Wenn aus Leidenschaft Subversion wird

Portrait Simone Keller – Pianistin, Kuratorin, Performerin und Musikvermittlerin

Corinne Holtz
Das Jahr 2020 beginnt dicht getaktet mit Konzerten. Für Laptop4, ein instrumentales Theaterstück von Lara Stanić, schaltet das Kukuruz Quartett auch Kamera und Mikrofon ein. Für die Produktion des Ensemble Tzara und Uraufführungen von Patrick Frank und Trond Reinholdtsen sitzt Simone Keller am Klavier. Am Tag vor der Ankündigung des Lockdown, am 12. März, präsentiert sie zusammen mit dem Ensemble thélème ein launiges Programm mit Vokalmusik von Guillaume de Machaut bis Francis Poulenc.

Portrait Simone Keller © Lothar Opilik

Dann gehen die Lichter aus. Auch die Uraufführung Grosse Stimmung  von Edu Habensak für verschieden gestimmte Klaviere ist betroffen. Die Ruhrtriennale wird abgesagt, das Festival Wien Modern jedoch soll Ende Oktober stattfinden. Die Parkettsessel im grossen Saal des Wiener Konzerthaus müssen weichen. Es wird Platz geschaffen für insgesamt zehn unterschiedlich gestimmte Konzertflügel.

Simone Keller, Tomas Bächli und Stefan Wirth haben fest vor, am 31. Oktober den über drei Stunden dauernden Zyklus zu spielen. Das Finale ist ein neu beauftragtes Tutti, bei dem Studierende der Universität für Musik und darstellende Kunst mitwirken.
«Ja, wir reisen nach Wien, ausser es gäbe wirklich ein Einreise-Verbot. Auch die Quarantäne würden wir in Kauf nehmen. Ich habe Anfang September bei den Wiener Festwochen gespielt. Die Veranstalter haben unendlich sorgfältig Regeln und Massnahmen eingehalten, damit die Vorstellungen stattfinden konnten.»


Rat einer Frau: “weniger Emotionen zeigen und die Frisur vorgängig mit einem Mann absprechen..”

Simone Keller spricht auch offen über die finanziellen Folgen der Pandemie. 80% der Verdienstausfälle konnte sie in den letzten Monaten durch die staatlichen Unterstützungsmassnahmen decken. Das neue Covid-Gesetz, seit September in Kraft, sichert den Erwerbsersatz bis Juni 2021. Berechtigt ist aber nur, wer gegenüber den Einnahmen von 2015-2019 eine Umsatzeinbusse von mindestens 55% belegen kann. “Das ist natürlich ein Hohn, wenn man wie ich im Jahr nur 40’000 Franken verdient, also auch mit 100% nur knapp durchkommt.”

 

Simone Keller in Lara Stanic, Fantasia für Klavier-Solo und Elektronik, 2020

Die Krise ist existenziell. Trifft sie Frauen härter als Männer? «Als freischaffende Künstlerin bin ich sowieso zuunterst in der Nahrungskette. Dort wird wahrscheinlich nicht mehr nach Geschlecht abgestuft.» Anders sieht es aus, wenn Frauen auf die Bühne kommen und Signale senden, die das Publikum bewertet. «Für mich war die Rückmeldung einer Frau in einer hohen Leitungsfunktion ein Schlüsselerlebnis. Sie riet mir, weniger Emotionen beim Musizieren zu zeigen und meine Frisur immer vorgängig mit einem Mann abzusprechen. Sie selber würde immer ihren Ehemann fragen, wie er ihr Äusseres bewerte, bevor sie zu einem wichtigen Termin gehe.» Seither schaut sich Simone Keller «auch den Sexismus unter Frauen genauer» an.

Simone Keller spielt Julia Amanda Perry © Wiener Festwochen 2020 reframed

“möglich machen, was unmöglich ist”

Die Musikerin erforscht sich selbst, wenn sie wenig bekanntes Repertoire erschliesst und erfrischende Formen der Programmierung wagt. Zum Beispiel im Rahmen der Carte blanche, die ihr der Jazzclub Moods in Zürich gewährt hat. «Möglich machen, was unmöglich ist», sagt die Pianistin und Kuratorin am ausverkauften Eröffnungsabend des Festivals ‘Breaking Boundaries’. Ihr Treiber scheint Leidenschaft und Subversion in einem zu sein, getragen vom Feuer, endlich wieder vor Publikum spielen zu dürfen.

Drei Spielorte hat sich Simone Keller für die drei Programmpunkte ausgedacht: vier Konzertflügel in jeweils eigener Stimmung für einen Querschnitt aus Edu Haubensaks Klavierzyklus Grosse Stimmung, sechs Klaviere für Musik von Julius Eastman -interpretiert auch von drei Asylsuchenden als MitmusikerInnen-, sowie den Flügel aus dem Moods für die Improvisation von Vera Kappeler und Peter Conradin Zumthor am Schlagzeug. «Der Aufwand war enorm, die Realisierung verdanken wir dem Einsatz des Klavierbauers Urs Bachmann und seinem Team.»


Einladung zum Farbenhören – eine einzige Taste wird zum Mikrocluster

Simone Keller versprüht Funken wenn sie loslegt. Jeder Ton bekommt jene Zufuhr an Energie, die er braucht. Präzise platziert in Raum und Zeit, geformt aus pianistischem Feinsinn. Patterns werden zu nachvollziehbaren Phrasen. Schockmomente sind ebenso überlegen ausgearbeitet wie lyrische Gesten. Die extrem physische Musik Haubensaks wird plastisch. Als “Geräuschkuben” bezeichnet Haubensak die resultierenden Klänge: sie springen die Zuhörerin regelrecht an. Das Schwirren der sich überlagernden Schwingungen etwa in Collection II  setzt nie gehörte Farben frei. Es wetterleuchtet im Ohr. Haubensak hat für die Skordatur von Collection II eine eigene Mischstimmung kreiert. Jede Lage des Klaviers bekommt dadurch einen besonderen Charakter. Werden alle drei Saiten (bzw. Töne) einer Taste unterschiedlich gestimmt, weitet sich der Horizont. Eine einzige Taste wird zum Mikrocluster. Das Klavier entgrenzt sich, wenn alle 241 Saiten anders gestimmt sind. Und der Angriff auf das Herrschaftsinstrument wird zur Einladung zum Farbenhören.


Simone Keller spielt Edu Haubensak Pur, für Klavier in Skordatur (2004/05, rev. 2012)

Simone Keller formuliert über die Kunst hinaus «kühne Wünsche»: Soziale Absicherung von Künstlerinnen und Künstlern, ein Grundeinkommen bei gleichzeitiger Selbstverantwortung des Risikos, Einbindung von Aussenseitern in die kulturelle Praxis. Dort wird es vermehrt zu tun geben, denn die Krise hat eben erst angefangen. Die Pianistin leitet seit 2014 zusammen mit dem Regisseur Philipp Bartels das Künstlerkollektiv ‘ox+öl’. Es führt Kompositions- und Improvisationswerkstätten durch: für und mit Kindern mit Migrations­hintergrund. Es gibt partizipative Konzerte: mit jugendlichen Gewalt­verbrechern im Gefängnis.

Simone Keller wappnet sich für die unwägbare Zukunft. Im Sommer hat sie sich auf ein weiteres Feld eingelassen: eine «Intensiv-Weiterbildung in Gebärdensprache, ausgelöst von einem Musiktheaterprojekt mit Gehörlosen». Vielleicht macht sie eine Ausbildung und wird Gebärdensprache-Dolmetscherin, «ein sehr gesuchter Beruf». Es kann sein, «dass ich meine soziokulturelle Arbeit im Gefängnis und im Asylbereich vertiefen werde und weniger selber konzertiere.»
Corinne Holtz

Portrait Simone Keller

Festival Wien Modern, Edu Haubensak: Grosse Stimmung, 31.10.20

Simone Keller, Wien Modernox&öl – Breaking Boundaries Festival, Philipp Bartels, Edu Haubensak, Tomas Bächli, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Lara Stanic, Patrick Frank, Ensemble thélème, Duo Kappeler Zumthor, Urs Bachmann, Trond ReinholdtsenMoods Club, Kukuruz Quartett

Sendungen SRF 2 Kultur:
Kontext, Mittwoch, 21.10.20, 17:58h: Künste im Gespräch, Redaktion Corinne Holtz

in: Musik unserer Zeit, Mittwoch, 21.10.20., 20h: Redaktion Florian Hauser / Roman Hošek / Gabrielle Weber: Sc’ööf! & neo.mx3

Neo-Profiles:
Simone KellerEdu Haubensak, Lara Stanic, Stefan Wirth, Ensemble Tzara, Patrick Frank, Peter Conradin Zumthor, ox&öl, Kukuruz Quartett, Trio Retro Disco

Texte:
Thomas Meyer: Edu Haubensak – Das wohlverstimmte Klavier, in: Schweizer Musikzeitung, Nr. 11, November 2011
Edu Haubensak: von früher…von später. Im Dickicht der Mikroharmonien, in: MusikTexte 166, August 2020
Pauline Oliveros: Breaking Boundaries

“der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten..”

Michael Wertmüller schreibt Beethovens Fragment der 10. Sinfonie weiter. Zu hören ist das Resultat in der Kölner Philharmonie am 14. Oktober. An den Donaueschinger Musiktagen* kommt gleich danach ein neues Werk zu Uraufführung: Ein regelrechter Sprint fürs SWR Sinfonieorchester, das sich in reduzierter Grösse den Bedingungen erhöhter Hygiene-Ansprüche zu stellen hat.

Der Wahlberliner vermischt meisterhaft Musik-Stile, Genres, Formate und Formationen. Er ist zugleich als Jazzschlagzeuger wie auch als Komponist international unterwegs. Und seine Stücke sind stets schrill, schnell, und hochkomplex. Damit rüttelt er permanent an Neue Musik-Clichés und lässt sich nirgends verorten.

Wertmüller und Beethoven oder Wertmüller und die Pandemieauflagen: geht das?

Ob und wie, verrät Wertmüller im Interview per Zoom nach Frankfurt, wo er sich gerade für Besprechungen zu einer kommenden Musiktheaterproduktion aufhielt.

Full blast, Peter Broetzmann sax, cl Marino Pliakas e-b Michael Wertmueller dr

Gabrielle Weber
Sie sind in Frankfurt, Sie arbeiten wieder mit Leuten zusammen, reisen.. Hat sich Ihr Arbeiten seit der Pandemie verändert?  Mehr online, weniger Reisen..?

Mein Arbeiten als Komponist hat sich nicht verändert – ich war schon vor Corona auch mal wochenlang allein zu Hause und habe niemanden gesehen. Natürlich gibt es weniger Treffen, arbeite ich mehr per Zoom – wie alle. Bis auf das Wegbrechen von Live-Auftritten hat sich wenig verändert.

Ist an Live Konzerten Vieles ausgefallen?

In den letzten fünfzehn Jahren machte ich quasi ein Cross-Fade durch: das Verhältnis kippte von vielen Tourneen und temporärem Komponieren ins Gegenteil. Deshalb war es für mich nicht so einschneidend: Nur eine grosse USA-Tournee mit meinem Trio wurde abgesagt.

Ihr Trio: Full Blast?

Ja genau, meine Jazzband mit Peter Brötzmann und Marino Pliakas. Es war eine grosse USA-Tournee geplant, quer durchs Land, von Ost nach West. Diese Absage schmerzt. Zumal wir in der Vergangenheit einige erfolgreiche Tourneen in den Staaten hatten. Wir wurden an diverse Festivals eingeladen und waren oft ohne staatliche Unterstützung, quasi selbsttragend unterwegs.


Michael Wertmüller, Full blast, Suzy, 2008

Sie stecken mitten in den Vorbereitungen zu Ihrer 10. Sinfonie in Köln.. Ihr Stück ist in eine Trilogie** eingebunden.. Teil eins wurde aufgrund der Pandemie auf später verschoben, Teil zwei anders konzipiert: gab’s auch bei Ihrem Projekt unsichere Momente?

Interessanterweise nicht. Es spielt ja in der Philharmonie. Die ist riesengross, hat 2100 Plätze. Und das Projekt war immer kammermusikalisch angelegt. Ob noch was kommt, weiss ich nicht…Es werden aber auch nur 200 Personen reingelassen.

Es sind ja noch drei Wochen bis dahin… wie sieht ihr Projekt aus?

Mein Stück, die 10. Sinfonie, findet im grossen Saal statt. Es ist ein konzertantes Musiktheater. Ich vertonte einzelne Passagen aus einem Text von Gesine Danckwart, einer jüngeren Berliner Autorin. Es interpretieren drei Sängerinnen, zwei Streichquartette und zwei Ensembles. Insgesamt sind es um die 25 Musikerinnen und Musiker.

Daneben gibt’s ein anderes, getrenntes Projekt, eine Klanginstallation. Die ist an vier Tagen zu erleben, im ganzen Haus verteilt.

Sie komponierten Beethovens 10. weiter?

Das war eher ein Arbeitstitel. Es gibt ja nur kleinste Fragmente, nicht mehr als vier-fünf-taktige Skizzen. Ich verwendete nur ein klitzekleines Thema. Beethoven ist in diesem Projekt relativ irrelevant für die Töne an sich. Novoflot, die fürs Projekt verantwortliche Opernkompanie, stellte sich und mir die (grosse) Frage: wie würde Beethoven heute klingen?

Relevant ist für mich, dass ich überhaupt zu Beethoven gefragt wurde. Denn ich wäre fast beleidigt gewesen, wenn ich zum grossen Beethoven-Jubiläum nichts hätte machen können. Ich bin der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten.

“..ich bin der grösste Beethoven-Fan aller Zeiten..”

Wie kam es zu dieser Begeisterung?

Ich war schon als Kind Fan von seiner Musik. Wie auch von Miles Davis und John Coltrane.. Ich bin eigentlich ein einfacher, recht romantisch veranlagter Typ. Ich kann mich begeistern..

Portrait Michael Wertmüller

Äussert sich die Begeisterung in Ihrem Komponieren?

Beethoven ist dauernd im Unterbewusstsein präsent. Die Musik, die ich liebe, die begleitet mich immer und überall, auch im Alltag. Auch Coltrane, Miles, oder Bruckner und Shostakovich. Das fliesst automatisch in meine eigene Musik ein, sei es, dass ich spiele oder dass ich komponiere.

Wird’s in Köln konkreter oder bleibt’s beim Unterbewussten?

Es bleibt beim Unterbewussten. Die Frage wie Beethoven heute komponieren würde, beantwortet unsere Besetzung: Johnny La Marama, eine angesagte Berliner Jazzband, dazu das Ensemble of Nomades, das bringt die Neue Musik ein, und drei Sängerinnen mit klassisch-romantischen Background. Das sind die drei Welten, die für mich heutzutage gültig sind. Und das zu verbinden, könnte sicherlich etwas sein, was Beethoven heute gewollt hätte.

Es heisst oft, die Musiker seien restlos überfordert, wenn Sie Ihre Stücke zu interpretieren haben, und das Publikum auch.. wird das diesmal so sein?

Die Musik wird relativ verträglich, sogar gefällig  sein. Sehr harmonisch und auch tänzerisch. Wehtun könnte höchstens die Intensität. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich dem Publikum viel zutrauen kann – ich unterschätze es nicht.


Michael Wertmüller: Musikfabrik Köln, Antagonisme contrôlé, 2014

In Donaueschingen gibt es gleich danach ein neues Stück von Ihnen in der Baarsporthalle zu hören…

Donaueschingen ist jedes Mal eine grosse Herausforderung. Diese ganze Tradition, immer wieder. Auch wenn ich schon öfters eingeladen wurde, überlege ich mir dafür immer extra etwas dazu.

..ein “grössenwahnsinniges Stück..”

Das Stück hatte sich den Bedingungen erhöhter Hygiene-Ansprüche zu stellen.. eine Kammermusikminiatur..

Es ist absolut keine Miniatur. Ganz im Gegenteil: es ist “grössenwahnsinnig” geworden. Und zwar absichtlich. Wegen dieser Corona-Betroffenheit. Die ist überall und die habe auch ich.

“Grössenwahnsinnig”? Dann waren die pandemiebedingten neuen Vorgaben inspirierend, nicht ärgerlich?

Die Besetzung wurde reduziert, das normale Sinfonieorchester quasi halbiert. Damit hatte ich keine Probleme. Ich habe das Stück solistisch besetzt und extra virtuos geschrieben. Es wird eindringlich, pathetisch, schrill und sehr virtuos. Ich habe keine Mühe damit, zu antizipieren. Als Musiker, als Künstler müssen wir antizipieren können, sonst sind wir verloren.

..antizipieren..?

Ich nehme die Situation ernst und habe vollstes Vertrauen in die Regierung, in die Experten. Jetzt gilt es aber durchzuhalten und konsequent zu bleiben.

Und die Dinge, die ich jetzt machen darf – wir können ja momentan froh sein, wenn überhaupt Kultur stattfindet-, möchte ich richtig machen: wenn schon, denn schon. Ich möchte jetzt aufschreien, richtig laut und richtig wild – das tue ich mit meinem Stück. Es wird ein Schrei, ein Aufschrei.
Interview: Gabrielle Weber


Michael Wertmüller, Zeitschrei für Piano, Bass, Schlagzeug, Steamboat Switzerland, 2015

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**im Rahmen des Berliner Projekts Labor Beethoven 2020 – Festival zeitgenössischer Musik zum Beethoven-Jubiläum, in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Berlin


#3 Die 10. Sinfonie, 14.10.2020, 20h: Philharmonie Köln: Novoflot Opernkompanie, Ludwig van Beethoven, Michael Wertmüller.
Weitere Vorstellungen sind im Dezember in Berlin geplant (Daten&Ort folgen später)

Neues Werk Donaueschinger Musiktage, 16.10.2020, 18h / 21h*:
SWR Symphonieorchester, Eröffnungskonzert, Dirigent Titus Engel: Paul Hindemith, Kammermusik Nr.1 (1922), Michael Wertmüller, Neues Werk / UA; Oliver Schneller, The New City / UA, Lula Romero, displaced / UA, Klaus Lang, Neues Werk / UA, Cathy Milliken, Neues Werk / UA

*DONAUESCHINGER MUSIKTAGE kurzfristig ABGESAGT (12.10.20):
Am Freitag, 16. Oktober um 20 Uhr, sendet SWR2
einen Probenmitschnitt des Eröffnungskonzerts.

Michael Wertmüller, SWR Symphonieorchester, Titus Engel,  Novoflot Opernkompanie Berlin, Steamboat SwitzerlandPeter BrötzmannDonaueschinger Musiktage, Kölner Philharmonie, Gesine Danckwart, Johnny La Marama, Ensemble of Nomades

Neo-Profiles: Michael Wertmüller, Steamboat Switzerland, Donaueschinger Musiktage

Ein Prost auf die Neue Musik!

RTR feiert den Launch von neo.mx3 mit einem Extrakonzert am 11. Oktober in Chur – zusammen mit dem Bündner Ensemble ö!. Dabei werden zahlreiche Werke von Schweizer Musikschaffenden aufgeführt. RTR zeichnet sie per Video auf und stellt sie anschliessend umgehend auf neo.mx3 und rtr.ch/musica zur Verfügung.

Thomas Meyer im Gespräch mit dem Geiger und Komponisten David Sontòn Caflisch, künstlerischer Leiter des Ensemble ö!.


Asia Ahmetjanova, La voix, UA ensemble ö!, Chur 2020

Seit 2002 existiert das Ensemble ö! Es entstand damals aus einem ebenfalls von Ihnen 1991 gegründeten Streicherensemble (Musicuria). Sie waren damals noch im Gymnasium… Was war Ihr Anliegen?

Schon bei Musicuria integrierten wir in jedem Programm ein Stück Neue Musik, ja manchmal auch eine Uraufführung. Das Interesse verlagerte sich dann immer mehr in diese Richtung, und schliesslich entstand daraus mit einigen Streichern von Musicuria sowie Bläsern, Klavier und Schlagzeug das neue Ensemble ö!.

David Sontòn-Caflisch & Ensemble ö!

Was bedeutet der ungewöhnliche Name?

Als ich das Ensemble präsentierte und dabei sagte, man solle den Unterschied zwischen E und U nicht mehr machen, hat die Bündner Presse das eigenwillig interpretiert: e und u ergäben zusammen eu und das werde, französisch ausgesprochen, zum ö. Ursprünglich jedoch dachte ich an das ö!, mit dem man sich im Bündnerland zuprostet. Es ist schlicht ein Prost auf die Neue Musik.

In der Programmation nehmen Sie sich jeweils bestimmte Themen vor.

Wir setzen uns pro Saison ein Thema, das wir mit sechs Programmen im Detail beleuchten. Es geht mir als künstlerischem Leiter nicht nur darum, gute Stücke auszuwählen, sondern auch gescheite Programme zu machen, die eine Geschichte erzählen und so aufgebaut sind, als gäbe es pro Abend ein grosses Stück, an dem verschiedene Komponisten beteiligt sind.


Stephanie Hänsler, Im Begriffe, ensemble ö! 2017

Die Weite des Alls und die Einzigartigkeit der Kunst..

Die laufende Saison steht unter dem Motto „Sonnen“.

…ein weites Feld. Wenn man in den Sternenhimmel schaut, vergisst man ja häufig, dass fast alle diese leuchtenden Punkt Sonnen sind. Jede von ihnen hat ihre eigene Welt, und diese Welten sind unglaublich weit voneinander entfernt. Unser nächster Nachbar schon ist über vier Lichtjahre weit weg. Das zeigt einerseits, wie klein, andererseits, wie einzigartig wir sind. Wir sind in der Lage, die Welt über Kunst bzw. über Musik zu reflektieren! Die Weite des Alls steht also neben der Einzigartigkeit der Kunst.

Diese Aspekte beleuchten Sie auf unterschiedliche Weise: Die Konzerte heissen „Lichtjahre“, „Unzugänglichkeit“, „Energie“, „Opium“… Wie gestalten Sie die Programme?

Beim Programm „Lichtjahre“ jetzt im September standen einander beispielsweise Masse und Leere gegenüber: Die Masse von einer Milliarde Sternen kann man sich gar nicht vorstellen; zwischen den Sternen aber ist eine grosse Leere. Zwei Werke des Konzerts (von Vladimir Tarnopolski und Gwyn Pritchard) sind unglaublich dicht komponiert, so dicht, dass man nicht jeder Note folgen kann, sondern nur einer Gesamtidee. Die Stücke von Luciano Berio und von Roland Moser arbeiten hingegen mit der Leere und sind sehr leise. Jenes von Marc-André Dalbavie schliesslich kombiniert beide Elemente.


Jannis Xenakis, Dikhthas, Ensemble ö! 2017

Neu ist, dass Sie für diese Programme mit einem Kuratorium zusammenarbeiten.

Bisher hatte ich mich jeweils intensiv in die Materie eingelesen. Dafür wollte ich nun Fachleute beiziehen. Dieses Jahr sind das ein Philosoph/Psychologe, ein Journalist, eine Schriftstellerin und ein Astrophysiker. Dadurch kommt viel Fachwissen zusammen, um die Themen, die ich wähle, zu vertiefen. In unserer ersten Sitzung gingen wir zusammen jedes Programm im Detail durch und liessen Aspekte aus allen Disziplinen einfliessen. Daraus entstehen dann kurze literarische Texte, die im Konzert eingeflochten werden. Ich möchte dem Publikum nichts rein Theoretisches zumuten; deshalb setzt die Schriftstellerin die Gedanken literarisch um. Die Texte regen aber auch dazu an, das nächste Stück intensiver zu erleben. Sie bilden einen roten Faden zur Musik, die immer noch im Vordergrund steht. Weiterhin gibt es vor dem Konzert Einführungen, in denen ich stärker auf die Musik eingehe.

Die Diskussionen gehen also den Konzerten voraus.

In diesem Jahr schon, es ist ein Pilotprojekt. Später wollen wir diese Sitzungstage auch für die Musiker und fürs Publikum öffnen. Das könnte mit der Zeit eine Begleitung zu den Konzerten werden.

Es handelt sich also um ein vermittelndes und interdisziplinäres Projekt…

Vielleicht eher „transdisziplinär“. Es sind mehrere Disziplinen, die die Musik vertiefen sollen. Es ist ja immer noch etwas in Mode, dass man Konzerte interdisziplinär mit Videoelementen oder Lichtevents anreichert. Das ist berechtigt, aber man muss aufpassen, dass es nicht nur eine äusserliche Ablenkung bleibt. Unsere Musik braucht eine ziemliche Konzentration und soll intelligent kombiniert werden. Da kann man nicht bloss Unterhaltungselemente hinzufügen.

Drei Komponisten tauchen mehrmals auf: der Franzose Tristan Murail, der Österreicher Klaus Lang und der 2017 verstorbene Schweizer Klaus Huber.

Murail schreibt eine sehr sinnliche Musik. Es ist mir wichtig, diesen Aspekt zu betonen, weil gern behauptet wird, dass Neue Musik zu abstrakt sei. Bei Lang fasziniert mich, wie er auf ganz eigene Weise musikalische Weiten schafft. Und bei Huber erinnern wir an einen grossen Schweizer Komponisten, der zurzeit nicht so häufig gespielt wird. Zeitlebens hat er sich mit der Rolle des kleinen Menschen im Universum auseinandergesetzt. Bei seinem Flötensolostück „Ein Hauch von Unzeit“ hat er übrigens einst die Interpreten aufgefordert, neue Versionen herzustellen. Wir stellen gleich zwei neue Ensemblefassungen davon vor.


Klaus Huber, Ein Hauch von Unzeit IV (Fassung für Sopran, Klavier, Flöte, Klarinette und Orgel), Ensemble Neue Horizonte Bern, 1976

Mit den Uraufführungen von Duri Collenberg und Martin Derungs verweisen Sie auch auf Ihre Bündner Ursprünge…

Die beiden stehen für die jüngste und die älteste Generation von Bündner Komponisten, dies innerhalb der „Tuns contemporans“ (Zeitgenössische Töne), unserer Biennale, die wir vor zwei Jahren zusammen mit der Kammerphilharmonie Graubünden gegründet haben. Wir fanden es nötig, dass sich die beiden professionellen Klangkörper des Kantons zusammenschliessen. Es soll die Schwellenangst gegenüber Neuer Musik nehmen. Der Finne Magnus Lindberg wird nächstes Mal als Composer-in-residence dabei sein.

Ladies only!

Für das Festival lancierten Sie auch einen Call for Scores… An wen richtete er sich?

An Komponistinnen jeden Alters aus aller Welt. Das Motto lautet: “Ladies only!”. Es sind 126 Partituren eingetroffen, von denen wir drei bei der Biennale aufführen. Aus diesem Riesenfundus werde ich aber sicher noch das eine oder andere in einer künftigen Saison berücksichtigen.
Interview: Thomas Meyer 

Ensemble ö!-Verbeugung

Concert spezial launch neo.mx3 &Ensemble ö!. 11. Oktober 2020:
Stephanie Hänsler: Im Begriffe, Alfred Knüsel: Mischzonen, Asia Ahmetjanova: La voix, David Sontòn Caflisch: aqua micans (danach als Video auf neo.mx3 und rtr.ch/musica).

Ensemble ö!: Saison 20/21
Tuns contemporans, Biennale für Neue Musik Chur: 9.-11. April 2021

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 11.11.20.: ö! Ensemble für neue musik, Redaktion Florian Hauser

Stephanie Haensler, Asia AhmetjanovaMagnus Lindberg, Tristan MurailVladimir Tarnopolski, Gwyn Pritchard, Klaus LangMarc-André DalbavieAsia Ahmetjanova

Neo-profiles: Ensemble ö!, David Sontòn CaflischKlaus Huber, Stephanie Hänsler, Martin Derungs, Roland Moser, Alfred Knüsel

Musicus universalis – Rudolf Kelterborn

Folge 4 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Rudolf Kelterborn bekommt einen der Schweizer Musikpreise 2020.

Florian Hauser
1985 wars. Da habe ich zum ersten Mal Musik von Rudolf Kelterborn gehört: die unheimlich intensive Cellosonate, die gerade frisch komponiert war. Wie kann jemand, habe ich mich als junger Mensch gefragt, eine solche Musik schreiben? Die zornig ist und klar strukturiert. Sich ihrer eigenen Kraft sehr wohl bewusst. Die diese musikalische Geste in der Tiefe umkreist, beschwört, entwickelt. Bis sie sich hinaufschwingt in die Höhen. Singt, klagt, sich windet, sich verliert. Jubelt. Die erzählt und zu mir spricht.

Rudolf Kelterborn Portrait in jungen Jahren

«Bei meiner Arbeit», hat Rudolf Kelterborn einmal gesagt, «ist für mich nicht in erster Linie wichtig, ob ich etwas grundlegend Neuartiges schaffe. Wichtig ist mir, dass mein Werk bei Zuschauern und Zuhörern etwas in Bewegung setzt. Mit Bewegung meine ich nicht eine nebulose Gefühlsduselei, sondern das Gegenteil von Erstarrung. Auch etwas, das nichts mit der Tagesaktualität zu tun hat, kann aktuell sein, indem es zum Nachdenken anregt, anrührt, beeindruckt, fasziniert, erregt.»

“Etwas grundlegend Neuartiges schaffen..”

Das ist es. Seine Musik soll aus sich selber wirken. Das war und ist immer sein Credo. Und sie braucht auch keine Zusätze. Da ist Rudolf Kelterborn ganz alte Schule, und wenn heute die Musik, die neue Musik immer interdisziplinärer wird, oder transdisziplinärer, wenn sie an den Rändern ausfranst und Allianzen, um nicht zu sagen Amalgame eingeht mit anderen Disziplinen, wenn Theater und Tanz und Installation und Elektronik und Performance und alles mögliche auch noch mitmischen will – dann ist das seine Sache nicht.


Rudolf Kelterborn, Musica luminosa für Orchester 1984/85, Basel Sinfonietta

Er ist ein Urgestein der Schweizer Musiklandschaft, Zeitzeuge fast eines ganzen Jahrhunderts, beherzt, engagiert, voller feinem Humor und unerbittlich. Er ist einer, der es sich und seinem Umfeld nie leicht gemacht hat.

..ein Urgestein der Schweizer Musiklandschaft..

Nicht zufällig hatten die Kolleg*innen seinen Namengern auch mal verballhornt, als er in den siebziger Jahren die Musikabteilung von Schweizer Radio DRS leitete: Poltergern. Ja, er konnte und kann poltern – und zwar dann, wenn er auf Gedankenlosigkeit trifft. Dann ist er streitbar und unbequem und polemisch und vielleicht auch ungerecht.


Rudolf Kelterborn, Klavierstück 7 “Quinterno”, 2005, Klavierduo Soós-Haag

Aber das ist nur die Kehrseite einer Haltung, die das Laue verabscheut und stattdessen das bedingungslose Engagement will. Einer Haltung, die dem Publikum eine dichte, erzählerische, hochemotionale Musik bietet – der es sich dann aber auch bitteschön aussetzen soll. Bequemlichkeit? Bitte nicht. Das Publikum hat ein Recht darauf, gefordert zu werden, daraus dann aber einen enormen Gewinn zu ziehen, einen Erfahrungsgewinn, Erkenntnisgewinn, Lustgewinn.
Florian Hauser

Rudolf Kelterborn Portrait © Universität Oldenburg

Rudolf Kelterborn: Musinfo; Ricordi

Sendung SRF 2 Kultur:
Musik unserer Zeit, 16.9.2020: Portrait Rudolf Kelterborn, Redaktion Florian Hauser

Neo-Profiles: Rudolf Kelterborn, Klavierduo Soós-Haag, Basel Sinfonietta, Swiss Music Prize

«neuen Stimmen Gehör verschaffen…»

Folge 3 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Swiss Chamber Concerts (SCC), so heisst die erste und einzige die ganze Schweiz umspannende Konzertserie mit viel Neuer Musik. Seit Beginn im Jahr 1999 präsentiert sie laufend Uraufführungen aus allen Landesteilen – insgesamt sind es bereits gegen 200. Nun erhielten die SCC den Schweizer Musikpreis 2020.

Swiss Chamber Concerts live © Miguel Bueno

Gabrielle Weber
Den Ausschlag zum Start der Konzertreihe Swiss Chamber Concerts gab die enge musikalische Freundschaft der drei Gründungsmitglieder.

Den Genfer Cellisten Daniel Haefliger, den Basler Flötisten Felix Renggli und Jürg Dähler, Geiger und Bratschist in Zürich, verband die Vision, ihre eigenen, in den drei Städten bestehenden Kammermusikreihen miteinander zu vernetzen. Im Herbst 1999 fand dann die erste nationale Konzertserie statt, unter Mitwirkung von Heinz Holliger, Wegbegleiter bis heute.

Daniel Haefliger sprach mit mir per Zoom aus Genf über Einzigartigkeit und Herausforderungen der SCC. Das Gespräch führten wir auf Französisch. Haefliger ist nicht nur als Cellist ständig unterwegs; zum Gespräch fand er sich nach einer kleinen Schweiz-Rundreise im Zug, den er als seine zweite Heimat und Arbeitsort bezeichnet: zunächst Bern, zur Koordinierung der Saison der SCC, dann Sion, zur Festlegung des Streichquartettunterrichts der Haute Ecole de Musique, und zurück in Genf zur Arbeit an der Homepage der SCC.

Herzliche Gratulation zum Musikpreis! Waren Sie überrascht? Was bedeutet für Sie dieser Preis ?

Wir waren sehr überrascht. Denn für unsere Arbeit erhalten wir in der Regel wenig Anerkennung durch die Institutionen, obwohl unser Publikum zahlreich und begeistert ist. Wir kreieren mit unserer Reihe übers ganze Jahr eine Verbindung zwischen den verschiedenen Sprachregionen und verschaffen regelmässig neuen Stimmen Gehör. Das ist eine komplexe Herausforderung, bei der wir vielfältigen Widerständen begegnen. Denn die Schweizer Musikszene ist in viele lokale Einheiten unterteilt, die kaum zusammenarbeiten. Unser Ideal ist: die gesamte Schweiz in einem gemeinsamen musikalischen Projekt zu verbinden.

Was inspiriert Sie?

Zweierlei: Zum einen als Cellist der musikalische Dialog mit aussergewöhnlichen Solisten und Solistinnen – auf der Bühne und persönlich ausserhalb; zum andern als Inhaber des Lehrstuhls für Kammermusik an der Musikhochschule Lausanne (site de Sion) meine Arbeit mit jungen Musikern und Musikerinnen. In beiden Bereichen versuche ich zu kommunizieren, zu vermitteln und zu vernetzen über Alter, Sprachen und Kulturen hinaus.

“La jeunesse m’inspire et me passionne..”

Brachte die Pandemie Auswirkungen auf die SCC mit sich?

Es ging uns ähnlich wie allen. Wir mussten alle Konzerte gegen Ende der Saison absagen. Direkt nach den Lockerungen spielten wir zusammen mit Heinz Holliger und Thomas Zehetmair ein Konzert mit freiem Eintritt, am 30. Juni in Genf. Es war ein grosser Erfolg und gab uns allen Antrieb für die nächste Saison.

Die SCC sind ein Brückenbauer zwischen den einzelnen Landesteilen: wie kommt die Zusammenarbeit zwischen Städten zu Stande?

Wir bauen auf der Basis unserer persönlichen Beziehungen auf.  Nur so gelingt es, starre kantonale, städtische und institutionelle Vorgaben zu umgehen, die ein Zusammenarbeiten über die Region sonst kaum fördern.


Bettina Skrzypcak, ..e subito parlando, Swiss Chamber Soloists UA 2012

 

„Wir hinterfragen permanent den eigenen Standpunkt.“

Programmieren Sie gemeinsam – Sie sind ja drei künstlerische Leiter?

Was in welchen Städten gespielt wird und an wen wir Kompositionsaufträge verleihen, entscheiden wir in der Regel gemeinsam. Dabei berücksichtigen wir die Nähe der einzelnen Regionen zu den Szenen im nahen Ausland: Genf zu Frankreich, Basel zu Deutschland, Lugano zu Italien.

Andererseits hinterfragen wir permanent den eigenen Standpunkt und passen uns in gewissem Rahmen dem jeweiligen Aufführungsort und Kulturraum an.


Nadir Vassena, archeologie future

Wie gestalten Sie Ihre Programme?

Unsere Konzertprogramme enthalten einen hohen Anteil an Uraufführungen von Komponierenden aus allen Landesteilen. Die neuen Werke zeigen wir immer im Dialog mit grossen Werken des Repertoires, um die Kontinuität in der Musik zu unterstreichen. Unsere Reihe spricht ein offenes breites Publikum an, vor dem sich die neuen Werke bewähren können und müssen.

Wie kommt die Kombination von Klassikern mit zeitgenössischen Werken und Uraufführungen beim Publikum an? Hat sich das über die Jahre verändert?

Wir verbinden nicht nur die neuen Werke inhaltlich mit dem bestehenden Repertoire, sondern tauschen uns mit den Komponierenden laufend zum gesamten Programm aus. Jedes Konzert ist ein in sich stimmiges Ganzes mit eigener Dramaturgie. Dadurch wird die Einzigartigkeit jedes Stücks unterstrichen und es entsteht eine Intensität des Gesamtprogramms. Wir gehen so auf das vermehrte Bedürfnis des Publikums ein, eine Geschichte zu hören.

Gibt es Unterschiede bei den Publikumsreaktionen in den verschiedenen Landesteilen?

Die Städte in den verschiedenen Landesteilen haben ein recht unterschiedliches „kulturelles Tempo“. Die Schweiz ist genau aufgrund dieser heterogenen kulturellen Identitäten so reich. Wir wollen dieser Diversität einen Wert verleihen, indem wir neue Stücke aus der ganzen Schweiz in der ganzen Schweiz zirkulieren lassen. Das ist gleichzeitig eine der Herausforderungen.

Gibt es in der nächsten Saison Uraufführungen, auf die Sie sich speziell freuen?

Kommende Saison haben wir 12 Uraufführungen, u.a. von Nadir Vassena aus dem Tessin, von Heinz Holliger aus Basel, von David Philip Hefti aus Zürich, Xavier Dayer aus Genf. Die verschiedensten Besetzungen sind zu hören, unter anderem Bläsersextett, Cellosolo, Streichtrio, Streiquartett, Stimme und kleines Ensemble. Mir vorzustellen wie diese diversen Stücke klingen werden, darauf freue ich mich immer besonders.

Die Saison beginnt in Bern, im Yehudi Menuhin Forum, am 24. September mit einem Konzert mit Heinz Holliger und Thomas Zehetmair – die Replik des Konzerts vom 30.6. in Genf.


Heinz Holliger, Aleh stavi for Cello solo: Solist Daniel Haefliger

Haben Sie eine Vision, die sich noch nicht verwirklichen konnten? Hat der Preis vielleicht gerade jetzt – rund um die Pandemie – eine besondere Bedeutung?

Visionen haben wir bereits zahlreiche verwirklicht, so die internationale Swiss Chamber Academy und die Swiss Chamber Camerata, die junge professionelle Musiker und MusikerInnen aus dem In- und Ausland zusammenführen. Aber Visionen und Ideale zu verwirklichen kostet Geld. Vielleicht (oder hoffentlich) wird uns dieser Preis dazu verhelfen, etwas höhere finanzielle Beiträge zu erhalten, um langfristigere Verbindungen zwischen den Regionen zu stärken. Aktuell planen wir ja quasi “auf Armeslänge”. Seit Bestehen der SCC ist unsere Arbeit nur mit einem enormen persönlichen Aufwand und viel ehrenamtlicher Arbeit möglich geworden: Wir denken oft an den Gott Shiva mit seinen vielen Armen …
Interview: Gabrielle Weber

 

Daniel Haefliger © Nicolas Schöpfer

 

Die Swiss Chamber Concerts wurden 1999 gegründet von Daniel Haefliger, Felix Renggli und Jürg Dähler. Es folgte die Gründung der Swiss Chamber Soloists, ein fester Pool aus international gefeierten InstrumentalsolistInnen, der die Reihe bespielt, später der Swiss Chamber Academy in Genf, einer national-internationalen Streichquartett-Akademie und der Swiss Chamber Camerata ebenfalls in Genf.
Alle Konzerte der SCC sind in Lugano, Genf, Basel, Zürich und ab dieser Saison auch in Bern zu hören.

Swiss Chamber Concerts, Liste Ur- & Erstaufführungen 1999-2020

Konzert 18.9.20: Festival Label Suisse, 18.9.20.: 21.15h, Werke von: Rudolf Kelterborn, Xavier Dayer, Mozart, Villa-Lobos

Konzert 24.9.20: Yehudi Menuhin Forum Bern:
Heinz Holliger, Thomas Zehetmair, Ruth Killius, Daniel Haefliger

Sendung SRG/RSI: RSI-Neo, 25.8.2020:
Incontro con Daniel Haefliger, Redaktion Valentina Bensi

Neo-Profiles: Swiss Chamber Soloists, Jürg Dähler, Heinz Holliger, Nadir Vassena, David Philip Hefti, Xavier DayerRudolf Kelterborn, Bettina Skrzypczak, Swiss Music Prize

“Buchstaben-Klänge”

In Brunnen findet vom 11. bis 13. September zum zweiten Mal das Othmar Schoeck Festival statt. Die verwunschen-verwitterte Villa der Familie Schoeck, hoch über dem Vierwaldstädtersee, bildet erneut das einzigartige Festivalzentrum.

Der Komponist Stefan Keller hat sich für eine Residenz in der Villa Schoeck beworben – verbunden mit einem Auftrag für ein Lied. 2017 verbrachte er dann einen mehrwöchigen Residenzaufenthalt in der Villa Schoeck.

Nun ist er Composer in Residence am Festival und bringt drei neue Lieder zur Uraufführung.
LIVESTREAM: Konzert Uraufführung Stefan Keller / Keller & Schoeck 

Portrait Stefan Keller @ Villa Massimo ©Alberto Novelli

Alvaro Schoeck, Initiant und Co-Leiter des Festivals rechnete lange mit einer Live-Ausgabe des Festivals in der “absonderlich gebauten Künstlervilla”. Nun steht es fest: Der spezielle Austragungsort lässt sich mit den Pandemieauflagen nur wenig vereinbaren. Die Veranstaltungen finden im historischen Atelier des Malers Alfred Schoeck, dem Vater des Komponisten, statt und werden live gestreamt.

Eine vielfach ausverkaufte Performance, ‘Hauen und Stechen’, durch diverse Räume der alten Villa, verwob Schoecks Leben mit der Gegenwart und war der Renner des ersten Festivals 2016.

In HeimatLos, der Performance der zweiten Ausgabe des Festivals stehen Frauenfiguren im Zentrum. Und es geht um Heimat, als Ort, Begriff, Gefühl. HeimatLos geleitet kleine Publikumsgruppen musikalisch durch die Schoeckvilla – der live-stream folgt ihnen und führt mitten ins Zentrum des Geschehens in den intimen Räumen.

Am Samstag, 12. September, kommen die neuen Lieder von Stefan Keller zur Uraufführung.

Keller befasste sich in seinen Werken bislang häufig mit Musiktraditionen aus anderen Kulturräumen und studierte lange Zeit die Tabla in Indien. Am Eclat-Festival 2020 brillierte er bspw. virtuos in einem eigenen Stück für Tabla, Stimme und Live-Elektronik.


Stefan Keller: Persona, Excerpts, 2019

Fürs Schoeck-Festival macht sich Keller erstmals an die traditionelle Besetzung Stimme und Klavier. Zum Hintergrund der neuen Stücke sprach ich mit Stefan Keller per Zoom nach Berlin, seinem Wohnsitz.

Stefan Keller, was stand am Anfang der drei Lieder – wie/wo begannen Sie das Komponieren?

Ich lebte von September 2019 bis Juli 2020 in Rom, mit einem Stipendium in der Villa Massimo. Die Hochphase der ersten Pandemiewelle verbrachte ich in der Villa, ‘eingeschlossen’ mit weiteren Stipendiaten. Der Lockdown war ja in Italien viel strenger als anderswo. Wir befanden uns real fast im -oft von aussen als solchen bezeichneten- goldenen Käfig: die schöne Villa in wunderbarem Park. Das hatte Einfluss auf mein Komponieren – wie alles was menschlich bewegt-, wenn sich dies auch kaum konkret festmachen lässt. Durch die intensive Erfahrung wagte ich möglicherweise Dinge, die vorher nicht möglich schienen. In dieser ausserordentlichen Zeit begann ich an den zwei weiteren Liedern zu arbeiten.

Was ist ihre Beziehung zum Schaffen Othmar Schoecks?

Vor der Residenz war sie nicht sehr intensiv. Das hat sich mit dem Aufenthalt in der Villa Schoeck geändert: Schoecks Stücke lagen in Partituren herum und haben mich regelrecht ‘angerührt’. Ich war auch über Stilistisches überrascht. Direkte Bezugnahmen gibt es aber in den neuen Stücken kaum. In der Tradition der Gattung Lied, die für Schoecks Schaffen zentral ist, liegt für mich bereits der Bezug.

Das Ambiente der Villa hat mich beim Komponieren inspiriert: ich arbeitete in einem wunderschönen alten Saal mit einem hervorragenden Flügel.

Othmar Schoeck Festival 2016: Performance Lwowski-Kronfoth, HAUEN & STECHEN

Für Stimme komponierten Sie bislang zwar oft, aber nicht für die die traditionelle Besetzung Stimme und Klavier: was bedeutet für Sie die Gattung Lied, wie gingen Sie damit um – auch mit der Tradition?

Das Komponieren für Stimme und Klavier war für mich eine Herausforderung. Das Klavier ist in vielerlei Hinsicht ein unflexibles Instrument, was Klang, Anschlag oder Tonhöhen anbelangt. Bisher setzte ich es eher virtuos und laut ein, was sich nur schwer mit meinem Interesse an der Stimme kombinieren lässt.


Stefan Keller: Breathe / soyuz21, für Klavier, Akkordeon, elektrische Gitarre, Elektronik, 2016

Für die Stimme schwebte mir etwas Fragiles vor, wo es auf Nuancen der Tonhöhen und des Klanges ankommt. Ich näherte mich deshalb einem eher reduzierten Klaviersatz an, um der Stimme genügend Raum zu geben.

Anagramme der Dichterin Unica Zürn* bilden die Textbasis für die Lieder: wie gingen Sie mit der Vorlage um?

In Zürns Anagramm-Gedichten finden sich in jeder Zeile dieselben Buchstaben in anderer Reihenfolge. Diese Kombinatorik der ‘Buchstaben-Klänge’ verleiht den Gedichten fast eine musikalische Ebene. Das wollte ich in der Musik explizit machen. Indem ich entschlüssle, dass die Worte aus einzelnen Lauten zusammengesetzt sind. Die Laute hört man sonst ja nicht in erster Linie, sondern die Worte als Ganzes, mit ihrer Bedeutung.

Die Sängerin singt in zweien der drei Lieder die Worte nicht konventionell oder ‘natürlich’. Sie gibt einzelne, stimmlose Konsonanten an den Pianisten ab, der diese mit seiner Stimme artikuliert. Ziel ist natürlich, dass die Worte danach verständlich sind. Das bedeutet eine hohe Anforderung an rhythmische und dynamische Präzision, sowohl für die Sängerin als auch für den Pianisten.
Interview: Gabrielle Weber

*Unica Zürn (Berlin 1916 – 1970 Paris), deutsch-französische Dichterin und Zeichnerin, bekannt für ihre 123 Anagramm-Gedichte.
Im Liedzyklus verwendet Stefan Keller folgende drei Anagramm-Gedichte:
Der einsame Tisch, Es war einmal ein kleines, Das Leben ist schoen.

Stefan KellerUnica ZürnChris Walton

Othmar Schoeck Festival, Leitung Alvaro Schoeck / Chris Walton:
HeimatLos, 11.9.: 20:30h / 13.9.: 18h
Uraufführungskonzert 12.9., 20h mit weiteren Stücken von Stefan Keller und ausgewählten Liedern von Othmar Schoeck:
UA Keller: Sopran: Truike van der Poel, Klavier: J. Marc Reichow

Internat. Symposium Frauen:Stimmen Samstag/Sonntag, 12./13.9.:
live und per Livestream (Homepage Othmar Schoeck Festival / Zusammenarbeit:  Musikwissenschaftliches Institut der Universität Zürich und Mariann Steegmann Foundation).
Leitung: Dr. Merle Fahrholz, Chefdramaturgin / stellvertretende Intendantin Oper Dortmund

Neo-Profiles: Stefan Keller, Othmar Schoeck Festival, Soyuz21

Bassistin zum Glück

Folge 2 der Neoblog-Portraits zum Schweizer Musikpreis 2020:

Martina Berther – vielfältige Bassistin aus Chur

Martina Berther @ Ester Poly © J. Dubois

Jodok Hess
Martina Berther hat mit Hip-Hop-Bands dem Teufel ein Ohr abgegroovt, macht feministischen Punk-Rock zusammen mit der Schlagzeugerin Beatrice Graf, begleitet hinter Sophie Hunger feinste Pop-Musik oder spielt für Daniela Sarda Elektro-Pop. Und als Frida Stroom experimentiert sie solo auf dem Bass und bewegt sich völlig frei im Bereich Noise.
Eine typische Bassistin also? Ja – nur dass sie die Schnellfinger unter den Bassisten nie so richtig interessiert haben.

Zum Gespräch treffe ich Martina Berther in ihrem Übungsraum in Zürich Affoltern – ein schöner, grosser Raum, mit viel Licht und noch viel mehr Gitarren, Bässen, Effektgeräten, Schlagzeug-Sets überall.

Dass sie sich den Raum mit mehreren anderen Musikern teilt, stresst sie zwar manchmal, weil es eng werden kann. Auf der anderen Seite findet sie es auch gut, weil es automatisch eine gewisse Disziplin erfordert, und weil man sich gegenseitig aushilft.

Überhaupt scheint Martina Berther jemand zu sein, der Limonade macht, wenn das Leben Zitronen offeriert. Schön zum Beispiel die Geschichte, wie sie überhaupt zum E-Bass gekommen ist. Nur wiederwillig überlässt ihr der damalige Dirigent der Jugendmusikschule Chur den Posten:
“In der Jugendmusik in Chur habe ich Trompete gespielt. Was aber nicht so richtig mein Instrument war, zum Glück – denn so blieb ich offen und habe gesucht, welches mein Instrument sein könnte. Und in dieser Jugendmusik gab es einen E-Bassisten, was schon ziemlich revolutionär war, die Jugendmusik war damals noch eher konservativ. Dieser E-Bassist war über 20jährig und musste aufhören, weshalb ein Nachfolger gesucht wurde. Ausdrücklich: Ein Nachfolger. Und als ich mich trotzdem gemeldet habe, da meinte der Leiter: ‘Ouuh, ja da müssen wir eine Sitzung machen, ob das geht, eine Frau am Bass’.”

Andere hätten sich da vielleicht schon beleidigt zurückgezogen. Nicht aber Martina Berther. Sie wartete geduldig das Ergebnis der Sitzung ab.

Dank einer Querdenkerin im Vorstand, die sich sehr stark gemacht hat für mich, wurde ich dann zugelassen. So bin ich also durch einen Glücksfall zum Bass gekommen.

Ein Glücksfall in der Tat! Immerhin ist die Schweizer Musikszene so auch zu einer E-Bassistin als Preisträgerin gekommen. Und genau dieser Preis steht natürlich am Anfang unseres Gesprächs.

25000 Franken in Coronazeiten, da sagt man nicht nein, oder?

Nein! (lacht) – da sagt man nicht nein. Da sagt man auch in Nicht-Corona-Zeiten nicht nein.

Waren Sie überrascht?

Schon, ja! Letztes Jahr war ich an der Verleihung, da hat ihn meine Band-Partnerin Beatrice Graf bekommen (die Schlagzeugerin im Duo Ester Poly), und da habe ich gedacht: Wenn ich weiterhin gut arbeite, vielleicht bekomme ich den dann auch mal. Jetzt ist er einfach viel früher gekommen… (lacht). Aber ich hätte auch noch 50 Jahre weiter gemacht ohne Preis.


Martina Berther / Beatrice Graf @ Ester Poly – FieldsessionB-Sides Festival 2018

Das breite Profil ist also kein Business-Plan?

Nein, definitiv nicht! Das ist aus einer Neugierde heraus entstanden.

Was für Vorbilder haben eine Rolle gespielt?

Orientiert habe ich mich weniger an Musikerinnen oder Musikern, sondern eher an Klängen. Wenn ich irgendeinen Sound gehört habe, von einem Cello, von einem Schlagzeug, da habe ich mir überlegt: Was gefällt mir daran, was davon könnte ich auf den Bass übernehmen?

Also über den Sound?

Über den Sound, oder die Energie – manchmal fällt es mir schwer zu sagen, was mir genau gefällt an einem Musiker, einer Musikerin. Häufig ist es eine Präsenz oder Attitüde. Und das habe ich dann eher versucht als Vorbild zu nehmen. Handkehrum höre ich ziemlich oft: Ich habe wegen dir angefangen Bass zu spielen. Was natürlich schön ist.

Wenn ich mir das Frida Stroom Projekt anhöre, kommt mir Hermeto Pascoal in den Sinn – wegen dem Konzept, dass alles Musik ist. Seine Barthaare sind Musik für ihn, oder eine Banknote, die er zupft. Da habe ich mich gefragt: Ist es diese Neugierde, dass sie über das Geräusch gehen und über die Energie und so etwas Neues suchen?

Ja, das geht mehr über Sound. Das können auch Sachen sein, die beim Spielen passieren. Manchmal merke ich: Das Surren vom Strom, das war eigentlich der schönste Moment von diesen 30 Minuten Improvisation. Und dann interessiert mich das am meisten. Und das ist dann etwas, was ich weiterentwickeln möchte.

“Das Surren vom Strom.. der schönste Moment der Improvisation..”

Wie verhindern Sie, dass ich mich als Zuhörerin, als Zuhörer ausgeschlossen fühle?

Eigentlich, theoretisch gesehen, ist es ziemlich einfach. Indem ich mich auf den Moment einlasse, auf den Raum, auf das Publikum, indem ich mich dabei verletzlich mache und von diesem Punkt aus mit Spielen anfange, wird das Publikum sehr schnell involviert. Schwieriger wird es, wenn ich eine Unsicherheit habe in mir und versuche, die Improvisation nicht zuzulassen. Wenn ich denke: Ich beginne mit diesem Sound.

Das ist dann schon zu viel?

Manchmal schon. Oder wenn ich improvisierend anfange und dann denke ich während dem Spiel: Als nächstes könnte ich das machen. Dann habe ich das Gefühl, ich bin zu sehr bei meiner Arbeit und nehme nicht mehr ganz wahr, was eigentlich passieren würde, im Raum, oder bei meinem Instrument. Denn eigentlich ist ja alles schon da. Man kann mit sehr wenig extrem viel machen. Man muss nur den Mut haben, sich darauf einzulassen. Und wenn ich dagegen ankämpft, aus einer Unsicherheit, dann ist es mehr ich im Kampf gegen irgendetwas.

“Man muss nur den Mut haben, sich darauf einzulassen”


Martina Berther mit Frida Stroom, live am Gamut Festival 2017

Ist dann Improvisation auch so etwas wie ein Sich-Ausliefern? Ein Loslassen?

Für mich schon, ja. Das funktioniert manchmal sehr gut, manchmal weniger gut. Ein sicheres Rezept habe ich da noch nicht gefunden.

Haben Sie nie den Drang in einem solchen Moment einfach mal groovemässig konventionell abzugehen?

(lacht) Ich war ja jahrelang extrem grooveorientiert. Die ersten Bands waren HipHop-Bands, Breitbild zum Beispiel, und auch die Soul-Musik hat mir extrem gefallen. Jetzt im Moment interessiert mich diese eher normale Art Bass zu spielen nicht mehr so sehr.

Frida Stroom © Stefan Berther

Ihr «heart of hearts» ist also momentan eher beim Experimentellen und weniger bei einem Projekt wie Sophie Hunger?

Am Bass schon. Wobei ich gar nicht sage, dass mich Groove-Musik nicht interessiert. Ich habe es einfach schon sehr viel gemacht. Und bei Sophie Hunger wird man durchaus aufgefordert, auch die eigenen Ideen einzubringen. Da muss ich wirklich aus meiner Komfort-Zone raus. Sophie bringt dazu die nötige Energie mit und die Unterstützung. Da habe ich mich auf eine sehr gute Art aufgefordert gefühlt, mich zu zeigen.

Tönt fast ein bisschen nach Jazz?

Ja total! (lacht) Für mich war das eigentlich die grösste Jazz-Band, bei der ich in den letzten Jahren gespielt habe.»
Interview: Jodok Hess

Martina Berther, Beatrice GrafSophie Hunger, Hermeto Pascoal, Frida Stroom, Ester Poly

Sendung SRF 2 KulturJazz&World Aktuell, 15.9.20, Beitrag von Jodok Hess

Neo-Profiles: Martina Berther, Swiss Music Prize

“Ich bin einer der langsamsten Komponisten Europas..”

Dieter Ammann startet weiter durch: mit seinem an den BBC Proms London uraufgeführten und danach weltweit gespielten Klavierkonzert  „The Piano Concerto – Gran Toccata“ erklimmt der in Luzern und Bern lehrende Aargauer Komponist eine neue Karrieresprosse. Nun strahlt das Schweizer Fernsehen SRF in der Sternstunde Musik ein vielschichtiges Portrait aus (auch zu sehen: Ende blogpost). Der Filmemacher Daniel von Aarburg begleitete Ammann in den drei Jahren der Entstehungszeit des Klavierkonzerts: es entstand ein dichtes, subtiles und humorvolles Portrait über einen nicht immer einfachen Prozess, mit Einblicken in Proben, Konzerte und auch private Situationen. Auch Ammanns Jugend und sein Werdegang werden beleuchtet. Im Gespräch mit Gabrielle Weber äussert er sich zum making of von Film und Konzert.

Dieter Ammann beim Komponieren

Für die Komposition von Gran Toccata nahmen Sie sich drei Jahre Zeit, Sie bezeichnen das Komponieren eines neuen Werks als eine Reise.. War das Filmprojekt auch eine Reise?

Es war eine wechselvolle Reise: Ich steckte bereits in einem freien Filmprojekt, initiiert vom Regisseur Arthur Spirk, einem grossen Musikkenner und -liebhaber. Dann wollte SRF selbst ein Filmportrait produzieren. Im Einvernehmen aller wurden die Dreharbeiten komplett neu aufgegleist. Die Regie übernahm Daniel von Aarburg. Bereits beim ersten Treffen sprang sofort der Funke über und daraus entwickelte sich eine unglaublich schöne Zusammenarbeit.

Wie entwickelte sich die Geschichte..?

Ich begab mich mit grossem Vertrauen in die Hände des Filmteams. Der Regisseur schlug jeweils vor, was er filmen wollte. Es entstand enorm viel gutes Material. Gemäss dem Motto “kill your darlings” musste reichlich geschnitten werden. So fehlen etwa meine Unterrichtstätigkeit an der Hochschule Luzern und einige private Szenen, was ich schade finde, bin ich doch unheimlich stark verwurzelt in meiner Familie und der nächsten Umgebung.

Sie leben und arbeiten mehrheitlich in der Nacht.. wie war das kompatibel, wie verlief die Zusammenarbeit mit der Filmcrew?

Für die Filmcrew war es nicht einfach nur ein Job. Sie hat sich komplett reingekniet. So wurde es auch erst möglich, persönliche Dinge aus dem Privatleben zu filmen. Sie nahm auch wie selbstverständlich auf meinen Rhythmus Rücksicht, legte die Dreharbeiten auf den Nachmittag oder drehte auch mal tief in der Nacht. Da war grosser Idealismus dabei.

..und mit dem Solisten, dem Pianisten Andreas Haefliger?

Die Zusammenarbeit klappte sehr gut, war aber nicht immer problemlos.. Gewisse Dinge mussten wir regelrecht ausfechten. Es war spannend, den Weg zusammen zu gehen, und es ist eine Beziehung fürs Leben entstanden.

„The Piano Concerto – Gran Toccata” war und ist ein Riesenerfolg, weltweit: Bekannt ist, dass Sie sich zuerst lange gegen das Schreiben eines Klavierkonzerts sträubten und nur unter der Bedingung akzeptierten, dass eines der US-“Big five”-Orchester* dabei sei… War die Zusage aus Boston ein Schock? War sie inspririerend..?

Ich wollte mich damit eigentlich dieser riesigen Aufgabe entziehen. Ich sage generell bei Aufträgen nur zu, wenn ich voll und ganz hinter den Bedingungen stehen kann. Bei einer früheren Anfrage für eine Oper stellte ich beispielsweise die Bedingung von acht Jahren Entstehungszeit. Diese konnte mir nicht garantiert werden und somit hatten sich die Sondierungsgespräche für mich erledigt.

Fürs Klavierkonzert hatte ich durch die sehr frühe Anfrage schon vor Kompositionsbeginn ein paar Jahre Vorlaufszeit, verfiel also nicht in Schockstarre…

Was stand musikalisch am Anfang des Klavierkonzerts?

Anfangs hörte ich während etwa sechs Monaten eine Unmenge von Klavierliteratur an und legte eine umfangreiche Beispielsammlung von Texturen an.  Mich interessierte, was an Komplexität am Klavier möglich ist – nicht im Sinne bspw. von New Complexity-, sondern intrinsisch, aus dem Instrument heraus entwickelt. Diese Sammlung mit allen Notaten und verbalen Skizzen wurde mir dann während einer Zugfahrt gestohlen. Ich stand quasi vor dem Nichts. Das war ein wahrhaftiger Schock.

Sie sagten einmal: “Die Freiheit steht für mich im Zentrum beim Komponieren von zeitgenössischer Musik”: Gerade bei Aufträgen für grosse Orchester gibt es Rahmenbedingungen, manchmal Widerstände, die einengend sein können. Sie kommen ursprünglich aus der nicht primär komponierten Musik mit Improvisationsanteil, da ist die Freiheit vermeintlich grösser..

Für mich bedeutet es keine Einengung, für 70 MusikerInnen zu schreiben, sondern eine Restriktion, die auch gegeben ist, wenn ich mit einem Algorithmusprogramm am Computer arbeite oder wenn ich für Klaviertrio schreibe. Gerade die Reibung an der Restriktion, das Ausloten der Grenzen entzündet die Fantasie.


Dieter Ammann, Après le silence. Für Klaviertrio, Mondrian Ensemble, 2004/05

Restriktion macht den Stachel der Fantasie aus.

..beim Arbeiten mit Orchestern ist ein strenger Arbeitsrhythmus, meist knappe Zeit für Proben und wenig Freiheit gegeben..

Ich habe nicht bloss hohe Ansprüche an mich, sondern auch an die Interpretierenden meiner Musik. Glücklicherweise setzen sich vornehmlich künstlerisch herausragende Solisten und Ensembles mit meinen Werken auseinander. Wenn also ein Top-Orchester vier Proben ansetzt, dann klappt es tatsächlich an der Uraufführung. Eine Uraufführung entspricht allerdings selten dem interpretatorischen Ideal. Dazu braucht es mehrmalige Aufführungen. M.E. müsste auch die Musikförderung dem nachkommen: weg vom Hype um Uraufführungen, hin zur Verpflichtung von mehrfachem Aufführen neuer Stücke.

Auch beim Klavierkonzert waren interpretatorische Unterschiede festzustellen. Jedes Orchester, jede/r DirigentIn brachte seine/ihre eigene Klanglichkeit ein. Gerade zeitgenössische Orchesterwerke werden  selten wiederaufgeführt. Ich habe aber den qualitativen Anspruch, dem Repertoire Gültiges hinzuzufügen, sodass durch Nachspielungen eine stete Auseinandersetzung mit der Musik möglich wird, wie das etwa bei „glut“ für Orchester der Fall ist.


Dieter Ammann, glut. Für Orchester, Lucerne Festival Academy, Dirigent George Benjamin, 2019

Sie bezeichnen sich selbst als Langsam-Komponierer – es gibt nur alle paar Jahre ein neues Werk von Ihnen… What’s next?

2022 werde ich – huch!- sechzig. Ich freue mich beispielsweise auf eine Residenz beim Sinfonieorchester Basel oder auch auf ein Geburtstagskonzert der Basel Sinfonietta. Vielleicht kommt im sinfonischen Bereich noch das eine oder andere dazu. Auch die verschobene CH-Premiere des Klavierkonzerts findet nun 2022 statt, am Lucerne Festival.

Kürzlich habe ich die Arbeit an einem Konzert für Viola und Orchester aufgenommen, für den Solisten Nils Mönkemeyer, eine Co-Kommission des SOB mit dem Münchner Kammerorchester.  Danach folgt ein Stück für einen der weltbesten Klangkörper, gefolgt von einem Cellokonzert. Wenn ich noch so lange lebe….;-)
Gabrielle Weber

SRF-Filmportrait Dieter Ammann / Gran Toccata, Sternstunde Musik 2020: Regie Daniel von Aarburg / Produzent SRF: Markus Wicker:

 

The Piano Concerto – Gran Toccata, UA-Tournee seit August 2019, Solist Andreas Haefliger, u.a.:
BBC-Proms / London, Taipeh Symphony Orchestra / Taiwan, Boston Symphony Orchestra / USA, Münchner Philharmoniker / Münchner Gasteig, Helsinki Philharmonic / Helsinki.
Die Schweizer Erstaufführung im Rahmen des Lucerne Festival wurde aufgrund der Pandemie auf 2022 verschoben.

Die CD-Einspielung von Gran Toccata mit dem Helsinki Philharmonic unter der Leitung von Chefdirigentin Susanna Mälkki (Label BIS Records) wird umgehend nach Erscheinen auf neo.mx3 zur Verfügung gestellt.
Auf Dieter Ammanns neo-Profil finden sich Kurzvideos des ursprünglichen Materials von Arthur Spirk.

*Big Five: New York Philharmonic, Boston Symphony Orchestra, Chicago Symphony Orchestra, Philadelphia Orchestra und Cleveland Orchestra

Dieter Ammann, Andreas HaefligerLucerne Festival, Sinfonieorchester Basel, Mondrian Ensemble, Nils Mönkemeyer, Basel Sinfonietta

Ausstrahlung: SRF1
Dieter Ammann – Gran Toccata, Sternstunde Musik, So, 23.8., 11:55h; Di, 25.8., 13:00h; Sa, 29.8., 9:40h (Dauer 1Std)

Sendungen SRF 2 Kultur:
Musikmagazin, 22./23.8.20, Redaktion Benjamin Herzog / Beitrag Silvan Moosmüller.
Musik unserer Zeit, 29.7.2020. (Erstausstrahlung 12.2.2020), Unspielbarkeit, Redaktion Theresa Beyer

Neo-Profiles: Dieter Ammann, Lucerne Festival Academy, Sinfonieorchester Basel, Mondrian Ensemble, Basel Sinfonietta

Alpsegen zur Casino-Eröffnung

Christian Fluri
Helena Winkelman, Komponistin, Violinistin und künstlerische Leiterin des profilierten Ensembles Camerata Variabile, ist eine der interessantesten, eigenwilligsten international ausstrahlenden Musikschaffenden der Schweiz und dieses Jahr Composer in Residence beim Sinfonieorchester Basel (SOB).

Helena Winkelman, Portrait mit Geige

Das Schaffen von Helena Winkelman umfasst Kammermusik, Chor – und Orchesterwerke genau so wie Oper und Musiktheater. In ihren Kompositionen entwickelt sie ausgehend von unterschiedlichsten Einflüssen wie dem Barock, dem Jazz oder verschiedenen Volksmusiken eine eigene, unsere Zeit reflektierende musikalische Sprache, die Vielschichtigkeit mit Tänzerischem, Tiefgründigkeit mit Lebensfreude verbindet.


Helena Winkelman, Camerata Variabile: Papa Haydn’s Parrot (2016)

Gleich drei neue Stücke gab das SOB bei Winkelman in Auftrag: Einkreisung und Gemini, deren Uraufführung von Ivor Bolton, Chefdirigent des SOB, dirigiert werden, sowie Goblins für sechs Schlagzeuger.  Und alle drei Werke sind dramaturgisch angelegt und haben eine eigene Lichtregie.

Einkreisung für acht Alphörner – Bergatmosphäre in der Stadt

Einkreisung, gehört zum Reigen der Werke, mit denen das renovierte, im neuen Kleid erscheinende Stadtcasino am 22. August eingeweiht wird. Geschrieben ist das Stück für acht Alphörner in unterschiedlichen Längen und Stimmungen.

“Die Idee beruht auf dem traditionellen Schweizer Alpsegen” sagt Winkelman “Ich wollte für die Eröffnung des Stadtcasinos die Bergatmosphäre in die Stadt, in den Musiksaal bringen und der urbanen Welt etwas von deren Ursprünglichkeit und Frieden mitbringen.”

Die acht Alphornspieler, das Hornroh-Quartett sowie vier HornistInnen des SOB, stehen auf der Bühne und den Emporen im Raum verteilt und kreisen so das Publikum ein. Winkelman beschreibt Einkreisung als ein Werk, das dramaturgisch den Wechsel zwischen ruhigen, fast traditionell klingenden Alpgrüssen und starken Klangschichtungen entlang der Obertonreihen der Instrumente einsetzt. Durch ein staffettenartiges Weiterreichen des Klangs im Kreis wird der neue Konzertraum dabei effektvoll in Szene gesetzt.

Helena Winkelman, Granithörner (Teaser), Camerata Variabile &Balthasar Streiff, 2018

Gemini – Inszenierte Interaktionen

Gemini, ein Konzert für zwei Violinen und Orchester, hat Helena Winkelman für zwei grosse Musikerpersönlichkeiten, Patricia Kopatchinskaja und Pekka Kuusisto geschrieben: es kommt am ersten Abonnementskonzert des SOB im September zur Uraufführung. Das Konzert besteht aus neun kurzen Szenen, die jeweils mögliche Beziehungsmodi zwischen zwei Menschen abbilden. Beide Solisten bekommen einen Schlagzeuger als Sekundanten zur Seite gestellt, der sich mit ihnen performativ durch das Stück bewegt. Die letzten drei Szenen „Battleships“, „Partners in Crime“ und „Horsing around“ bringen in humorvollem, rasantem Frage- und Antwortspiel zwischen Solisten und Orchester  verschiedene Volksmusikelemente ins Spiel. Der Höhepunkt des Stücks wird in einem inszenierten Duell erreicht, in das neben den beiden sekundierenden Perkussionisten auch der Solokontrabassist eingreift.

Während eines längeren Gesprächs über ihre Musik äussert sich Helena Winkelman zum kreativen Prozess und der Verbindung zwischen ihrer Kunst und dem Leben an sich.
“Am Anfang eines Werkes steht oft ein Klang der sich aus einer Verbindung von  Körperspannung, Geste und taktiler Vorstellung bildet> sagt sie.  <Diese drei Elemente wiederum entstehen aus einer inneren Empfindung oder einer Atmosphäre heraus.

In all den Jahren kam ich zur Einsicht,  dass es am Ende gar nicht so einen grossen Unterschied zwischen Komponierenden und Nicht–Komponierenden gibt.  Denn wie beim Komponieren gilt es auch im Leben Entscheidungen zu treffen, entlang derer sich dann der eigene Weg entfaltet. Jedes Detail ist wichtig, die Gründe sind wichtig, alles beeinflusst sich.  Das ist eine oft überwältigende Aufgabe.

Als KomponistInnen halten wir quasi eine Lupe über diese Entscheidungsprozesse. Wir zeigen im Idealfall, dass es möglich ist, eine gute Wahl zu treffen.”

Bewusstes Formen der Welt

“Ich möchte hier der oft geäusserten Ansicht widersprechen, dass Kunst dazu da ist, das Leben zu interpretieren, zu reflektieren und es zu verarbeiten. Wir befinden uns in einer Welt der Verherrlichung der Exekutive. Folgerichtig wird Kunst als wenig wichtig wahrgenommen. Doch was wäre, wenn das Leben stattdessen UNS nach einer möglichen, gewünschten Richtung fragte? Wenn tatsächlich viel mehr, als wir denken, von unserer Kreativität und Vision abhängig wäre?

Die Musik könnte uns Ermutigung und Schulung sein, diese kreativen Potenziale zu wecken und unsere Welt – wie es Künstler in ihrer Kunst tun – in jedem Moment bewusst zu formen.(Zit. Helena Winkelman)
Christian Fluri


Helena Winkelman: Atlas für Solocello (Nicolas Altstaedt), Cello und Streicher, 2019, Solist: Cello

 

Uraufführungen Helena Winkelman & SOB:
Einkreisung, 22.8. (Wiedereröffnung Stadtcasino Basel), 26.8. in: Spezialkonzert: Neue Welt. Alphorn-SolistInnen: Hornroh-Quartett, SOB: Diane Eaton, Megan McBride, Eda Paçaci, Lars Magnus

Gemini, 9. und 10.9. in: Konzert Duell, Stadtcasino Basel. Solistinnen: Patricia Kopatchinskaja und Pekka Kuusisto
Gemini wird von arte.tv aufgezeichnet.

Goblins, 4.2.2021, in: Konzert Solmidable, Stadtcasino Basel.
Helena Winkelman, Sinfonieorchester Basel, Camerata Variabile, Casino Basel,  hornroh modern alphorn quartet, Balthasar Streiff

Sendungen SRF 2 Kultur:
Kontext / Künste im Gespräch, 3.9.20., 9h/18h: Annelis Berger im Werkstattgespräch mit Patricia Kopatchinskaja und Helena Winkelmann.
Musik unserer Zeit, 9.9.20: Porträt der Komponistin und Geigerin Helena Winkelmann (Annelis Berger)

Neo-Profiles:
Helena Winkelman, Sinfonieorchester Basel, Camerata Variabile, hornroh modern alphorn quartet