überrascht? Was bedeutet für Sie dieser Preis ?

Wir waren sehr überrascht. Denn für unsere Arbeit erhalten wir in der Regel wenig Anerkennung durch die Institutionen, obwohl unser Publikum zahlreich und begeistert ist. Wir kreieren mit unserer Reihe übers ganze Jahr eine Verbindung zwischen den verschiedenen Sprachregionen und verschaffen regelmässig neuen Stimmen Gehör. Das ist eine komplexe Herausforderung, bei der wir vielfältigen Widerständen begegnen. Denn die Schweizer Musikszene ist in viele lokale Einheiten unterteilt, die kaum zusammenarbeiten. Unser Ideal ist: die gesamte Schweiz in einem gemeinsamen musikalischen Projekt zu verbinden.

Was inspiriert Sie?

Zweierlei: Zum einen als Cellist der musikalische Dialog mit aussergewöhnlichen Solisten und Solistinnen – auf der Bühne und persönlich ausserhalb; zum andern als Inhaber des Lehrstuhls für Kammermusik an der Musikhochschule Lausanne (site de Sion) meine Arbeit mit jungen Musikern und Musikerinnen. In beiden Bereichen versuche ich zu kommunizieren, zu vermitteln und zu vernetzen über Alter, Sprachen und Kulturen hinaus.

“La jeunesse m’inspire et me passionne..”

Brachte die Pandemie Auswirkungen auf die SCC mit sich?

Es ging uns ähnlich wie allen. Wir mussten alle Konzerte gegen Ende der Saison absagen. Direkt nach den Lockerungen spielten wir zusammen mit Heinz Holliger und Thomas Zehetmair ein Konzert mit freiem Eintritt, am 30. Juni in Genf. Es war ein grosser Erfolg und gab uns allen Antrieb für die nächste Saison.

Die SCC sind ein Brückenbauer zwischen den einzelnen Landesteilen: wie kommt die Zusammenarbeit zwischen Städten zu Stande?

Wir bauen auf der Basis unserer persönlichen Beziehungen auf.  Nur so gelingt es, starre kantonale, städtische und institutionelle Vorgaben zu umgehen, die ein Zusammenarbeiten über die Region sonst kaum fördern.


Bettina Skrzypcak, ..e subito parlando, Swiss Chamber Soloists UA 2012

 

„Wir hinterfragen permanent den eigenen Standpunkt.“

Programmieren Sie gemeinsam – Sie sind ja drei künstlerische Leiter?

Was in welchen Städten gespielt wird und an wen wir Kompositionsaufträge verleihen, entscheiden wir in der Regel gemeinsam. Dabei berücksichtigen wir die Nähe der einzelnen Regionen zu den Szenen im nahen Ausland: Genf zu Frankreich, Basel zu Deutschland, Lugano zu Italien.

Andererseits hinterfragen wir permanent den eigenen Standpunkt und passen uns in gewissem Rahmen dem jeweiligen Aufführungsort und Kulturraum an.


Nadir Vassena, archeologie future

Wie gestalten Sie Ihre Programme?

Unsere Konzertprogramme enthalten einen hohen Anteil an Uraufführungen von Komponierenden aus allen Landesteilen. Die neuen Werke zeigen wir immer im Dialog mit grossen Werken des Repertoires, um die Kontinuität in der Musik zu unterstreichen. Unsere Reihe spricht ein offenes breites Publikum an, vor dem sich die neuen Werke bewähren können und müssen.

Wie kommt die Kombination von Klassikern mit zeitgenössischen Werken und Uraufführungen beim Publikum an? Hat sich das über die Jahre verändert?

Wir verbinden nicht nur die neuen Werke inhaltlich mit dem bestehenden Repertoire, sondern tauschen uns mit den Komponierenden laufend zum gesamten Programm aus. Jedes Konzert ist ein in sich stimmiges Ganzes mit eigener Dramaturgie. Dadurch wird die Einzigartigkeit jedes Stücks unterstrichen und es entsteht eine Intensität des Gesamtprogramms. Wir gehen so auf das vermehrte Bedürfnis des Publikums ein, eine Geschichte zu hören.

Gibt es Unterschiede bei den Publikumsreaktionen in den verschiedenen Landesteilen?

Die Städte in den verschiedenen Landesteilen haben ein recht unterschiedliches „kulturelles Tempo“. Die Schweiz ist genau aufgrund dieser heterogenen kulturellen Identitäten so reich. Wir wollen dieser Diversität einen Wert verleihen, indem wir neue Stücke aus der ganzen Schweiz in der ganzen Schweiz zirkulieren lassen. Das ist gleichzeitig eine der Herausforderungen.

Gibt es in der nächsten Saison Uraufführungen, auf die Sie sich speziell freuen?

Kommende Saison haben wir 12 Uraufführungen, u.a. von Nadir Vassena aus dem Tessin, von Heinz Holliger aus Basel, von David Philip Hefti aus Zürich, Xavier Dayer aus Genf. Die verschiedensten Besetzungen sind zu hören, unter anderem Bläsersextett, Cellosolo, Streichtrio, Streiquartett, Stimme und kleines Ensemble. Mir vorzustellen wie diese diversen Stücke klingen werden, darauf freue ich mich immer besonders.

Die Saison beginnt in Bern, im Yehudi Menuhin Forum, am 24. September mit einem Konzert mit Heinz Holliger und Thomas Zehetmair – die Replik des Konzerts vom 30.6. in Genf.


Heinz Holliger, Aleh stavi for Cello solo: Solist Daniel Haefliger

Haben Sie eine Vision, die sich noch nicht verwirklichen konnten? Hat der Preis vielleicht gerade jetzt – rund um die Pandemie – eine besondere Bedeutung?

Visionen haben wir bereits zahlreiche verwirklicht, so die internationale Swiss Chamber Academy und die Swiss Chamber Camerata, die junge professionelle Musiker und MusikerInnen aus dem In- und Ausland zusammenführen. Aber Visionen und Ideale zu verwirklichen kostet Geld. Vielleicht (oder hoffentlich) wird uns dieser Preis dazu verhelfen, etwas höhere finanzielle Beiträge zu erhalten, um langfristigere Verbindungen zwischen den Regionen zu stärken. Aktuell planen wir ja quasi “auf Armeslänge”. Seit Bestehen der SCC ist unsere Arbeit nur mit einem enormen persönlichen Aufwand und viel ehrenamtlicher Arbeit möglich geworden: Wir denken oft an den Gott Shiva mit seinen vielen Armen …
Interview: Gabrielle Weber

 

Daniel Haefliger © Nicolas Schöpfer

 

Die Swiss Chamber Concerts wurden 1999 gegründet von Daniel Haefliger, Felix Renggli und Jürg Dähler. Es folgte die Gründung der Swiss Chamber Soloists, ein fester Pool aus international gefeierten InstrumentalsolistInnen, der die Reihe bespielt, später der Swiss Chamber Academy in Genf, einer national-internationalen Streichquartett-Akademie und der Swiss Chamber Camerata ebenfalls in Genf.
Alle Konzerte der SCC sind in Lugano, Genf, Basel, Zürich und ab dieser Saison auch in Bern zu hören.

Swiss Chamber Concerts, Liste Ur- & Erstaufführungen 1999-2020

Konzert 18.9.20: Festival Label Suisse, 18.9.20.: 21.15h, Werke von: Rudolf Kelterborn, Xavier Dayer, Mozart, Villa-Lobos

Konzert 24.9.20: Yehudi Menuhin Forum Bern:
Heinz Holliger, Thomas Zehetmair, Ruth Killius, Daniel Haefliger

Sendung SRG/RSI: RSI-Neo, 25.8.2020:
Incontro con Daniel Haefliger, Redaktion Valentina Bensi

Neo-Profiles: Swiss Chamber Soloists, Jürg Dähler, Heinz Holliger, Nadir Vassena, David Philip Hefti, Xavier DayerRudolf Kelterborn, Bettina Skrzypczak, Swiss Music Prize

“Buchstaben-Klänge”

In Brunnen findet vom 11. bis 13. September zum zweiten Mal das Othmar Schoeck Festival statt. Die verwunschen-verwitterte Villa der Familie Schoeck, hoch über dem Vierwaldstädtersee, bildet erneut das einzigartige Festivalzentrum.

Der Komponist Stefan Keller hat sich für eine Residenz in der Villa Schoeck beworben – verbunden mit einem Auftrag für ein Lied. 2017 verbrachte er dann einen mehrwöchigen Residenzaufenthalt in der Villa Schoeck.

Nun ist er Composer in Residence am Festival und bringt drei neue Lieder zur Uraufführung.
LIVESTREAM: Konzert Uraufführung Stefan Keller / Keller & Schoeck 

Portrait Stefan Keller @ Villa Massimo ©Alberto Novelli

Alvaro Schoeck, Initiant und Co-Leiter des Festivals rechnete lange mit einer Live-Ausgabe des Festivals in der “absonderlich gebauten Künstlervilla”. Nun steht es fest: Der spezielle Austragungsort lässt sich mit den Pandemieauflagen nur wenig vereinbaren. Die Veranstaltungen finden im historischen Atelier des Malers Alfred Schoeck, dem Vater des Komponisten, statt und werden live gestreamt.

Eine vielfach ausverkaufte Performance, ‘Hauen und Stechen’, durch diverse Räume der alten Villa, verwob Schoecks Leben mit der Gegenwart und war der Renner des ersten Festivals 2016.

In HeimatLos, der Performance der zweiten Ausgabe des Festivals stehen Frauenfiguren im Zentrum. Und es geht um Heimat, als Ort, Begriff, Gefühl. HeimatLos geleitet kleine Publikumsgruppen musikalisch durch die Schoeckvilla – der live-stream folgt ihnen und führt mitten ins Zentrum des Geschehens in den intimen Räumen.

Am Samstag, 12. September, kommen die neuen Lieder von Stefan Keller zur Uraufführung.

Keller befasste sich in seinen Werken bislang häufig mit Musiktraditionen aus anderen Kulturräumen und studierte lange Zeit die Tabla in Indien. Am Eclat-Festival 2020 brillierte er bspw. virtuos in einem eigenen Stück für Tabla, Stimme und Live-Elektronik.


Stefan Keller: Persona, Excerpts, 2019

Fürs Schoeck-Festival macht sich Keller erstmals an die traditionelle Besetzung Stimme und Klavier. Zum Hintergrund der neuen Stücke sprach ich mit Stefan Keller per Zoom nach Berlin, seinem Wohnsitz.

Stefan Keller, was stand am Anfang der drei Lieder – wie/wo begannen Sie das Komponieren?

Ich lebte von September 2019 bis Juli 2020 in Rom, mit einem Stipendium in der Villa Massimo. Die Hochphase der ersten Pandemiewelle verbrachte ich in der Villa, ‘eingeschlossen’ mit weiteren Stipendiaten. Der Lockdown war ja in Italien viel strenger als anderswo. Wir befanden uns real fast im -oft von aussen als solchen bezeichneten- goldenen Käfig: die schöne Villa in wunderbarem Park. Das hatte Einfluss auf mein Komponieren – wie alles was menschlich bewegt-, wenn sich dies auch kaum konkret festmachen lässt. Durch die intensive Erfahrung wagte ich möglicherweise Dinge, die vorher nicht möglich schienen. In dieser ausserordentlichen Zeit begann ich an den zwei weiteren Liedern zu arbeiten.

Was ist ihre Beziehung zum Schaffen Othmar Schoecks?

Vor der Residenz war sie nicht sehr intensiv. Das hat sich mit dem Aufenthalt in der Villa Schoeck geändert: Schoecks Stücke lagen in Partituren herum und haben mich regelrecht ‘angerührt’. Ich war auch über Stilistisches überrascht. Direkte Bezugnahmen gibt es aber in den neuen Stücken kaum. In der Tradition der Gattung Lied, die für Schoecks Schaffen zentral ist, liegt für mich bereits der Bezug.

Das Ambiente der Villa hat mich beim Komponieren inspiriert: ich arbeitete in einem wunderschönen alten Saal mit einem hervorragenden Flügel.

Othmar Schoeck Festival 2016: Performance Lwowski-Kronfoth, HAUEN & STECHEN

Für Stimme komponierten Sie bislang zwar oft, aber nicht für die die traditionelle Besetzung Stimme und Klavier: was bedeutet für Sie die Gattung Lied, wie gingen Sie damit um – auch mit der Tradition?

Das Komponieren für Stimme und Klavier war für mich eine Herausforderung. Das Klavier ist in vielerlei Hinsicht ein unflexibles Instrument, was Klang, Anschlag oder Tonhöhen anbelangt. Bisher setzte ich es eher virtuos und laut ein, was sich nur schwer mit meinem Interesse an der Stimme kombinieren lässt.


Stefan Keller: Breathe / soyuz21, für Klavier, Akkordeon, elektrische Gitarre, Elektronik, 2016

Für die Stimme schwebte mir etwas Fragiles vor, wo es auf Nuancen der Tonhöhen und des Klanges ankommt. Ich näherte mich deshalb einem eher reduzierten Klaviersatz an, um der Stimme genügend Raum zu geben.

Anagramme der Dichterin Unica Zürn* bilden die Textbasis für die Lieder: wie gingen Sie mit der Vorlage um?

In Zürns Anagramm-Gedichten finden sich in jeder Zeile dieselben Buchstaben in anderer Reihenfolge. Diese Kombinatorik der ‘Buchstaben-Klänge’ verleiht den Gedichten fast eine musikalische Ebene. Das wollte ich in der Musik explizit machen. Indem ich entschlüssle, dass die Worte aus einzelnen Lauten zusammengesetzt sind. Die Laute hört man sonst ja nicht in erster Linie, sondern die Worte als Ganzes, mit ihrer Bedeutung.

Die Sängerin singt in zweien der drei Lieder die Worte nicht konventionell oder ‘natürlich’. Sie gibt einzelne, stimmlose Konsonanten an den Pianisten ab, der diese mit seiner Stimme artikuliert. Ziel ist natürlich, dass die Worte danach verständlich sind. Das bedeutet eine hohe Anforderung an rhythmische und dynamische Präzision, sowohl für die Sängerin als auch für den Pianisten.
Interview: Gabrielle Weber

*Unica Zürn (Berlin 1916 – 1970 Paris), deutsch-französische Dichterin und Zeichnerin, bekannt für ihre 123 Anagramm-Gedichte.
Im Liedzyklus verwendet Stefan Keller folgende drei Anagramm-Gedichte:
Der einsame Tisch, Es war einmal ein kleines, Das Leben ist schoen.

Stefan KellerUnica ZürnChris Walton

Othmar Schoeck Festival, Leitung Alvaro Schoeck / Chris Walton:
HeimatLos, 11.9.: 20:30h / 13.9.: 18h
Uraufführungskonzert 12.9., 20h mit weiteren Stücken von Stefan Keller und ausgewählten Liedern von Othmar Schoeck:
UA Keller: Sopran: Truike van der Poel, Klavier: J. Marc Reichow

Internat. Symposium Frauen:Stimmen Samstag/Sonntag, 12./13.9.:
live und per Livestream (Homepage Othmar Schoeck Festival / Zusammenarbeit:  Musikwissenschaftliches Institut der Universität Zürich und Mariann Steegmann Foundation).
Leitung: Dr. Merle Fahrholz, Chefdramaturgin / stellvertretende Intendantin Oper Dortmund

Neo-Profiles: Stefan Keller, Othmar Schoeck Festival, Soyuz21

Bassistin zum Glück

Folge 2 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Martina Berther – vielfältige Bassistin aus Chur

Martina Berther @ Ester Poly © J. Dubois

Jodok Hess
Martina Berther hat mit Hip-Hop-Bands dem Teufel ein Ohr abgegroovt, macht feministischen Punk-Rock zusammen mit der Schlagzeugerin Beatrice Graf, begleitet hinter Sophie Hunger feinste Pop-Musik oder spielt für Daniela Sarda Elektro-Pop. Und als Frida Stroom experimentiert sie solo auf dem Bass und bewegt sich völlig frei im Bereich Noise.
Eine typische Bassistin also? Ja – nur dass sie die Schnellfinger unter den Bassisten nie so richtig interessiert haben.

Zum Gespräch treffe ich Martina Berther in ihrem Übungsraum in Zürich Affoltern – ein schöner, grosser Raum, mit viel Licht und noch viel mehr Gitarren, Bässen, Effektgeräten, Schlagzeug-Sets überall.

Dass sie sich den Raum mit mehreren anderen Musikern teilt, stresst sie zwar manchmal, weil es eng werden kann. Auf der anderen Seite findet sie es auch gut, weil es automatisch eine gewisse Disziplin erfordert, und weil man sich gegenseitig aushilft.

Überhaupt scheint Martina Berther jemand zu sein, der Limonade macht, wenn das Leben Zitronen offeriert. Schön zum Beispiel die Geschichte, wie sie überhaupt zum E-Bass gekommen ist. Nur wiederwillig überlässt ihr der damalige Dirigent der Jugendmusikschule Chur den Posten:
“In der Jugendmusik in Chur habe ich Trompete gespielt. Was aber nicht so richtig mein Instrument war, zum Glück – denn so blieb ich offen und habe gesucht, welches mein Instrument sein könnte. Und in dieser Jugendmusik gab es einen E-Bassisten, was schon ziemlich revolutionär war, die Jugendmusik war damals noch eher konservativ. Dieser E-Bassist war über 20jährig und musste aufhören, weshalb ein Nachfolger gesucht wurde. Ausdrücklich: Ein Nachfolger. Und als ich mich trotzdem gemeldet habe, da meinte der Leiter: ‘Ouuh, ja da müssen wir eine Sitzung machen, ob das geht, eine Frau am Bass’.”

Andere hätten sich da vielleicht schon beleidigt zurückgezogen. Nicht aber Martina Berther. Sie wartete geduldig das Ergebnis der Sitzung ab.

Dank einer Querdenkerin im Vorstand, die sich sehr stark gemacht hat für mich, wurde ich dann zugelassen. So bin ich also durch einen Glücksfall zum Bass gekommen.

Ein Glücksfall in der Tat! Immerhin ist die Schweizer Musikszene so auch zu einer E-Bassistin als Preisträgerin gekommen. Und genau dieser Preis steht natürlich am Anfang unseres Gesprächs.

25000 Franken in Coronazeiten, da sagt man nicht nein, oder?

Nein! (lacht) – da sagt man nicht nein. Da sagt man auch in Nicht-Corona-Zeiten nicht nein.

Waren Sie überrascht?

Schon, ja! Letztes Jahr war ich an der Verleihung, da hat ihn meine Band-Partnerin Beatrice Graf bekommen (die Schlagzeugerin im Duo Ester Poly), und da habe ich gedacht: Wenn ich weiterhin gut arbeite, vielleicht bekomme ich den dann auch mal. Jetzt ist er einfach viel früher gekommen… (lacht). Aber ich hätte auch noch 50 Jahre weiter gemacht ohne Preis.


Martina Berther / Beatrice Graf @ Ester Poly – FieldsessionB-Sides Festival 2018

Das breite Profil ist also kein Business-Plan?

Nein, definitiv nicht! Das ist aus einer Neugierde heraus entstanden.

Was für Vorbilder haben eine Rolle gespielt?

Orientiert habe ich mich weniger an Musikerinnen oder Musikern, sondern eher an Klängen. Wenn ich irgendeinen Sound gehört habe, von einem Cello, von einem Schlagzeug, da habe ich mir überlegt: Was gefällt mir daran, was davon könnte ich auf den Bass übernehmen?

Also über den Sound?

Über den Sound, oder die Energie – manchmal fällt es mir schwer zu sagen, was mir genau gefällt an einem Musiker, einer Musikerin. Häufig ist es eine Präsenz oder Attitüde. Und das habe ich dann eher versucht als Vorbild zu nehmen. Handkehrum höre ich ziemlich oft: Ich habe wegen dir angefangen Bass zu spielen. Was natürlich schön ist.

Wenn ich mir das Frida Stroom Projekt anhöre, kommt mir Hermeto Pascoal in den Sinn – wegen dem Konzept, dass alles Musik ist. Seine Barthaare sind Musik für ihn, oder eine Banknote, die er zupft. Da habe ich mich gefragt: Ist es diese Neugierde, dass sie über das Geräusch gehen und über die Energie und so etwas Neues suchen?

Ja, das geht mehr über Sound. Das können auch Sachen sein, die beim Spielen passieren. Manchmal merke ich: Das Surren vom Strom, das war eigentlich der schönste Moment von diesen 30 Minuten Improvisation. Und dann interessiert mich das am meisten. Und das ist dann etwas, was ich weiterentwickeln möchte.

“Das Surren vom Strom.. der schönste Moment der Improvisation..”

Wie verhindern Sie, dass ich mich als Zuhörerin, als Zuhörer ausgeschlossen fühle?

Eigentlich, theoretisch gesehen, ist es ziemlich einfach. Indem ich mich auf den Moment einlasse, auf den Raum, auf das Publikum, indem ich mich dabei verletzlich mache und von diesem Punkt aus mit Spielen anfange, wird das Publikum sehr schnell involviert. Schwieriger wird es, wenn ich eine Unsicherheit habe in mir und versuche, die Improvisation nicht zuzulassen. Wenn ich denke: Ich beginne mit diesem Sound.

Das ist dann schon zu viel?

Manchmal schon. Oder wenn ich improvisierend anfange und dann denke ich während dem Spiel: Als nächstes könnte ich das machen. Dann habe ich das Gefühl, ich bin zu sehr bei meiner Arbeit und nehme nicht mehr ganz wahr, was eigentlich passieren würde, im Raum, oder bei meinem Instrument. Denn eigentlich ist ja alles schon da. Man kann mit sehr wenig extrem viel machen. Man muss nur den Mut haben, sich darauf einzulassen. Und wenn ich dagegen ankämpft, aus einer Unsicherheit, dann ist es mehr ich im Kampf gegen irgendetwas.

“Man muss nur den Mut haben, sich darauf einzulassen”


Martina Berther mit Frida Stroom, live am Gamut Festival 2017

Ist dann Improvisation auch so etwas wie ein Sich-Ausliefern? Ein Loslassen?

Für mich schon, ja. Das funktioniert manchmal sehr gut, manchmal weniger gut. Ein sicheres Rezept habe ich da noch nicht gefunden.

Haben Sie nie den Drang in einem solchen Moment einfach mal groovemässig konventionell abzugehen?

(lacht) Ich war ja jahrelang extrem grooveorientiert. Die ersten Bands waren HipHop-Bands, Breitbild zum Beispiel, und auch die Soul-Musik hat mir extrem gefallen. Jetzt im Moment interessiert mich diese eher normale Art Bass zu spielen nicht mehr so sehr.

Frida Stroom © Stefan Berther

Ihr «heart of hearts» ist also momentan eher beim Experimentellen und weniger bei einem Projekt wie Sophie Hunger?

Am Bass schon. Wobei ich gar nicht sage, dass mich Groove-Musik nicht interessiert. Ich habe es einfach schon sehr viel gemacht. Und bei Sophie Hunger wird man durchaus aufgefordert, auch die eigenen Ideen einzubringen. Da muss ich wirklich aus meiner Komfort-Zone raus. Sophie bringt dazu die nötige Energie mit und die Unterstützung. Da habe ich mich auf eine sehr gute Art aufgefordert gefühlt, mich zu zeigen.

Tönt fast ein bisschen nach Jazz?

Ja total! (lacht) Für mich war das eigentlich die grösste Jazz-Band, bei der ich in den letzten Jahren gespielt habe.»
Interview: Jodok Hess

Martina Berther, Beatrice GrafSophie Hunger, Hermeto Pascoal, Frida Stroom, Ester Poly

Sendung SRF 2 KulturJazz&World Aktuell, 15.9.20, Beitrag von Jodok Hess

Neo-Profiles: Martina Berther, Swiss Music Prize